Auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 12.10.2016 (Az. I R 80/14, DStRE 2017, S. 534) hin entschied der EuGH, dass die Regelung zur Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter nach § 7 Abs. 6 und 6a AStG zwar zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führt. Aufgrund der sog. Standstill-Klausel sei dies allerdings zumindest im Fall von Direktinvestitionen unbeachtlich (EuGH-Urteil vom 26.2.2019, Rs. C-135/17, X GmbH, DStR 2019, S. 489). Offengelassen hatte der EuGH in seiner Entscheidung jedoch, ob ggf. infolge der Änderungen der streitgegenständlichen Normen durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000, die sogleich durch das darauffolgende Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001 wieder aufgehoben wurden, die Standstill-Klausel nicht mehr anzuwenden sein könnte.
Der BFH legte dazu nun sein Folgeurteil vom 22.5.2019 vor, welches unter dem geänderten Az. I R11/19 geführt wird. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass durch die gesetzlichen Änderungen in 2000 die Anwendung der Standstill-Klausel ausgeschlossen ist. Somit müsse sich die Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter im Falle von Direktinvestitionen an der Kapitalverkehrsfreiheit messen lassen.
Allerdings sieht der BFH im Streitfall die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und insb. der Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung als gerechtfertigt an, so dass im Ergebnis kein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt. Entscheidend bei der Prüfung der Rechtfertigungsgründe war im Streitfall dabei, dass eine zwischen Deutschland und der Schweiz vereinbarte sog. große Auskunftsklausel noch nicht anzuwenden war.
Hinweis
Damit stellt sich für die Praxis die Frage, welche Rückschlüsse aus der Entscheidung für Streitfälle zu ziehen sind, in denen zwischen den betroffenen Staaten eine große Auskunftsklausel besteht und zur Anwendung kommt. Ggf. müssten dann die Vorgaben zur Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter aus Direktinvestitionen in Drittstaatenfällen EU-rechtskonform dahingehend angewendet werden, dass der Gegenbeweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zugelassen wird.