Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Polen ansässige GmbH, deren in Deutschland ansässige Muttergesellschaft O. Germany GmbH bei der Beklagten eine Directors & Officers Versicherung (D&O-Versicherung) hält. Sie hatte die Beklagte aus einem abgetretenen Deckungsanspruch ihres geschäftsführenden Vorstandsmitgliedes W. (Versicherter) auf Zahlung eines zu verzinsenden Euro-Betrages in Anspruch genommen.
Da die Klägerin den Großteil ihrer Verbindlichkeiten in Zloty bezahlt, während sie für ihre in europäische Länder exportierten Produkte Euro-Zahlungen erhält, muss sie die aus den Exporten erwirtschafteten Überschüsse in Zloty umtauschen. Im Jahre 2008 befürchteten der damalige Prokurist der Klägerin und der Versicherte Verluste infolge einer erwarteten Erstarkung des Zloty gegenüber dem Euro. Beide schlossen deshalb mit polnischen Banken Währungssicherungsgeschäfte ab, die sich bei einem Erstarken des Zloty günstig für die Klägerin ausgewirkt hätten. Die Klägerin behauptete, da in der Folgezeit der Kurs des Zloty gegenüber dem Euro gefallen sei, sei ihr aus diesen Geschäften ein Verlust entstanden. Ihre Gesellschafter beschlossen, den Versicherten auf Schadensersatz i.H.v. über 3,2 Mio. Zloty in Anspruch zu nehmen. Daraufhin zeigte die Klägerin der Beklagten den Versicherungsfall aufgrund der Inanspruchnahme des Versicherten an. Der Versicherte trat seinen Deckungsanspruch gegen die Beklagte an die Klägerin ab.
Die Beklagte hielt die Abtretung für unwirksam, da die Klägerin keine außerhalb des Versicherungsvertrages stehende "Dritte" i.S.v. Nr. 12.4 OLA und § 108 Abs. 2 VVG sei. Die Klägerin beabsichtige gar nicht, den Versicherten persönlich in Anspruch zu nehmen, sondern wolle nur eine Position schaffen, die es ihr ermögliche, auf die Versicherungsleistung zuzugreifen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Klage scheitert gerade nicht daran, dass die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Klägerin nach Nr. 12.4 Satz 2 OLA unwirksam ist.
Ob in sog. Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung der geschädigte Versicherungsnehmer Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG und entsprechender Abtretungsklauseln der Versicherungsbedingungen sein kann, ist in der Literatur umstritten. Die Frage stellt sich in gleicher Weise, wenn der Freistellungsanspruch - wie hier - an ein in den Versicherungsvertrag einbezogenes Tochterunternehmen der Versicherungsnehmerin abgetreten wird. Die h.M. nimmt jedoch zutreffend an, auch ein Unternehmen sei als Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung in Innenhaftungsfällen geschädigter Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2, so dass ein in Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregeltes Verbot, den Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag vor seiner endgültigen Feststellung abzutreten, der Abtretung an die geschädigte Versicherungsnehmerin nicht entgegenstehe.
Diese weite Auslegung des Begriffs "Dritter" in § 108 VVG er-scheint interessengerecht. Dafür spricht zunächst, dass die Missbrauchsgefahr nicht auf die D&O-Versicherung beschränkt ist, sondern auch in anderen Sparten der Haftpflichtversicherung besteht, dass im Übrigen Missbrauch und kollusives Zusammenwirken zwischen Versicherungsnehmer oder versicherter Person und Geschädigtem auch dann möglich sind, wenn die Abtretung des Deckungsanspruchs unterbleibt. Wenn der Versicherer u.a. Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin und ihrer Tochterunternehmen deckt, können diese auch die Stellung einer geschädigten Dritten einnehmen. Mit der Abtretung des Deckungsanspruchs der versicherten Person an die geschädigte Versicherungsnehmerin oder -wie hier - das geschädigte, in den Versicherungsschutz einbezogene Tochterunternehmen wandelt sich dieser Anspruch in einen Zahlungsanspruch. Als Geschädigte hat die Klägerin weder ein rechtliches Interesse an einer Abwehr ihres Schadensersatzanspruchs noch ist ihr an einer Freistellung von diesem Anspruch gelegen.
Außerdem konnte mit der Begründung des OLG eine bedingungsgemäße Inanspruchnahme i.S.d. claims-made-Prinzips nicht verneint werden. Mit der Erwägung, der Geschädigte beabsichtige in Wahrheit nicht, den Versicherten wegen des gegen ihn erhobenen Schadensersatzanspruchs persönlich haftbar zu machen und wolle insbesondere nicht Zugriff auf dessen persönliches Vermögen nehmen sondern lediglich den Versicherungsfall auslösen, weshalb die Inanspruchnahme nicht ernstlich sei, kann eine bedingungsgemäße Inanspruchnahme des Versicherten i.S.d. claims-made-Prinzips nicht verneint werden. Soweit die Auffassung des Berufungsgerichts in der Literatur dennoch auf Zustimmung gestoßen ist, weil die einschränkende Auslegung der Nr. 1.1.1 OLA im Ergebnis geeignet sei, kollusive Absprachen oder sog. freundliche Inanspruchnahmen zwischen Versicherungsnehmer und versichertem Manager einzudämmen, kann dies zu keiner anderen Bedingungsauslegung führen.
Linkhinweise:
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