Die Liste möglicher Informationssicherheitsmaßnahmen im normativen Anhang A der neuen ISO/IEC 27001:2022 ist identisch aus dem überarbeiteten Leitfaden ISO/IEC 27002:2022 abgeleitet (siehe dazu unseren Artikel in der ersten Ausgabe 2022). Dies stellt auch für die Unternehmen die zentrale Anforderung bei der Umsetzung dar.
Neben der Neustrukturierung der bereits aus der vorhergehenden Fassung bekannten Anforderungen im Anhang A sowie der zusätzlichen Anforderungen im Anhang A, über die wir bereits im ersten novus IT 2022 berichteten, haben sich auch inhaltliche Änderungen der Hauptnorm der ISO/IEC 27001:2022 ergeben. Hierbei sind insbesondere drei Anpassungen erwähnenswert.
Harmonized Structure
Eine Änderung betrifft die sog. „Harmonized Structure“. Die Harmonized Structure (HS), ehemals High Level Structure (HLS), wurde 2012 von der International Organization for Standardization (ISO) entwickelt und eingeführt. Hintergrund war die Schaffung einer einheitlichen Struktur, wonach Managementsysteme geplant und umgesetzt werden können. Durch die Umstellung auf die HS erfolgt nun, wie bereits bei anderen Normen, die Umstellung dahingehend, dass die Geschäftsprozesse in den Fokus eines ISMS rücken. Neu ist Kapitel 6.3 und damit die Anforderung, dass Änderungen am ISMS geplant umzusetzen sind. Es handelt sich hierbei um eine bereits aus anderen Managementsystemen bekannte Anforderung. Bereits der Übergang von der ISO/IEC 27001:2013 auf die ISO/IEC 27001:2022 ist als ein Beispiel einer solchen Änderung zu sehen. Die Überführung in die HS führt an weiteren Stellen in der Norm dazu, dass formale Anpassungen vorgenommen wurden (bspw. zusätzliche Unterpunkte in Kapitel 9.2 (Internes Audit) mit 9.2.1 und 9.2.2 sowie Kapitel 9.3 (Managementbewertung) mit 9.3.1, 9.3.2, 9.3.3).
MC 4.4 - Informationssicherheitsmanagementsystem
Eine weitere Änderung betrifft Kapitel 4.4 (Informationssicherheitsmanagementsystem). Die bisherige Anforderung war: „Die Organisation muss entsprechend den Anforderungen dieser Internationalen Norm ein Informationssicherheitsmanagementsystem aufbauen, verwirklichen, aufrechterhalten und fortlaufend verbessern.“ Dies wird dahingehend erweitert, dass die für eine Aufrechterhaltung und Umsetzung erforderlichen Prozesse und ihre Wechselwirkungen im Rahmen des ISMS zu definieren sind.
MC 8.1 - Betriebliche Planung und Steuerung
Die letzte Änderung betrifft Kapitel 8.1 (Betriebliche Planung und Steuerung). Ergänzend muss die Organisation nun auch Prozesskriterien festlegen, um die Maßnahmen zur Bewältigung der Informationssicherheitsrisiken umzusetzen. Die Steuerung der Prozesse muss entsprechend in Übereinstimmung mit diesen Kriterien umgesetzt werden.
Die weiteren zentralen Änderungen liegen in der ISO/IEC 27002:2022 und haben damit auch Auswirkungen auf die ISO/IEC 27001:2022 - beispielsweise hinsichtlich der Maßnahmen zur Informationssicherheitsrisikobehandlung aus Kapitel 6.1.3. Der Anhang A der ISO/IEC 27002:2022 ist zentraler Bestandteil der Anforderung aus 6.1.3 c)
Umstellung der Zertifikate
Die Umstellung der Zertifikate erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Schritt müssen die bei der Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditierten Zertifizierungsstellen (so auch die ESecurity-CERT GmbH als unabhängige Zertifizierungsstelle im Ebner Stolz Verbund) einen Antrag auf Änderung der Akkreditierung bei der DAkkS stellen und sich einem Audit durch die DAkkS unterziehen, um eine Neu-Akkreditierung für die ISO/IEC 27001:2022 zu erhalten. Dieser Prozess muss gemäß Vorgabe des IAF durch die DAkkS bis Oktober 2023 abgeschlossen sein. In einem zweiten Schritt können dann die von der jeweiligen Zertifizierungsstelle ausgegebenen Zertifikate nach DIN EN ISO/IEC 27001:2017-06 im Rahmen des Prüfungszykluses auf die ISO/IEC 27001:2022 umgestellt werden.
Für den Prozess der Transition auf die ISO/IEC 27001:2022, wurde durch das IAF (International Accreditation Forum) entsprechende Vorgaben definiert - sowohl für die Akkreditierungsstelle als auch für die Zertifizierungsstellen. Hieraus ergibt sich auch der zeitliche Rahmen für die bereits zertifizierten sowie die neu zu zertifizierenden Unternehmen. In Kürze zusammengefasst wurde folgendes festgelegt:
- Die Transitionsphase beträgt drei Jahre ab Veröffentlichung der ISO/IEC 27001:2022 (und endet somit am 24.10.2025)
- Vorgaben für die DAkkS/Akkreditierungsstellen:
- Spätestens sechs Monate nach Veröffentlichung (25.10.2022) der ISO/IEC 27001:2022 (somit am 25.04.2023) müssen die nationalen Akkreditierungsstellen die Möglichkeit bieten, sich für die neue Norm akkreditieren lassen zu können
- Erstakkreditierungen nach ISO/IEC 27001:2022 müssen spätestens ab dem 25.4.2023 möglich sein
- Die Umstellung der Akkreditierung für Zertifizierungsstellen (wie die ESecurity-CERT GmbH) muss innerhalb von zwölf Monaten (somit bis zum 24.10.2023) abgeschlossen sein
- Vorgaben für die ESecurity-CERT GmbH/Zertifizierungsstellen:
- Zertifizierte Mandate müssen bis Oktober 2025 umgestellt sein.
- Die Umstellung kann in Verbindung mit einem Überwachungsaudit, Rezertifizierungsaudit oder in einem separaten Audit erfolgen (nachfolgend wird nur das Wort „Audit“ verwendet).
- Das Audit darf sich nicht nur auf eine Dokumentenprüfung stützen, insbesondere für die Überprüfung der technischen Kontrollen
- Das Audit umfasst u.a.:
- die Lückenanalyse der ISO/IEC 27001:2022 sowie die Notwendigkeit von Änderungen am ISMS
- die Aktualisierung der Anwendbarkeitserklärung (SoA)
- gegebenenfalls die Aktualisierung des Risikobehandlungsplans
- die Umsetzung und Wirksamkeit der neuen oder geänderten Kontrollen, die von den Mandanten gewählt wurden.
- Das Audit kann remote durchgeführt werden, sofern sichergestellt werden kann, dass die Ziele des Audits erreicht werden.
- Unabhängig von der Auditform (Überwachungsaudit, Rezertifizierungsaudit, separates Audit) ergeben sich zusätzliche Mindestaufwände, die bei der ESecurity-CERT GmbH anfallen und die berechnet werden müssen.
- Mit Abschluss des Audits erfolgt eine Aktualisierung der Zertifizierungsdokumente. Sofern das Audit im Rahmen eines separaten Audits erfolgt und damit nur die Transition geprüft wurde, wird der Ablauf des aktuellen Zertifizierungszyklus nicht geändert.
Mapping ISO/IEC 27002:2013 vs. ISO/IEC 27002:2022
Als Unterstützung zur Umsetzung der Anforderungen, finden Sie auf der Homepage der ESecurity-CERT GmbH eine frei verfügbare Excel-Liste mit dem Mapping der Kontrollen aus dem Anhang A zwischen der ISO/IEC 27002:2022 und der bisherigen ISO/IEC 27002:2013. Ebenso eine beispielhafte Darstellung einer angepassten Statement of Applicability (SoA), welche naturgemäß um weitere Spalten individualisiert werden kann (bspw. KPI-Reporting und Risikomanagement).
Weitere Informationen finden Sie hier.