Der Sachverhalt:
Die ehemalige Klägerin, die sich inzwischen im Insolvenzverfahren befindet, ist eine eG, deren Mitglieder Krankenkassen sind. Sie erbrachte gegenüber ihren Mitgliedern Betreuungs- und Beratungsleistungen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung. Das Finanzamt behandelte diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig. Demgegenüber berief sich die frühere Klägerin auf die unmittelbare Geltung der europarechtlichen Befreiungsvorschrift.
Das FG gab der Klage vollumfänglich statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger kann sich für die von der früheren Klägerin gegenüber ihren Mitgliedskrankenkassen erbrachten Leistungen unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f) der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f) MwStSystRL berufen.
Die Mitglieder der ehemaligen Klägerin erbringen als Krankenkassen im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit nicht umsatzsteuerbare Leistungen. Die Mitgliedskrankenkassen sind damit Personen i.S.d. Richtlinienvorschriften, die eine Tätigkeit ausüben, für die sie nicht Steuerpflichtige sind. Die frühere Klägerin ist als Genossenschaft ein Zusammenschluss dieser Personen.
Die Befreiung der IT-Dienstleistungen von der Umsatzsteuer führt auch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen. Es ist nicht ersichtlich, dass private Unternehmer in dem von der früheren Klägerin abgedeckten Marktsegment vergleichbare Leistungen anbieten würden oder könnten. Dementsprechend gibt es auch keine Nachfrage für derartige Leistungen. Die Tätigkeiten setzen einen uneingeschränkten Zugriff auf sämtliche Sozialdaten der Mitgliedskrankenkassen voraus. Ein derartiger Datenzugriff durch private Unternehmer ist durch § 80 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 SGB X aber gerade nicht zulässig.
Die frühere Klägerin kann sich auch auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen, weil der deutsche Gesetzgeber diese Befreiungsvorschrift nicht hinreichend umgesetzt hat. Eine hinreichende Umsetzung liegt bereits deshalb nicht vor, weil nicht nur in Fällen des § 4 Nr. 14 S. 2 UStG Wettbewerbsverzerrungen nicht zu befürchten sind, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden. Dem deutschen Gesetzgeber kommt insoweit keine Einschätzungsprärogative zu, sondern er hat für alle Sachverhalte, in denen tatsächlich keine Wettbewerbsverzerrungen vorliegen, die Steuerbefreiung der Richtlinienvorgabe in nationales Recht umzusetzen.
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