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Hand in Hand für mehr Nachhaltigkeit: INUR vereint Wissenschaft, Praxis und Politik

Im Ok­to­ber letz­ten Jah­res eröff­nete die Rechts­wis­sen­schaft­li­che Fa­kultät der Uni­ver­sität zu Köln das In­sti­tut für Nach­hal­tig­keit, Un­ter­neh­mens­recht und Re­por­ting, kurz INUR, mit dem Ziel, die zahl­rei­chen Fra­gen, die die Re­gu­lie­rung im Be­reich der Nach­hal­tig­keit für Un­ter­neh­men auf­wirft, ganz­heit­lich zu erörtern. Die For­schungs­fra­gen er­stre­cken sich so­wohl auf das Ge­sell­schafts­recht, die Cor­po­rate Go­ver­nance und das Haf­tungs­recht als auch auf das Re­por­ting, die Prüfung so­wie die Be­steue­rung von Un­ter­neh­men. Lösun­gen will das Kölner INUR auch durch einen Aus­tausch von Wis­sen­schaft, Pra­xis und Po­li­tik und mit­tels Ver­net­zung der Teil­dis­zi­pli­nen des Un­ter­neh­mens­rechts mit den Nach­bar­dis­zi­pli­nen ein­schließlich Tax und As­surance er­zie­len. Eb­ner Stolz ist An­kerförde­rer des INUR und be­tei­ligt sich mit Ex­per­ten aus den Dis­zi­pli­nen Wirt­schaftsprüfung, Steu­er­be­ra­tung und Recht mit prak­ti­schen As­pek­ten an dem Aus­tausch. Prof. Dr. Joa­chim Henn­richs, In­ha­ber des Lehr­stuhls für Bürger­li­ches Recht, Bi­lanz- und Steu­er­recht an der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kultät der Uni­ver­sität zu Köln, ist ge­schäftsführen­der Di­rek­tor des INUR. Wir spre­chen mit ihm in Teil 1 die­ses In­ter­views u. a. über die Mo­ti­va­tion, die hin­ter dem INUR steckt. In Teil 2, der in der nächs­ten Aus­gabe der no­vus Man­dan­ten­in­for­ma­tio­nen er­schei­nen wird, erörtern wir, ob das Thema Nach­hal­tig­keit rich­tig an­ge­gan­gen wird und wel­che Er­war­tun­gen er an die Pra­xis hat.

Herr Professor Hennrichs, erläutern Sie uns doch nochmals im Detail, was Sie mit dem INUR genau vorhaben?

Die Welt ent­wi­ckelt sich zu­neh­mend ar­beits­tei­lig und dif­fe­ren­ziert nach Spe­zi­al­ge­bie­ten. Das gilt auch für die Rechts­wis­sen­schaft. Die Auf­tei­lung in die klas­si­schen ju­ris­ti­schen Säulen – Pri­vat­recht, Öff­ent­li­ches Recht, Straf­recht – ist be­kannt. Das geht aber noch wei­ter: Ge­sell­schafts­recht ne­ben Steu­er­recht, selbst im Ge­sell­schafts­recht wei­tere Spe­zia­li­sie­run­gen, etwa zum Ak­ti­en­recht, dort wei­ter Spe­zia­lis­ten zum Recht des Auf­sichts­rats usw. Oder im Steu­er­recht: Ex­per­ten zur Mit­un­ter­neh­mer­be­steue­rung, zur Körper­schaft­steuer usw. Durch diese zu­neh­mende Ausprägung von Spe­zia­li­sie­run­gen können ge­dank­li­che Si­los ent­ste­hen. Für ge­bietsüberg­rei­fende Rechts­fra­gen ist das pro­ble­ma­ti­sch. Nach­hal­tig­keit ist ein ge­bietsüberg­rei­fen­des Thema. Es be­trifft sämt­li­che Fel­der des Un­ter­neh­mens­rechts: vom Zi­vil­recht an­ge­fan­gen über Fra­gen des Ge­sell­schafts­rechts bis hin zu Un­ter­neh­mens­be­richt­er­stat­tung und Prüfung. Da­bei stel­len sich oft ähn­li­che Fra­gen. Es gibt bei­spiels­weise be­acht­li­che Quer­ver­bin­dun­gen zwi­schen der Nach­hal­tig­keits­be­richt­er­stat­tung und der Lie­fer­ket­ten­re­gu­lie­rung. Oder Green­wa­shing ist ein Thema, das sich im Kauf­recht, im Wett­be­werbs­recht, im Ge­sell­schafts­recht und im Re­por­ting und bei der Prüfung stellt.

Hier will das INUR an­set­zen und die ver­schie­de­nen Teil­dis­zi­pli­nen des Un­ter­neh­mens­rechts verknüpfen. Wir bündeln un­sere an der Uni­ver­sität zu Köln stark aus­geprägten Kern­kom­pe­ten­zen im Wirt­schafts­recht und brin­gen die ver­schie­de­nen Spe­zia­lis­ten zu­sam­men. Wir knüpfen ein For­scher­netz­werk, bil­den eine For­scher­gruppe. Das bringt neue Ideen, neue Ak­zente.

Natürlich kann man eine The­ma­tik wie Nach­hal­tig­keit nicht al­lein aus ju­ris­ti­scher Sicht erörtern. Alle Di­rek­to­ren des INUR sind breit in­ter­dis­zi­plinär ver­netzt, ins­bes. mit den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten. Diese in­ter­dis­zi­plinäre Ver­net­zung set­zen wir im INUR fort und ver­tie­fen sie für Nach­hal­tig­keits­fra­gen. Das ist span­nend und wei­terführend. Da am Ende des Ta­ges viele Nach­hal­tig­keits­fra­gen re­gu­liert, also in Ge­setze ge­gos­sen wer­den, braucht es an­de­rer­seits nicht al­lein Kli­ma­for­scher und Öko­no­men, son­dern eben auch Ju­ris­ten, die sich mit die­sen Fra­gen be­fas­sen.

Last but not least verknüpfen wir Theo­rie und Pra­xis. Die Un­ter­neh­men sind es, die all die Re­gu­lie­rungs­ideen und -ansätze am Ende „aus­ba­den“ müssen. Vor al­lem die EU hat bis­wei­len die Ten­denz zum Per­fek­tio­nis­mus, zur Büro­kra­tie und zur Über­re­gu­lie­rung. Hier soll der in­ten­sive Aus­tausch mit der Pra­xis mit­hel­fen und Vor­schläge er­ar­bei­ten, Maß zu hal­ten. Das ist eine ge­wal­tige Her­aus­for­de­rung, denn der Zeit­geist und die Brüsse­ler Büro­kra­tie ge­hen lei­der in eine an­dere Rich­tung. Aber der kon­struk­tive Dia­log mit der Pra­xis ist wich­tig und wert­voll. Außer­dem kann nur da­durch verläss­lich ab­ge­schätzt wer­den, wie all die Re­gu­lie­run­gen über­haupt wir­ken, wel­che Verände­run­gen sie tatsäch­lich an­stoßen. Wir müssen die Re­gu­lie­rungs­wir­kun­gen im Blick be­hal­ten, sonst re­gu­lie­ren wir mögli­cher­weise am Pro­blem vor­bei.

Kur­zum: Das INUR schafft ein in­tra- und in­ter­dis­zi­plinäres Netz­werk zur um­fas­sen­den (ver­sucht „ganz­heit­li­chen“) Dis­kus­sion von Nach­hal­tig­keits­fra­gen mit Be­zug zum Un­ter­neh­mens­recht.

Das INUR vereint Wissenschaft, Praxis und Politik. Bleiben wir doch zunächst einmal bei der Wissenschaft. Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegen uns allen, aber in besonderem Maße der jungen Generation am Herzen. Richtet sich das INUR auch an Studierende und wie wird das Institut von diesen angenommen und wie können sie konkret mitwirken?

Selbst­verständ­lich rich­ten wir uns auch an Stu­die­rende. Als Uni­ver­sitätsin­sti­tut sind wir drei Säulen ver­pflich­tet: For­schung, Lehre und Third Mis­sion. Von For­schung und Third Mis­sion (also der Ver­net­zung mit der Pra­xis und der Po­li­tik­be­ra­tung) habe ich schon ge­spro­chen. Die Lehre ist ein wei­te­rer wich­ti­ger As­pekt un­se­rer Ak­ti­vitäten. Wir ha­ben an der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kultät der Uni­ver­sität zu Köln jüngst einen neuen Schwer­punkt­be­reich Nach­hal­tig­keit ge­schaf­fen. Ab dem Som­mer­se­mes­ter 2024 kann man die­sen neuen Schwer­punkt bei uns stu­die­ren. Da­bei bie­ten wir nicht nur un­ter­neh­mens­recht­li­che The­men an, son­dern auch Nach­hal­tig­keits­as­pekte des öff­ent­li­chen Rechts und des Straf­rechts.

Auch sonst ist das In­ter­esse sei­tens der Stu­die­ren­den an Nach­hal­tig­keits­fra­gen sehr hoch. Das zeigt bei­spiels­weise auch meine Mit­ar­beit im Nach­hal­tig­keits­rat der Uni­ver­sität zu Köln. Die Stu­die­ren­den­ver­tre­ter ma­chen da sehr deut­lich, was sie von ei­ner mo­der­nen Uni­ver­sität er­war­ten. Nicht alle Er­war­tun­gen können oder wol­len wir be­die­nen. Für die Uni­ver­sität einen „Kli­ma­not­stand“ aus­zu­ru­fen, ist z. B. m. E. nicht wirk­lich emp­feh­lens­wert. Aber viele An­re­gun­gen grei­fen wir gern auf, so­wohl in For­schung und Lehre – siehe INUR – als auch hin­sicht­lich un­se­res ei­ge­nen CO2-Ab­drucks. Da ist noch viel zu tun.

Die Forschungsbereiche des INUR erstrecken sich auf Unternehmensberichterstattung und Prüfung (Reporting and Auditing), Unternehmensführung und Haftung (Corporate Governance and Responsibility) sowie die Unternehmensbesteuerung (Tax). Dabei wird frühzeitig der Austausch mit der Praxis gesucht. Welche Erwartungen haben Sie an die Praxis?

Von der Pra­xis er­war­ten wir uns vor al­lem zwei­er­lei: Ers­tens Im­pulse für neue Fra­gen. Wo ent­ste­hen bei der prak­ti­schen Um­set­zung der vie­len neuen Re­geln be­son­ders Pro­bleme? Wo hakt es und wa­rum? Was könnte man aus Sicht der Pra­xis bes­ser ma­chen? Zwei­tens möch­ten wir aber auch er­fah­ren und dis­ku­tie­ren, wie die Re­gu­lie­run­gen in den Un­ter­neh­men tatsäch­lich um­ge­setzt wer­den, wel­che Pro­zesse neu auf­ge­setzt oder nach­jus­tiert wer­den, wel­che Verände­run­gen in den Un­ter­neh­men wirk­lich an­ge­stoßen wer­den und wel­che Wir­kun­gen die neuen Re­geln ha­ben.

Be­son­ders un­ter dem drängen­den As­pekt „E“ von ESG, also Um­welt und Kli­ma­schutz, ist es wich­tig, dass die Re­gu­lie­rung wirk­sam und pass­ge­nau ist. Denn ei­nes ist klar: neue Re­gu­lie­rung kos­tet viel Geld. Dem erhöhten Auf­wand zur Rechts­be­fol­gung sollte ein wirk­li­cher Nut­zen ge­genüber­ste­hen. Das ist lei­der der­zeit nicht durch­weg gewähr­leis­tet. Hier liegt nach mei­nem Ein­druck noch viel Ar­beit vor uns.

Sehr geehrter Herr Professor Hennrichs - wir danken Ihnen vielmals für das Gespräch!

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