Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von inkongruenten Gewinnausschüttungen ist deren zivilrechtliche Wirksamkeit. Von dieser ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auszugehen, wenn in der Satzung eine abweichende Gewinnverteilung vorgesehen ist oder die Satzung eine Öffnungsklausel enthält, die es den Gesellschaftern erlaubt, jährlich einen von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnverteilungsmaßstab zu beschließen (BMF-Schreiben vom 17.12.2013, BStBl. I 2014, S. 63).
Im Streitfall lag keiner dieser Fälle vor, dennoch bejahte der BFH mit Urteil vom 28.09.2022 (Az. VIII R 20/20) die zivilrechtliche Wirksamkeit des gefassten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses und damit dessen steuerliche Anerkennung. Zwar ist laut BFH ein satzungsdurchbrechender Beschluss gegeben. Dieser habe aber keine Dauerwirkung und müsse somit nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung (z. B. die notarielle Beurkundung) einhalten. Als punktuell satzungsdurchbrechend sei der gefasste Beschluss zivilrechtlich nicht nichtig und infolge der Zustimmung aller Gesellschafter nicht anfechtbar. Folglich sei der Beschluss auch steuerlich anzuerkennen. Der BFH verneinte damit das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Hinweis: Der BFH sah im Streitfall in den inkongruenten Verteilungsabreden zudem keinen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.