Der Sachverhalt:
Die klagende Bastei Lübbe AG verfügt über die Urheberrechte und verwandten Schutzrechte des Tonträgerherstellers an der Hörbuchfassung eines Buches. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses, über den dieser Tonträger am 8.5.2010 einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern einer Internet-Tauschbörse ("peer-to-peer") zum Herunterladen angeboten wurde. Ein Sachverständiger hat die IP-Adresse zutreffend dem Beklagten zugeordnet.
Das LG möchte vor diesem Hintergrund vom EuGH wissen, ob es mit dem sich aus den Richtlinien 2001/29 und 2004/48 ergebenden Erfordernis der Wirksamkeit der zur Durchsetzung der Urheberrechte vorgesehenen Maßnahmen im Einklang steht, dass es dem Inhaber eines Internetanschlusses, über den Verletzungen von Urheberrechten begangen wurden, ermöglicht wird, sich der auf einer Vermutung beruhenden Haftung für diese Verletzungen dadurch zu entziehen, dass er ohne Angabe näherer Einzelheiten ein Familienmitglied benennt, das auch Zugriff auf diesen Anschluss haben soll.
Die Gründe:
Vorliegend macht der Beklagte geltend, er könne für die über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung nicht haftbar gemacht werden, weil andere Personen, nämlich seine Eltern, ebenfalls Zugriff auf diesen Anschluss hätten. Er hat außerdem vorgetragen, dass seine Eltern weder von dem für diese Zuwiderhandlung benutzten Programm Kenntnis hätten noch auf ihrem Computer das der Öffentlichkeit rechtswidrig zugänglich gemachte Werk besäßen.
Nach Ansicht des Generalanwalts hat nun das LG zu prüfen, ob der Beklagte das Recht auf Schutz des Familienlebens nicht dadurch missbraucht, dass er sich nicht zu dem Zweck darauf beruft, seine Familienmitglieder vor einer etwaigen Haftung für die Urheberrechtsverletzung, mit der sie erkennbar nicht in Verbindung stehen, zu schützen, sondern nur zu dem Zweck, seiner eigenen Haftung für diese Verletzung zu entgehen. Sollte dies der Fall sein, dürfte das Recht auf Schutz des Familienlebens nicht dem Schutz des geistigen Eigentums der Inhaber dieser Urheberrechte im Weg stehen.
Der Generalanwalt schlägt dem EuGH daher vor, auf die Vorlagefragen des LG wie folgt zu antworten:
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 sind dahin auszulegen, dass sie nicht vorschreiben, im nationalen Recht der Mitgliedstaaten eine Vermutung der Haftung der Inhaber eines Internetanschlusses für über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Sieht das nationale Recht jedoch zum Schutz dieser Rechte eine solche Vermutung vor, muss sie kohärent angewandt werden, um die Wirksamkeit dieses Schutzes zu gewährleisten. Das durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht auf Achtung des Familienlebens kann nicht dahin ausgelegt werden, dass den Rechtsinhabern jede reelle Möglichkeit genommen wird, ihr durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte verbürgtes Recht des geistigen Eigentums zu schützen.
Linkhinweis:
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