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Rechtsberatung

Haftung des Sharehosting-Dienstes für urheberrechtsverletzende Inhalte

BGH 20.9.2018, I ZR 53/17 u.a.

Der BGH hat dem EuGH Fra­gen zur Haf­tung des Be­trei­bers ei­nes Shareh­os­ting-Diens­tes im In­ter­net für von Drit­ten hoch­ge­la­dene ur­he­ber­rechts­ver­let­zende In­halte vor­ge­legt. Da­bei kommt es ins­be­son­dere auf die Frage an, ob die Platt­form selbst als Täter oder Teil­neh­mer haf­tet.

Der Sach­ver­halt:

Die Be­klagte be­treibt im In­ter­net den Shareh­os­ting-Dienst "uploa­ded". Die­ser Dienst bie­tet kos­ten­los Spei­cher­platz für das Hoch­la­den von Da­teien be­lie­bi­gen In­halts an. Für jede hoch­ge­la­dene Da­tei er­stellt die Be­klagte au­to­ma­ti­sch einen elek­tro­ni­schen Ver­weis (Down­load-Link) auf den Da­tei­spei­cher­platz und teilt dem Nut­zer die­sen au­to­ma­ti­sch mit. Die Be­klagte bie­tet für die bei ihr ab­ge­spei­cher­ten Da­teien we­der ein In­halts­ver­zeich­nis noch eine ent­spre­chende Such­funk­tion. Al­ler­dings können Nut­zer die Down­load-Links in sog. Link­samm­lun­gen im In­ter­net ein­stel­len. Diese wer­den von Drit­ten an­ge­bo­ten und ent­hal­ten In­for­ma­tio­nen zum In­halt der auf dem Dienst der Be­klag­ten ge­spei­cher­ten Da­teien. Auf diese Weise können an­dere Nut­zer auf die auf den Ser­vern der Be­klag­ten ab­ge­spei­cher­ten Da­teien zu­grei­fen.

Der Down­load von Da­teien von der Platt­form der Be­klag­ten ist kos­ten­los möglich. Al­ler­dings sind Menge und Ge­schwin­dig­keit für nicht re­gis­trierte Nut­zer und sol­che mit ei­ner kos­ten­freien Mit­glied­schaft be­schränkt. Zah­lende Nut­zer ha­ben, bei Prei­sen zwi­schen 4,99 € für zwei Tage bis 99,99 € für zwei Jahre, ein tägli­ches Down­load­kon­tin­gent von 30 GB bei un­be­schränk­ter Down­load­ge­schwin­dig­keit. Zu­dem zahlt die Be­klagte den Nut­zern, die Da­teien hoch­la­den, Down­load­vergütun­gen, und zwar bis zu 40 € für 1.000 Down­loads.

Der Dienst der Be­klag­ten wird so­wohl für le­gale An­wen­dun­gen ge­nutzt als auch für sol­che, die Ur­he­ber­rechte Drit­ter ver­let­zen. Die Be­klagte er­hielt des­halb in der Ver­gan­gen­heit in großem Um­fang Mit­tei­lun­gen über die Verfügbar­keit rechts­ver­let­zen­der In­halte von im Auf­trag der Rechts­in­ha­ber han­deln­den Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men ("Abuse-Mit­tei­lun­gen"). Nach den AGB der Be­klag­ten ist es den Nut­zern un­ter­sagt, über die Platt­form der Be­klag­ten Ur­he­ber­rechts­verstöße zu be­ge­hen.

Die Kläge­rin ist ein in­ter­na­tio­na­ler Fach­ver­lag. Sie sieht eine Ver­let­zung ih­rer Ur­he­ber­rechte darin, dass über ex­terne Link­samm­lun­gen Da­teien auf den Ser­vern der Be­klag­ten er­reich­bar seien, an de­nen ihr die aus­schließli­chen Nut­zungs­rechte zustünden. Sie hat die Be­klagte in ers­ter Li­nie als Täte­rin, hilfs­weise als Teil­neh­me­rin und wei­ter hilfs­weise als Störe­rin ei­ner Ur­he­ber­rechts­ver­let­zung auf Un­ter­las­sung so­wie auf Aus­kunfts­er­tei­lung in An­spruch ge­nom­men so­wie die Fest­stel­lung ih­rer Scha­dens­er­satz­pflicht be­an­tragt.

LG und OLG ha­ben der Klage teil­weise statt­ge­ge­ben. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Be­klagte da­bei (nur) als Störe­rin zur Un­ter­las­sung ver­ur­teilt; die Anträge auf Aus­kunfts­er­tei­lung und Fest­stel­lung der Scha­dens­er­satz­pflicht wur­den ab­ge­wie­sen. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hat der BGH - ebenso wie in dem YouTube be­tref­fen­den Ver­fah­ren (Be­schl. v. 13.9.2018 - I ZR 140/15) - das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem EuGH Fra­gen zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2001/29/EG des EU-Par­la­ments und des Ra­tes vom 22.5.2001 zur Har­mo­ni­sie­rung be­stimm­ter As­pekte des Ur­he­ber­rechts und der ver­wand­ten Schutz­rechte in der In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft, der Richt­li­nie 2000/31/EG des EU-Par­la­ments und des Ra­tes vom 8.6.2000 über be­stimmte recht­li­che As­pekte der Dienste der In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft, ins­be­son­dere des elek­tro­ni­schen Ge­schäfts­ver­kehrs, im Bin­nen­markt und der Richt­li­nie 2004/48/EG des EU-Par­la­ments und des Ra­tes vom 29.4.2004 zur Durch­set­zung der Rechte des geis­ti­gen Ei­gen­tums vor­ge­legt.

Gründe:

Es stellt sich die Frage, ob der Be­trei­ber ei­nes Shareh­os­ting-Diens­tes, auf dem Nut­zer Da­ten mit ur­he­ber­recht­lich ge­schütz­ten In­hal­ten ohne Zu­stim­mung der Rechts­in­ha­ber öff­ent­lich zugäng­lich ma­chen, eine Hand­lung der Wie­der­gabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/29/EG vor­nimmt, wenn

  • der Vor­gang des Hoch­la­dens au­to­ma­ti­sch und ohne vor­he­rige An­sicht oder Kon­trolle durch den Be­trei­ber er­folgt,
  • der Be­trei­ber in den Nut­zungs­be­din­gun­gen dar­auf hin­weist, dass ur­he­ber­rechts­ver­let­zende In­halte nicht ein­ge­stellt wer­den dürfen,
  • er mit dem Be­trieb des Diens­tes Ein­nah­men er­zielt,
  • der Dienst für le­gale An­wen­dun­gen ge­nutzt wird, der Be­trei­ber aber Kennt­nis da­von hat, dass auch eine er­heb­li­che An­zahl ur­he­ber­rechts­ver­let­zen­der In­halte (mehr als 9.500 Werke) verfügbar sind,
  • der Be­trei­ber kein In­halts­ver­zeich­nis und keine Such­funk­tion an­bie­tet, die von ihm be­reit­ge­stell­ten un­be­schränk­ten Down­load-Links aber von Drit­ten in Link-samm­lun­gen im In­ter­net ein­ge­stellt wer­den, die In­for­ma­tio­nen zum In­halt der Da­teien ent­hal­ten und die Su­che nach be­stimm­ten In­hal­ten ermögli­chen,
  • er durch die Ge­stal­tung der von ihm nach­fra­ge­abhängig ge­zahl­ten Vergütung für Down­loads einen An­reiz schafft, ur­he­ber­recht­lich ge­schützte In­halte hoch­zu­la­den, die an­der­wei­tig für Nut­zer nur kos­ten­pflich­tig zu er­lan­gen sind und
  • durch die Einräum­ung der Möglich­keit, Da­teien an­onym hoch­zu­la­den, die Wahr­schein­lich­keit erhöht wird, dass Nut­zer für Ur­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen zur Re­chen­schaft ge­zo­gen wer­den?

Außer­dem ist frag­lich, ob sich die Be­ur­tei­lung der vor­ste­hen­den Frage ändert, wenn über den Shareh­os­ting-Dienst in einem Um­fang von 90 bis 96% der Ge­samt­nut­zung ur­he­ber­rechts­ver­let­zende An­ge­bote be­reit­ge­stellt wer­den.

Mit wei­te­ren Vor­la­ge­fra­gen möchte der Se­nat wis­sen, ob die Tätig­keit des Be­trei­bers ei­nes sol­chen Shareh­os­ting-Diens­tes in den An­wen­dungs­be­reich von Art. 14 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/31/EG fällt und ob sich die in die­ser Vor­schrift ge­nannte tatsäch­li­che Kennt­nis von der rechts­wid­ri­gen Tätig­keit oder In­for­ma­tion und das Be­wusst­sein der Tat­sa­chen oder Umstände, aus de­nen die rechts­wid­rige Tätig­keit oder In­for­ma­tion of­fen­sicht­lich wird, auf kon­krete rechts­wid­rige Tätig­kei­ten oder In­for­ma­tio­nen be­zie­hen muss.

Wei­ter ist frag­lich, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richt­li­nie 2001/29/EG ver­ein­bar ist, wenn der Rechts­in­ha­ber ge­gen einen Diens­te­an­bie­ter, des­sen Dienst in der Spei­che­rung von durch einen Nut­zer ein­ge­ge­be­nen In­for­ma­tio­nen be­steht und von einem Nut­zer zur Ver­let­zung ei­nes Ur­he­ber­rechts oder ver­wand­ter Schutz­rechte ge­nutzt wor­den ist, eine ge­richt­li­che An­ord­nung erst dann er­lan­gen kann, wenn es nach einem Hin­weis auf eine klare Rechts­ver­let­zung er­neut zu ei­ner der­ar­ti­gen Rechts­ver­let­zung ge­kom­men ist.

Für den Fall, dass die vor­ge­nann­ten Fra­gen ver­neint wer­den, ist frag­lich, ob der Be­trei­ber ei­nes Shareh­os­ting-Diens­tes un­ter den in der ers­ten Frage be­schrie­be­nen Umständen als Ver­let­zer i.S.v. Art. 11 S. 1 und Art. 13 der Richt­li­nie 2004/48/EG an­zu­se­hen ist und ob die Ver­pflich­tung ei­nes sol­chen Ver­let­zers zur Leis­tung von Scha­dens­er­satz nach Art. 13 Abs. 1 der Richt­li­nie 2004/48/EG da­von abhängig ge­macht wer­den darf, dass der Ver­let­zer so­wohl in Be­zug auf seine ei­gene Ver­let­zungs­hand­lung als auch in Be­zug auf die Ver­let­zungs­hand­lung des Drit­ten vorsätz­lich ge­han­delt hat und wusste oder vernünf­ti­ger­weise hätte wis­sen müssen, dass Nut­zer die Platt­form für kon­krete Rechts­ver­let­zun­gen nut­zen.

Hin­ter­grund:

Auch die wei­te­ren, ähn­lich ge­la­ger­ten Ver­fah­ren mit den Az. I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17 und I ZR 57/17 hat der BGH bis zur Ent­schei­dung des EuGH im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren I ZR 53/17 aus­ge­setzt.

Link­hin­weise:
 

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Pres­se­mit­tei­lung kli­cken Sie bitte hier.
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