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Steuerberatung

Hinterziehung von Umsatzsteuer im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung

BGH v. 5.6.2019 - 1 StR 208/19

Bei der Hin­ter­zie­hung von Um­satz­steuer im Rah­men ei­ner Schein­lie­fer­be­zie­hung kommt eine Ein­zie­hung des Wer­tes von Tat­erträgen i.H.d. ent­ge­gen § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG nicht an­ge­mel­de­ten Umsätze beim Aus­stel­ler der Schein­rech­nun­gen nicht in Be­tracht, weil die un­ter­las­sene Steu­er­an­mel­dung nicht dazu führt, dass sich ein Vermögens­vor­teil in des­sen Vermögen nie­der­schlägt. Ein ge­ge­be­nen­falls ab­zu­schöpfen­der Vermögens­vor­teil tritt nur im Vermögen des­je­ni­gen ein, der auf Grund­lage von Schein­rech­nun­gen un­be­rech­tigt Vor­steu­er­abzüge gel­tend macht.

Der Sach­ver­halt:
Nach den Fest­stel­lun­gen des LG wa­ren die An­ge­klag­ten als sog. "Buf­fer" in ein groß an­ge­leg­tes Um­satz­steu­er­hin­ter­zie­hungs­sys­tem im Be­reich des Han­dels mit Kup­fer ein­ge­bun­den. Das Sys­tem funk­tio­nierte der­ge­stalt, dass sich ver­schie­dene Ge­sell­schaf­ten Kup­fer­ka­tho­den aus dem Aus­land lie­fern ließen und über meh­rere Schein­lie­fer­ket­ten, de­ren Zwi­schen­glie­der u.a. die von den An­ge­klag­ten geführ­ten Ein­zel­un­ter­neh­men wa­ren, eine Schein­rech­nungs­lage ge­schaf­fen wurde, um die tatsäch­li­chen Lie­fer­be­zie­hun­gen zu ver­schlei­ern und den Empfängern der Lie­fe­run­gen die Möglich­keit zu ge­ben, die in den ih­nen ge­stell­ten Schein­rech­nun­gen aus­ge­wie­sene Um­satz­steuer un­be­rech­tigt als Vor­steuer gel­tend zu ma­chen. In­ner­halb des Hin­ter­zie­hungs­sys­tems kam den An­ge­klag­ten die Auf­gabe zu, für ihre ein­zel­kaufmänni­schen Un­ter­neh­men, die keine reale Ge­schäftstätig­keit am Markt ent­fal­te­ten, Schein­rech­nun­gen ent­ge­gen­zu­neh­men und Schein­rech­nun­gen über an­geb­li­che Kup­fer­lie­fe­run­gen un­ter Aus­weis von Um­satz­steuer an an­dere in die Kette ein­ge­bun­dene Un­ter­neh­men zu stel­len.

Die An­ge­klagte G ließ für die Mo­nate Ja­nuar bis Sep­tem­ber 2013 über ih­ren Steu­er­be­ra­ter Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dun­gen beim zuständi­gen Fi­nanz­amt ein­rei­chen und da­bei die in den je­wei­li­gen Vor­an­mel­de­zeiträumen an ihr Un­ter­neh­men ge­stell­ten Schein­rech­nun­gen aus­ge­wie­sene Um­satz­steuer (ins­ge­samt knapp 12 Mio. €) als Vor­steuer gel­tend ma­chen. In glei­cher Weise ver­fuhr der An­ge­klagte D, der über sei­nen Steu­er­be­ra­ter Um­satz­steuer vor­an­mel­dun­gen für die Mo­nate Sep­tem­ber 2012 bis Ja­nuar 2013 so­wie für das er­ste, das zweite und das dritte Quar­tal 2014 beim zuständi­gen Fi­nanz­amt ein­rei­chen und hier­bei die in den je­wei­li­gen Vor­an­mel­de­zeiträumen an sein Un­ter­neh­men ge­stell­ten Schein­rech­nun­gen aus­ge­wie­sene Um­satz­steuer als Vor­steuer gel­tend ma­chen ließ (ins­ge­samt rund 27,6 Mio. €).

Dies hatte, wie von den bei­den An­ge­klag­ten be­ab­sich­tigt, eine um die Höhe der je­weils gel­tend ge­mach­ten Vor­steu­er­abzüge zu nied­rige Fest­set­zung der Um­satz­steuer zur Folge, wo­durch sich ein Ge­samt­verkürzungs­be­trag in der je­weils ge­nann­ten Höhe er­gab. Im vier­ten Quar­tal 2014 schrieb der An­ge­klagte D Schein­rech­nun­gen über Net­to­beträge von rund 25,8 Mio. € un­ter Aus­weis von Um­satz­steuer i.H.v. 4,9 Mio. €. Die Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für das vierte Quar­tal 2014 gab der An­ge­klagte zum Fällig­keits­zeit­punkt nicht ab und be­wirkte hier­durch, wie er wusste, dass die Fest­set­zung der Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für die­sen Zeit­raum um 4,9 Mio. € zu nied­rig aus­fiel. Hin­sicht­lich der Summe der in den un­rich­ti­gen Steu­er­erklärun­gen zu Un­recht gel­tend ge­mach­ten Vor­steu­er­beträge hat das LG je­weils bei den An­ge­klag­ten die Ein­zie­hung des Wer­tes von Tat­erträgen an­ge­ord­net (bei G ins­ge­samt 11,9 Mio. € und bei D 32,5 Mio. €).

Da­von ab­ge­se­hen hat das LG die An­ge­klag­ten je­weils we­gen Steu­er­hin­ter­zie­hung in neun Fällen ver­ur­teilt und ge­gen die An­ge­klagte G eine Ge­samt­frei­heits­strafe von drei Jah­ren und neun Mo­na­ten und ge­gen den An­ge­klag­ten D eine sol­che von vier Jah­ren und fünf Mo­na­ten verhängt. Die Re­vi­sio­nen blie­ben vor dem BGH wei­test­ge­hend ohne Er­folg.

Gründe:
Der Aus­spruch über die Ein­zie­hung des Wer­tes von Tat­erträgen ge­gen den An­ge­klag­ten D hielt recht­li­cher Nachprüfung nicht stand, so­weit hin­sicht­lich des auf­grund der un­ter­blie­be­nen Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für das vierte Quar­tal 2014 nicht an­ge­mel­de­ten und fest­ge­setz­ten Um­satz­steu­er­be­tra­ges von 4,9 Mio. € die Ein­zie­hung an­ge­ord­net wor­den war.

Nach § 73 Abs. 1 StGB ist zwin­gend ein­zu­zie­hen, was der Täter oder Teil­neh­mer durch oder für die Tat er­langt hat. Ist die Ein­zie­hung des er­lang­ten Ge­gen­stan­des nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Ein­zie­hung des Geld­be­tra­ges an­zu­ord­nen, der dem Wert des Er­lang­ten ent­spricht. "Durch" die Tat er­langt i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB ist je­der Vermögens­wert, der dem Tat­be­tei­lig­ten durch die rechts­wid­rige Tat zu­ge­flos­sen ist, also al­les, was in ir­gend­ei­ner Phase des Ta­tab­laufs in seine tatsäch­li­che Verfügungs­ge­walt über­ge­gan­gen und ihm so aus der Tat un­mit­tel­bar mess­bar zu­gut­ege­kom­men ist. Der Ein­zie­hung un­ter­lie­gen da­bei auch geld­werte Vor­teile, wie etwa Dienst­leis­tun­gen oder er­sparte Auf­wen­dun­gen.

Beim De­likt der Steu­er­hin­ter­zie­hung kann die verkürzte Steuer "er­lang­tes Et­was" i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Auf­wen­dun­gen für diese Steu­ern er­spart. Dies gilt je­doch nicht schlecht­hin, weil die Ein­zie­hung an einen durch die Tat beim Täter tatsäch­lich ein­ge­tre­te­nen Vermögens­vor­teil anknüpft. Of­fene Steu­er­schul­den begründen so­mit nicht stets über die Rechts­fi­gur der er­spar­ten Auf­wen­dun­gen einen Vor­teil i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Maßgeb­lich bleibt im­mer, dass sich ein Steu­er­vor­teil im Vermögen des Täters wi­der­spie­gelt. Nur dann hat der Täter durch die er­spar­ten (steu­er­li­chen) Auf­wen­dun­gen auch wirt­schaft­lich et­was er­langt.

Der An­ge­klagte D. hatte so­mit durch das Un­ter­las­sen der Ab­gabe ei­ner Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für das vierte Quar­tal 2014 kei­nen Vor­teil in Form er­spar­ter Auf­wen­dun­gen i.H.d. für das vierte Quar­tal 2014 nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG ent­stan­de­nen, aber man­gels Vor­an­mel­dung nicht fest­ge­setz­ten Um­satz­steu­er­be­trags er­langt. Die durch die un­ter­blie­bene Steu­er­an­mel­dung ein­ge­tre­tene Steu­er­er­spar­nis hatte sich nicht als Vermögens­vor­teil im Vermögen des An­ge­klag­ten nie­der­ge­schla­gen, weil der ge­schul­de­ten Um­satz­steuer ge­rade keine Umsätze aus Lie­fe­run­gen oder sons­ti­gen Leis­tun­gen (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Al­ter­na­tive 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), son­dern bloße Schein­ge­schäfte zu­grunde la­gen.

Im Übri­gen hat die Nachprüfung des Ur­teils keine Rechts­feh­ler zum Nach­teil der An­ge­klag­ten er­ge­ben. Es ist recht­lich nicht zu be­an­stan­den, dass das LG we­der die auf­grund der Rech­nun­gen nach § 14c UStG erklärten Aus­gangs­umsätze, noch die etwa für die je­wei­li­gen Be­steue­rungs­zeiträume von den An­ge­klag­ten ge­zahlte Um­satz­steuer als Auf­wen­dun­gen nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Be­ge­hung oder Vor­be­rei­tung der Ta­ten nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vom Wert des durch die un­be­rech­tigte Gel­tend­ma­chung von Vor­steu­ern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) Er­lang­ten in Ab­zug ge­bracht hat. Bei der An­mel­dung der sich aus den Schein­rech­nun­gen er­ge­ben­den Aus­gangs­umsätze han­delt es sich schon nicht um Auf­wen­dun­gen, weil die An­ge­klag­ten da­mit ihre aus § 14c UStG fol­gen­den Pflich­ten erfüllt hat­ten. Die Um­satz­steu­er­zah­lun­gen sind keine Auf­wen­dun­gen für die der Ein­zie­hung je­weils zu­grun­de­lie­gen­den Ta­ten, die al­lein in der Ab­gabe der un­rich­tig an­ge­mel­de­ten Vor­steu­ern lie­gen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 14c Abs. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), weil de­ren Be­ge­hung von der mögli­chen (späte­ren) Zah­lung der an­ge­mel­de­ten Um­satz­steu­er­beträge un­abhängig ist.

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