Das BVerfG erklärt mit Beschluss vom 23.6.2015 (Az. 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11) die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG für verfassungswidrig. Die mangels Gegenleistung heranzuziehende Ersatzbemessungsgrundlage (sog. Bedarfswert) müsse, um mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sein. Die mit Hilfe der Bewertungsvorschriften (§§ 138 ff BewG) ermittelte Ersatzbemessungsgrundlage führe aber z. B. bei bebauten Grundstücken im Durchschnitt zu einem Wert von 50 % unter dem gemeinen Wert. Bei unbebauten Grundstücken werde durchschnittlich ein Bewertungsniveau von rund 70 % der Verkehrswerte erreicht.
Auf Grund der festgestellten Verfassungswidrigkeit und mangels nennenswerter Gefahr für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung der Länder erklärt das BVerfG die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage rückwirkend für nicht mehr anwendbar. Die Ersatzbemessungsgrundlage darf somit für Erwerbsvorgänge ab dem 1.1.2009 nicht mehr angewendet werden, laufende Steuerfestsetzungsverfahren sind auszusetzen. Der Gesetzgeber wird verpflichtet, bis spätestens 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen.
Betroffen von der Entscheidung des BVerfG sind alle Erwerbsvorgänge ab dem 1.1.2009,
- bei denen keine Gegenleistung vorhanden oder zu ermitteln war,
- bei Umwandlungen, Einbringungen oder anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage,
- in den Fällen des Gesellschafterwechsels nach § 1 Abs. 2a GrEstG, der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder der Änderung der wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 95 % nach § 1 Abs. 3a GrEStG.
Hinweis
Unklar ist momentan, wie die Finanzverwaltung nun bis zu einer Gesetzesänderung in den Fällen (Einbringungen, Anwachsungen und Umwandlungsfälle, die sich unmittelbar auf das Grundstück auswirken) verfahren wird, in denen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Änderung im Grundbuch benötigt wird.
Laut gleichlautendem Ländererlass vom 17.6.2011 (BStBl. I 2011, S. 575 bzw. zuvor Ländererlass vom 1.4.2010, BStBl. I 2010, S. 266) sind bislang Steuerfestsetzungen, in denen die Ersatzbemessungsgrundlage zur Anwendung kommt, vorläufig nach § 165 AO ergangen. Folglich ist hier mit einer Änderung der Steuerfestsetzungen zu rechnen, sobald der Gesetzgeber eine rückwirkend anzuwendende Neuregelung gefasst hat. Sofern Bescheide nicht mit Vorläufigkeitsvermerk ergangen und formell bestandskräftig sind, dürfte eine Änderung verfahrensrechtlich nicht mehr möglich sein.
Erwerbsvorgänge bis 31.12.2008 bleiben von der Entscheidung des BVerfG unberührt. Die Unanwendbarkeit der Ersatzbemessungsgrundlage steht zudem nicht der Steuererhebung unter Anwendung der Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG entgegen.