Neben diversen weiteren Änderungen wird sich das JStG 2022 insbesondere auf die Bewertung von Immobilien und Erbbaurechten im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die sog. Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bei ShareDeals auswirken (§§ 177-198 BewG). Mit dem JStG 2022 beabsichtigt der Gesetzgeber die unterschiedlichen steuerlichen Bewertungsmodelle an die geänderte Immobilienwertverordnung vom 14.07.2021 (ImmoWertV) anzupassen, um eine Modellkonformität herzustellen. Die geänderte ImmoWertV ist bereits zum 01.01.2022 in Kraft getreten und seitdem auf Verkehrswertgutachten von Immobilien unabhängig vom Bewertungsstichtag anzuwenden (§ 53 Abs. 1 ImmoWertV).
Die steuerliche Bedarfsbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 157 BewG) sowie für Zwecke der Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 157 BewG) greift bei den unterschiedlichen Bewertungsverfahren auf Parameter wie den Liegenschaftszinssatz, den Sachwertfaktor oder den Bodenrichtwert zurück, die von den Gutachterausschüssen für die Bewertung von Immobilien nach den in der Immobilienwertverordnung normierten Bewertungsverfahren festgelegt werden. Damit diese auch weiterhin für die steuerliche Bewertung herangezogen werden können, ist aus Sicht des Gesetzgebers eine Anpassung der steuerlichen Bewertungsverfahren an die in der ImmoWertV normierten Verfahren notwendig.
Bereits nach geltendem Recht finden für bebaute Grundstücke drei verschiedene Verfahren zur Ermittlung des sog. Bedarfswerts Anwendung: das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Daran soll sich auch durch das JStG 2022 im Grundsatz nichts ändern. Unbebaute Grundstücke werden mit dem sog. Bodenwert bewertet, welcher sich aus dem Produkt der Fläche mit den von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerten ergibt (§ 179 BewG). Diese Regelung ist nicht Gegenstand des JStG 2022 und bleibt grundsätzlich weiterhin anwendbar.
Aus Sicht des Gesetzgebers klarstellend sollen nunmehr für alle drei Bewertungsverfahren objektspezifische Besonderheiten, insbesondere die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, nicht berücksichtigt werden (§ 177 Abs. 4 BewG-E). Geregelt war dies bisher nur für das Vergleichswertverfahren. Bei Vorliegen derartiger Besonderheiten besteht aber weiterhin die Möglichkeit des Nachweises des niedrigeren gemeinen Wertes nach § 198 BewG.
Vergleichswertverfahren
Wohnungs- und Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser sollen im sog. Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG) bewertet werden. Hierbei werden Verkaufspreise von vergleichbaren Referenzgrundstücken herangezogen, die in ihren wertbeeinflussenden Merkmalen mit dem zu bewertenden Grundstück übereinstimmen und damit vergleichbar sind. Vor allem in großen Städten liegen regelmäßig genügend vergleichbare Verkäufe vor, sodass das Vergleichswertverfahren Anwendung finden kann. Bei diesem Verfahren sieht das JStG 2022 keine Änderung vor. Es bleibt abzuwarten, wie sich vor dem Hintergrund steigender Zinsen die Immobilienpreise und damit auch die Vergleichswerte in den nächsten Jahren entwickelnd werden.
Ertragswertverfahren
Im Ertragswertverfahren (§§ 184 ff. BewG) werden zum einen Mietgrundstücke und zum anderen Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstückmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, bewertet. Dieses Verfahren wird in wesentlichen Punkten an die Immobilienwertverordnung angepasst. Zunächst wird die Gesamtnutzungsdauer von Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken (Mehrfamilienhäuser), Wohnungseigentum und gemischt genutzten Grundstücken, wenn es sich um Wohnhäuser mit Mischnutzung handelt, von 70 auf 80 Jahre verlängert, was sich werterhöhend auswirken sollte (Anlage 22 zum BewG-E).
Ferner soll die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten, welche nach geltendem Recht pauschaliert auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete bzw. üblichen Miete ermittelt werden, an Anlage 3 der ImmoWertV angepasst werden (vgl. § 187 Abs. 2 BewG-E und Anlage 23). Nach dem JStG 2022 soll die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten deshalb in Abhängigkeit von einer Wohn- bzw. Gewerbenutzung differenziert nach Verwaltungskosten, Instandhaltung und Mietausfallwagnis erfolgen, was zum einen zu einer sehr viel aufwendigeren Ermittlung und zum anderen erwartungsgemäß zu voraussichtlich niedrigeren Bewirtschaftungskosten und damit einem höheren Bedarfswert führen wird. Weiterhin ist ein Rückgriff auf geeignete Erfahrungssätze von den Gutachterausschüssen nun nicht mehr vorgesehen, es sind vielmehr die gesetzlichen Bewirtschaftungskosten auf Basis der angepassten Ermittlungsmethodik zwingend anzusetzen. Zu beachten ist allerdings, dass das Verfahrenskonstrukt zwar an Anlage 3 der ImmoWertV angepasst wurde, die zugrunde liegenden Wertmaßstäbe angesichts eines höheren Detaillierungsgrads der ImmoWertV aber abweichen können.
Die Definition der Liegenschaftszinssätze aus der ImmoWertV findet nun auch Eingang in das Bewertungsgesetz (§ 188 Abs. 1 BewG-E). Wie bisher sollen die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze für die durchschnittliche marktübliche Verzinsung von Grundstücken herangezogen werden. Nur wenn diese nicht zur Verfügung stehen, was eher im ländlichen Bereich oder tendenziell bei Objekten mit Mischnutzung der Fall sein dürfte, werden die gesetzlichen Zinssätze nach § 188 Abs. 2 BewG-E ersatzweise herangezogen. Im Zuge des JStG 2022 sollen die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze in Abhängigkeit der Grundstücksart im Ausmaß von 0,5 % bis 1,5 % herabgesetzt werden, was - isoliert betrachtet - ebenfalls zu einem höheren Bedarfswert führt.
Klarstellend soll darüber hinaus festgehalten werden, dass bauliche Außenanlagen und sonstige Anlagen mit dem Ertragswert abgegolten sind (§ 184 Abs. 4 BewG-E).
Sachwertverfahren
Im Sachwertverfahren (§§ 189 ff. BewG) werden Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungs- und Teileigentum bewertet, für die kein Vergleichswert vorhanden ist sowie Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich keine übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermittelt lässt. Das Sachwertverfahren ändert sich strukturell im Vergleich zur geltenden Regelung zwar nicht. Wie bisher ermittelt sich der Gebäuderegelherstellungswert in einem ersten Schritt als Produkt der auf den Bewertungsstichtag angepassten (indexierten) Regelherstellungskosten und der Brutto-Grundfläche. Klarstellend soll aus den „gewöhnlichen“ Herstellungskosten nun die „durchschnittlichen“ Herstellkosten der baulichen Anlagen werden (§ 190 Abs. 1 BewG-E).
Änderungsbedarf sah der Gesetzgeber aber bei der weiteren Anpassung der Regelherstellungskosten. Durch Ergänzung eines sog. Regionalfaktors in § 190 Abs. 5 BewG-E sollen in einem zweiten Schritt regionale Baukostenniveaus bei der Herstellung von Gebäuden ausgeglichen werden, indem die Regelherstellungskosten mit dem vom Gutachterausschuss zu ermittelnden Regionalfaktor multipliziert werden. Ist kein Regionalfaktor vorhanden, wird dieser mit 1,0 angenommen.
Die Alterswertminderung soll durch einen Alterswertminderungsfaktor nach § 190 Abs. 6 BewG-E ersetzt werden. Der Gesetzgeber verspricht sich hier eine wertneutrale Änderung. Tatsächlich beeinflusst aber zum Beispiel die Gesamtnutzungsdauer sowie etwaige Modernisierungsmaßnahmen die Alterswertminderung, so dass u. a. mit der oben beschriebenen verlängerten Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Wohnimmobilien ein höherer Bedarfswert einhergehen sollte.
Schließlich soll durch das JStG 2022 auch die Wertzahl in § 191 BewG i.V.m. Anlage 25 zum BewG an das aktuelle Marktniveau angepasst werden. Wird vom Gutachterausschuss ein Sachwertfaktor ermittelt, so ist dieser jedoch wie bisher bei der Ermittlung des Sachwerts der Immobilie vorzuziehen. Nur wenn ein solcher nicht vorhanden ist, wird ersatzweise auf die gesetzlichen Wertzahlen zurückgegriffen, die sich durch das JStG 2022 grundsätzlich erhöhen werden, was wiederum - isoliert betrachtet - zu einem höheren Bedarfswert führen sollte.
Erbbaurechte und Gebäude auf fremdem Grund und Boden
Die Bewertung von Erbbaurechtsfällen soll vollständig neugestaltet und an die Bewertung nach der ImmoWertV angepasst werden. Dies betrifft zum einen die Bewertung des Erbbaurechts, als auch die Bewertung des Erbbaugrundstücks. Auch die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden wird analog zu den Erbbaurechtsfällen in Anlehnung an die ImmoWertV gestaltet.
Fazit
In Abhängigkeit von der Grundstücksart, dem damit verbundenen Bewertungsverfahren und der Lage des Grundstücks kann sich die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer und die Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ab 2023 erhöhen. Für bestimmte Wohnimmobilien hingegen, für die Vergleichswerte oder Vergleichsfaktoren vorliegen, könnte sich in Abhängigkeit von der Marktentwicklung ein gegenläufiger Effekt ergeben. In Abhängigkeit vom konkreten Bewertungsobjekt könnte daher erwogen werden, bereits geplante Immobilienschenkungen noch vor Jahreswechsel zu vollziehen, da die vorgenannten Änderungen durch das JStG 2022 bereits ab dem 01.01.2023 Anwendung finden sollen. Insgesamt ist jedoch in Bezug auf die Nachfolgeplanung festzuhalten, dass diese immer - auch im Hinblick auf außersteuerliche Aspekte - gut überlegt und durchdacht sein sollte.
Autoren: Viktoria Lücke, Dr. Robert Lüder