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Haftung des Anlageberaters: Verharmlosung der Anlagerisiken im Beratungsgespräch

OLG Frankfurt a.M. 18.3.2016, 13 U 55/14

Eine Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung liegt auch dann vor, wenn in der münd­li­chen Be­ra­tung die im Emis­si­ons­pro­spekt dar­ge­stell­ten Ri­si­ken der­art ver­harm­lost wer­den, dass der An­le­ger eine fal­sche Vor­stel­lung von de­ren Ausmaß und Er­heb­lich­keit erhält. Ein nach dem Emis­si­ons­pro­spekt vor­han­de­nes To­tal­ver­lust­ri­siko wird ver­harm­lost, wenn der Be­ra­ter wahr­heits­wid­rig sug­ge­riert, es han­dele sich le­dig­lich um ein jede An­lage glei­chermaßen tref­fen­des Ri­siko, das mit­hin - theo­re­ti­sch - stets in Kauf ge­nom­men wer­den muss.

Der Sach­ver­halt:
Die Ehe­frau des Klägers hatte im Jahr 2008 einen Kon­takt zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten, die als An­la­ge­be­ra­te­rin tätig ist, ver­mit­telt. In­fol­ge­des­sen er­warb der Kläger Kom­man­dit­an­tei­len an der ei­ner GmbH & Co. KG. Er verfügte zu die­sem Zeit­punkt als In­stal­la­teur über ein mo­nat­li­ches Net­to­ein­kom­men von 1.400 €. Sein ge­sam­tes Vermögen be­stand aus ei­ner Le­bens­ver­si­che­rung, die für die An­lage auf­gelöst wurde, und einem Spar­buch mit ge­rin­ger Ein­lage.

Im Rah­men des Be­ra­tungs­ge­sprächs teilte der Kläger der Be­klag­ten mit, dass er schon ein­mal bei ei­ner An­lage Geld ver­lo­ren habe und der­ar­ti­ges bei die­ser An­lage nicht noch ein­mal er­le­ben wolle. Die Be­klagte führte dar­auf­hin aus, dass es keine hun­dert­pro­zen­tig si­chere An­lage gebe. Das Ri­siko des To­tal­ver­lusts stehe im Pro­spekt deut­lich drin. Es könne gut ge­hen, es könne aber auch schief ge­hen. Der Kläger er­hielt von der Be­klag­ten Schriftstücke mit Re­chen­bei­spie­len. Er un­ter­zeich­nete außer­dem eine vorab aus­gefüllte "In­for­ma­ti­ons­bestäti­gung", in der er u.a. bestätigte, den Emis­si­ons­pro­spekt vorab er­hal­ten zu ha­ben und über die Chan­cen und Ri­si­ken der An­lage auf­geklärt wor­den zu sein.

Der Kläger zahlte auf die Be­tei­li­gun­gen nebst Agio zunächst einen Be­trag von 9.020 €. Ab De­zem­ber 2008 zahlte er außer­dem mo­nat­li­che Ra­ten i.H.v. 100 €, was in einen Ge­samt­be­trag von 2.800 € mündete. Später nahm der Kläger die Be­klagte we­gen ei­nes Be­ra­tungs­feh­lers auf Scha­dens­er­satz in An­spruch. Das LG wies die Klage ab. Es ging da­von aus, dass die Be­klagte durch recht­zei­tige Über­sen­dung des Emis­si­ons­pro­spekts ihre Aufklärungs- und Be­ra­tungs­pflich­ten erfüllt habe. Auf die Be­ru­fung des Klägers hob das OLG das Ur­teil auf und gab der Klage wei­test­ge­hend statt. Die Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten einen An­spruch auf Scha­dens­er­satz i.H.v. 11.820 € gem. §§ 280, 278 BGB, weil die Be­klagte die aus dem be­ste­hen­den Be­ra­ter­ver­trag fol­gende Pflicht zur an­le­ger- und ob­jekt­ge­rech­ten Be­ra­tung schuld­haft ver­letzt hatte.

Die Be­ra­tung der Be­klag­ten war nicht an­le­ger­ge­recht. An­le­ger­ge­recht ist eine Be­ra­tung, die die persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse des Kun­den so­wie sein An­la­ge­ziel, seine Ri­si­ko­be­reit­schaft und sei­nen Wis­sens­stand berück­sich­tigt und auf diese Weise eine An­lage er­mit­telt, die auf die persönli­chen Verhält­nisse des Kun­den zu­ge­schnit­ten ist. Die Be­wer­tung und Emp­feh­lung ei­nes An­la­ge­ob­jek­tes muss da­bei ex ante be­trach­tet le­dig­lich ver­tret­bar sein. Das Ri­siko, dass sich eine An­la­ge­ent­schei­dung im Nach­hin­ein als falsch er­weist, trägt der An­le­ger.

Im vor­lie­gen­den Fall stand fest, dass der Kläger als si­cher­heits­ori­en­tier­ter An­le­ger ein­zu­stu­fen war, des­sen An­la­ge­ziel es je­den­falls war, das ein­ge­zahlte Ka­pi­tal un­ter al­len Umständen zu er­hal­ten. Er hatte of­fen­sicht­lich zum An­la­ge­zeit­punkt auch kei­ner­lei fi­nan­zi­elle Spielräume, die ihm spe­ku­la­tive Ge­schäfte ermöglicht hätten. Vor die­sem Hin­ter­grund hätte die Be­klagte dem Kläger die streit­ge­genständ­li­che An­lage nicht emp­feh­len dürfen.

Eine Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung liegt auch dann vor, wenn in der münd­li­chen Be­ra­tung die im Emis­si­ons­pro­spekt dar­ge­stell­ten Ri­si­ken der­art ver­harm­lost wer­den, dass der An­le­ger eine fal­sche Vor­stel­lung von de­ren Ausmaß und Er­heb­lich­keit erhält. Ein nach dem Emis­si­ons­pro­spekt vor­han­de­nes To­tal­ver­lust­ri­siko wird ver­harm­lost, wenn der Be­ra­ter wahr­heits­wid­rig sug­ge­riert, es han­dele sich le­dig­lich um ein jede An­lage glei­chermaßen tref­fen­des Ri­siko, das mit­hin - theo­re­ti­sch - stets in Kauf ge­nom­men wer­den muss.

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