Die Erben haben es meist nicht nur schwer, an die Passwörter zu gelangen; sie wissen vielfach noch nicht einmal, bei welchen Online-Dienstleistern die verstorbene Person registriert war. Dies hat weitreichende Folgen. Erben können innerhalb der sechswöchigen Ausschlagungsfrist kaum entscheiden, ob sie das Erbe annehmen, auch können sie so gut wie gar nicht ihre Rechten und Pflichten wahrnehmen, in die sie mit der Erbschaft eingetreten sind. Der BGH brachte mit Urteil vom 12.7.2018 (Az. III ZR 183/17, FamRZ 2018, S. 1456) Klarheit in einigen offenen Punkten.
So entschied der BGH, dass der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergeht und diese einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben.
Die Vererblichkeit sei nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen, da die Nutzungsbedingungen hierzu keine Regelung enthalten. Weiter seien die Klauseln zum Gedenkzustand nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Diese hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam.
Die Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses ergebe sich auch nicht aus dem Wesen des Vertrags; insbesondere sei dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folge nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Wenngleich der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgt sein kann, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch den Anbieter dritten Personen gegenüber offengelegt werden, sei die vertragliche Verpflichtung des Betreibers zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten jedoch von vornherein kontobezogen. Sie habe nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht könne dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass der Betreiber sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es bestehe aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten müsse mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.
Weiter scheidet laut BGH eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. Entsprechend würden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen ist. Es bestehe aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln. Schließlich verneinte der BGH einen Ausschluss der Vererblichkeit auf Grund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin. Auch bestehe keine Kollision mit dem Datenschutzrecht, insbesondere mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Hinweis
Weite Bereiche bleiben aber auch nach Ergehen dieses Urteils ungeklärt. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht kein Handlungsbedarf im Erbrecht hinsichtlich der Frage des Zugangs zum digitalen Nachlass. Begründet wird dies damit, dass der BGH klargestellt habe, dass digitale Inhalte, wie auch sonstige Vermögensgegenstände und vertragliche Rechte des Erblassers auf den Erben übergehen.