deen

Unternehmen

Bewertung des Unternehmensstandorts Deutschland aus steuerlicher Sicht

Die Auf­trags­lage der Un­ter­neh­men in Deutsch­land ist an­hal­tend sehr gut. Die Wirt­schafts­pro­gno­sen las­sen auch für 2019 ein deut­li­ches Wachs­tum des Brut­to­in­lands­pro­dukts er­war­ten. Doch ist Deutsch­land als Un­ter­neh­mens­stand­ort für die Zu­kunft rundum gut auf­ge­stellt?

Wie sieht es insb. mit den steu­er­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen aus? Zahl­rei­che Wirt­schafts­verbände, al­len voran der Bun­des­ver­band der Deut­schen In­dus­trie e. V. (BDI), for­dern vom deut­schen Ge­setz­ge­ber Re­for­men bei der Un­ter­neh­mens­be­steue­rung, um die in­ter­na­tio­nale Wett­be­werbsfähig­keit des Un­ter­neh­mens­stand­orts zu si­chern. Wo kon­kret Re­form­be­darf ge­se­hen wird, darüber ha­ben wir mit Frau Dr. Mo­nika Wünne­mann, Ab­tei­lungs­lei­te­rin Steu­ern und Fi­nanz­po­li­tik des BDI ge­spro­chen.

Bewertung des Unternehmensstandorts Deutschland aus steuerlicher Sicht© Dr. Monika Wünnemann, Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik des BDI

Frau Dr. Wünne­mann, nach der Bun­des­tag­wahl im Sep­tem­ber letz­ten Jah­res dau­erte es rund ein hal­bes Jahr, bis die neue Bun­des­re­gie­rung ihre Amts­ge­schäfte auf­ge­nom­men hat. Sind Sie aus Sicht des führen­den Wirt­schafts­ver­bands Deutsch­lands mit de­ren bis­he­ri­gen Ar­beit in Sa­chen Steu­er­po­li­tik zu­frie­den?

Die Bun­des­re­gie­rung hat nach wie vor kein kla­res Kon­zept vor­ge­legt, wie sie mit ei­ner weit­sich­ti­gen Steu­er­po­li­tik die in­ter­na­tio­nale Wett­be­werbsfähig­keit der Un­ter­neh­men in Deutsch­land nach­hal­tig si­chern will. Der Ko­ali­ti­ons­ver­trag ist aus Sicht der Wirt­schaft eine Enttäuschung und steu­er­po­li­ti­sch ist deut­lich mehr Ta­ten­drang in die­ser Le­gis­la­tur­pe­riode ge­for­dert.

Die Haus­halts­spielräume sind deut­lich größer als ur­sprüng­lich an­ge­nom­men: Die ge­samt­staat­li­chen Steu­er­ein­nah­men stei­gen bis Ende 2022 auf rd. 906 Mil­li­ar­den Euro (Steu­er­schätzung Mai 2018). Al­lein aus der Körper­schaft­steuer nimmt der Fis­kus zwi­schen 2017 und 2022 ku­mu­liert über 34 Mil­li­ar­den Euro zusätz­lich ein (Er­geb­nisse des Ar­beits­krei­ses "Steu­er­schätzun­gen").

Als für steu­er­po­li­ti­sche Fra­gen zuständige Ab­tei­lungs­lei­te­rin des BDI ha­ben Sie be­reits mehr­fach eine Re­form des Un­ter­neh­men­steu­er­rechts ge­for­dert. Wo se­hen Sie kon­kret Re­form­be­darf?

Struk­tu­rel­ler Re­form­be­darf be­steht be­son­ders beim Außen­steu­er­recht, denn die gel­tende – seit Jahr­zehn­ten un­veränderte – Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung führt zu ei­ner Be­nach­tei­li­gung von Aus­lands­in­ves­ti­tio­nen. Überfällig sind auch Nach­bes­se­run­gen bei der Ge­wer­be­steuer, die im Kon­text eu­ropäischer Har­mo­ni­sie­rung als Son­der­weg Deutsch­lands nicht mehr zu recht­fer­ti­gen ist. Ansätze hierfür lie­gen auf dem Tisch und rei­chen von ei­ner Kor­rek­tur der ge­wer­be­steu­er­li­chen Hin­zu­rech­nun­gen bis zu ei­ner An­rech­nung der Ge­wer­be­steuer bei der Körper­schaft­steuer. Be­sei­tigt wer­den müssen aber auch be­ste­hende Hürden im Be­reich des Körper­schaft­steuer- und Um­wand­lungs­steu­er­rechts, die den Un­ter­neh­men not­wen­dige Um­struk­tu­rie­run­gen er­schwe­ren.

Mit Blick auf die in­ter­na­tio­nale Bühne, se­hen Sie hier eine Kehrt­wende der Steu­er­po­li­tik, weg vom Be­stre­ben ei­ner ge­rech­ten Be­steue­rung der Ge­winne in den Staa­ten, in de­nen sie er­wirt­schaf­tet wer­den - Stich­wort BEPS - wie­der hin zu mehr Pro­tek­tio­nis­mus und schädli­chem Steu­er­wett­be­werb zwi­schen den Staa­ten? Kann und muss da Deutsch­land mit­zie­hen?

Auch im nun­mehr fünf­ten Jahr nach Be­ginn der BEPS-In­itia­tive fällt die Be­stands­auf­nahme aus Sicht des Steu­er­stand­or­tes Deutsch­lands ernüchternd aus. Schon im Ver­lauf der BEPS-Dis­kus­sio­nen auf OECD-Ebene wurde deut­lich, dass die In­itia­tive ins­be­son­dere auch dem Ziel ei­ner Neu­ver­tei­lung des Steu­er­auf­kom­mens zwi­schen den Staa­ten diente. Der in­ter­na­tio­nale Steu­er­wett­be­werb und Pro­tek­tio­nis­mus hat im Nach­gang des BEPS-Pro­zes­ses zu­ge­nom­men und hier­aus re­sul­tiert ein stei­gen­der Hand­lungs­druck in Deutsch­land, mit­zu­zie­hen. Im Wett­be­werb nichts zu tun und ab­zu­war­ten bis Ge­winne und In­ves­ti­tio­nen ab­wan­dern – das scha­det dem Un­ter­neh­mens­stand­ort Deutsch­land.

Der­zeit steht die Um­set­zung ei­ni­ger BEPS-Ak­ti­ons­punkte noch aus. Auf EU-Ebene wurde vor­ge­ge­ben, dass die Mit­glied­staa­ten u. a. für das kom­mende Jahr die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung an­pas­sen müssen. So wird je­den­falls nicht mehr an der star­ren Grenze ei­ner Nied­rig­be­steue­rung bei ei­ner Steu­er­be­las­tung un­ter 25 % fest­ge­hal­ten wer­den können. Wie sieht aus Ih­rer Sicht eine gute Re­form der Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung aus?

Re­form­be­darf be­steht vor al­lem bei der Nied­rig­steu­er­grenze, aber auch sys­te­ma­ti­sch bei an­de­ren Punk­ten. Wenn zahl­rei­che EU-Mit­glied­staa­ten und selbst die USA nach der Steu­er­re­form nun als Nied­rig­steu­erländer im Sinne des AStG gel­ten, ist die Nied­rig­steu­er­grenze von 25 % nicht mehr pas­send. Eine Ab­sen­kung die­ser Grenze auf 15 % ist drin­gend not­wen­dig. Be­sei­tigt wer­den muss da­mit auch der ad­mi­nis­tra­tive Auf­wand der Un­ter­neh­men, der durch ent­spre­chende Erklärungs­pflich­ten der Un­ter­neh­men ste­tig an­steigt. Dazu gehört es auch, die Mehr­be­las­tung durch die feh­lende An­rech­nung der ausländi­schen Er­trag­steuer auf die deut­sche Ge­wer­be­steuer zu be­sei­ti­gen.

Zu­dem muss der ver­al­tete Ak­ti­vitätska­ta­log (§ 8 AStG) mo­der­ni­siert wer­den, wo­bei hier­bei – ab­wei­chend von den Vor­ga­ben der ATAD-Richt­li­nie – keine Ver­schärfung bei Di­vi­den­den er­fol­gen darf. Schließlich muss der An­wen­dungs­be­reich der Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung (§ 7 AStG) be­grenzt wer­den, so dass der Er­werb ei­ner klei­nen Be­tei­li­gung keine Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung mehr auslöst.

Die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung ist auch ein gu­tes Bei­spiel dafür, wel­chem doch sehr ver­ein­fach­ten Bild die Un­ter­neh­men­steu­er­po­li­tik in den letz­ten Jah­ren folgt: in­ter­na­tio­nal agie­rende Un­ter­neh­men ver­mei­den durch Ge­stal­tungs­tricks Steu­ern, der ein­fa­che Bürger zahlt die Ze­che. Des­halb fasst der Ge­setz­ge­ber mehr und mehr Vor­ga­ben zur Bekämp­fung von Steu­er­ver­mei­dung, teil­weise so­gar im vor­aus­ei­len­den Ge­hor­sam zu EU-wei­ten Vor­ga­ben, wie z. B. bei der sog. Li­zenz­schranke. Ist das ver­ein­bar mit ei­ner zu­kunfts­ori­en­tier­ten Stand­ort­po­li­tik?

Eine zu­kunfts­ori­en­tierte Steu­er­po­li­tik darf nicht nur Miss­brauchs­bekämp­fung und Steu­er­ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit zum Ziel ha­ben, son­dern not­wen­dig ist auch der Mut zu struk­tu­rel­len Re­for­men. Nur so kann ein star­ker Wirt­schafts­stand­ort wie Deutsch­land, an dem die Un­ter­neh­men einen ho­hen An­teil an Wert­schöpfung bei­tra­gen, lang­fris­tig wett­be­werbsfähig blei­ben.

Noch zah­len die deut­schen Un­ter­neh­men den Großteil ih­rer welt­wei­ten Steu­er­last in Deutsch­land. An­ge­sichts stei­gen­der In­ves­ti­ti­ons­an­reize im Aus­land und ste­tig wach­sen­dem Ex­port der deut­schen Un­ter­neh­men ist dies in den nächs­ten Jah­ren nicht mehr selbst­verständ­lich.

Der in­ter­na­tio­nale Wett­be­werb, dem Un­ter­neh­men in Deutsch­land aus­ge­setzt sind, macht sich insb. im Be­reich der For­schung und Ent­wick­lung be­merk­bar. Staa­ten, die ehe­mals als Werk­bank fun­gier­ten, ha­ben hier ra­sant auf­ge­holt bzw. be­fin­den sich auf der Über­hol­spur. Kann hier eine steu­er­li­che For­schungsförde­rung die Wett­be­werbs­po­si­tion stärken? Ge­hen die dazu der­zeit vor­lie­gen­den Entwürfe weit ge­nug?

Eine steu­er­li­che For­schungsförde­rung in Deutsch­land ist ein wich­ti­ges Si­gnal, um die Rah­men­be­din­gun­gen für mehr For­schung und In­no­va­tion in Deutsch­land im in­ter­na­tio­na­len Stand­ort­wett­be­werb zu ver­bes­sern. Die bis­he­ri­gen Eck­punkte sind ein wich­ti­ger Ein­stieg, sind aber nicht aus­rei­chend. Mit der vor­ge­schla­ge­nen Be­gren­zung auf Un­ter­neh­men mit bis zu 3000 Mit­ar­bei­tern wer­den vor al­lem auch die­je­ni­gen Un­ter­neh­men, die den we­sent­li­chen An­teil an For­schungstätig­kei­ten leis­ten, von der Förde­rung aus­ge­schlos­sen. Die steu­er­li­che FuE-Förde­rung muss al­len Un­ter­neh­men zugäng­lich sein und hierfür gibt es auf­kom­mens­verträgli­che Lösun­gen.

Was sollte der Ge­setz­ge­ber aus Ih­rer Sicht möglichst gleich bzw. spätes­tens in 2019 in Sa­chen Un­ter­neh­mens­be­steue­rung an­ge­hen?

Dau­er­haft wird sich Deutsch­land keine höhere Steu­er­be­las­tung als an­dere In­dus­trie­staa­ten leis­ten können. An­dere Länder ma­chen es Deutsch­land vor, wie mit steu­er­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen Stand­ort­po­li­tik be­trie­ben wird. Mit ei­ner durch­schnitt­li­chen Steu­er­be­las­tung von Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten in Deutsch­land in Höhe von mehr als 30 % kann Deutsch­land im in­ter­na­tio­na­len Wett­be­werb um In­ves­ti­tio­nen kaum noch punk­ten. Für die in Deutsch­land vor­herr­schen­den Per­so­nen­un­ter­neh­men liegt die Steu­er­be­las­tung so­gar noch höher.

In Deutsch­land gab es seit zehn Jah­ren keine nen­nens­werte Steu­er­struk­tur­re­form mit Ent­las­tun­gen für die Un­ter­neh­men. Die ef­fek­tive Steu­er­last der Un­ter­neh­men muss nun drin­gend auf ein in­ter­na­tio­nal wett­be­werbsfähi­ges Ni­veau von max. 25 % ge­senkt und das Un­ter­neh­men­steu­er­recht struk­tu­rell mo­der­ni­siert wer­den.

nach oben