Hintergrund:
Die Richtlinie 2010/131 legt insbesondere fest, dass ein audiovisueller Mediendienst eine Dienstleistung ist, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme oder um nichtlineare audiovisuelle Mediendienste (Dienste auf Abruf).
Die New Media Online GmbH, eine Gesellschaft österreichischen Rechts, betreibt die als "Tiroler Tageszeitung Online" bezeichnete Internetseite der Tiroler Tageszeitung. Neben anderen Inhalten findet sich auf dieser Seite ein besonderer Link mit der Bezeichnung "Video", der zu einem Katalog führt, der zum Zeitpunkt des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts etwa 300 Videos enthielt. Diese Videos, von einigen Sekunden bis zu ein paar Minuten lang, standen mehr oder weniger im thematischen Bezug zu dem übrigen Inhalt der Internetseite und stammten aus verschiedenen Quellen (Eigenmaterial, Sendungen des lokalen Fernsehens, von den Nutzern der Internetseite eingesandte Videos usw.).
2012 stellte die Kommunikationsbehörde Austria fest, dass es sich bei dem "Video"-Link auf der Internetseite "Tiroler Tageszeitung Online" um einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf handele, der anzeigepflichtig sei. New Media Online legte gegen diese Feststellung Berufung ein. Der Verwaltungsgerichtshof, bei dem die Beschwerde gegen die die Berufung abweisende Entscheidung anhängig ist, hat den EuGH ersucht, im Wege der Vorabentscheidung die Frage zu beantworten, welche Kriterien die Einstufung einer Dienstleistung als audiovisuellen Mediendienst im Sinne der Richtlinie 2010/13 erlauben.
Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts:
Der Hauptzweck eines audiovisuellen Mediendienstes besteht in der Bereitstellung von Sendungen, also Elementen eines traditionellen Fernsehprogramms. Im Fall eines nichtlinearen Dienstes werden diese Sendungen nicht zu einer bestimmten Zeit bereitgestellt werden, sondern auf Abruf des Nutzers. Zudem hat der Unionsgesetzgeber in den "Erwägungsgründen der Richtlinie deutlich - obwohl auf eine im Hinblick auf den gegenwärtigen Entwicklungsgrad der Internettechnologie nicht zeitgemäße Weise - darauf hingewiesen, dass er nicht beabsichtigt, Informationsportale im Internet dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu unterwerfen.
Ein Internetportal wie das der "Tiroler Tageszeitung Online" erfüllt insoweit nicht die Kriterien, damit es als ein audiovisueller Mediendienst im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann. Das Aufkommen von multimedialen Internetportalen, die neben schriftlichen und fotografischen Inhalten auch Audio- und audiovisuelles Material enthalten, ist keine Folge der technologischen Entwicklung des Fernsehens, sondern eine ganz neue Erscheinung, die vor allem mit der Erhöhung der Bandbreite der Telekommunikationsnetze zusammenhängt. Der multimediale Charakter von derartigen Portalen erlaubt es nicht, die dort bereitgestellten audiovisuellen Inhalte zu prüfen, ohne den Rest des Portals zu berücksichtigen, und zwar auch dann nicht, wenn diesem audiovisuellen Material ein getrennter Bereich im Rahmen des Portals zugewiesen wurde. Gerade die Verbindung verschiedener Formen der Übertragung - Wort, Bild und Ton - ist für die multimedialen Dienste wesentlich.
Ein solches multimediales Internetportal entspricht gegenwärtig dem, was der Gesetzgeber noch während der Arbeiten an der Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste als "elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften" bezeichnen konnte. Weder die Internetseite einer Tageszeitung, die audiovisuelles Material enthält, noch irgendein Teilbereich dieser Internetseite ist insofern als ein audiovisueller Mediendienst im Sinne dieser Richtlinie anzusehen. Die Befürchtungen, nach denen diese Auslegung der Richtlinie Wirtschaftsteilnehmern, die tatsächlich audiovisuelle Mediendienste anbieten, erlauben wird, sich als Informationsportale auszugeben und dadurch die für diesen Bereich geltenden Gesetze zu umgehen, überzeugt nicht.
Der Umstand, dass es in der Theorie Schwierigkeiten bereitet, den audiovisuellen Mediendienst abstrakt zu definieren, bedeutet nicht, dass er auch in der Praxis schwer zu identifizieren ist. Der größte Teil der Dienste dieser Art beruht nämlich darauf, dass auf Internetseiten Langspielfilme, Fernsehserien, Sportübertragungen usw. angeboten werden. Es handelt sich also um Formen von Sendungen, die leicht als typische Fernsehsendungen eingestuft werden können. Tauchen jedoch Zweifel auf, ist im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste in der Weise zu entscheiden, dass sie auf multimediale Internetseiten keine Anwendung findet.
Als audiovisuelle Mediendienste dürfen daher nur diejenigen Internetseiten angesehen werden, die zweifelsfrei alle Kriterien dieses Dienstes erfüllen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Internetinhalte, auch audiovisueller Art, nicht rechtlich geregelt werden können oder dürfen, insbesondere durch Vorschriften des Unionsrechts, die solche Bereiche wie den Schutz von Minderjährigen und der öffentlichen Ordnung, die Werbung oder die Grundsätze der Übertragung wichtiger Ereignisse betreffen. Diese Vorschriften müssen aber an die Besonderheiten des Internets, insbesondere seinen multimedialen Charakter, angepasst werden.
Linkhinweis:
Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts klicken Sie bitte hier.