Digitalisierung ist das beherrschende Thema der Wirtschaft. Elektronische Daten werden mit zunehmender Vernetzung von Geschäftsprozessen immer wichtiger und wertvoller. Sind personenbezogene Daten betroffen, trägt dem der Gesetzgeber durch immer strengere Vorgaben zum Datenschutz Rechnung. Kein Wunder also, dass sich auch in der Rechtsberatung ein Spezialgebiet entwickelt hat, das IT-Recht. Bei Ebner Stolz befassen sich derzeit vier Rechtsanwälte schwerpunktmäßig mit diesem Rechtsbereich. Einer davon ist Dr. Björn Schallock, Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für IT-Recht. Doch was fällt alles unter den Bereich des IT-Rechts? Wir haben ihn gefragt.
Herr Dr. Schallock, ein großes aktuelles Thema: der Schutz personenbezogener Daten in Geschäftsprozessen. Kürzlich berichteten wir in unserer Mandantenzeitschrift novus über die neue Datenschutz-Grundverordnung („DSGVO“). Um was geht es da?
Die DSGVO ist eine EU-Verordnung, die ab dem 25.5.2018 EU-weit, also in jedem Mitgliedsstaat, unmittelbar gilt. Ziel der DSGVO ist es, EU-weit ein einheitliches (und hohes) Datenschutzniveau zu schaffen. Aktuell hat jeder Mitgliedsstaat ein eigenes Datenschutzrecht, das nur zum Teil auf EU-Recht beruht. Gerade im digitalen Bereich ist es aber realitätsfern, an Staatsgrenzen Halt zu machen. Es war daher an der Zeit, das Datenschutzrecht EU-weit zu harmonisieren. Die DSGVO bedeutet jedoch leider einen erheblichen Anpassungsaufwand für Unternehmen. Zudem steigen die Sanktionsmöglichkeiten enorm. Es ist für Unternehmen daher essentiell, sich gut beraten auf die neue Rechtslage vorzubereiten.
Unternehmen müssen sich auf die Datenschutz-Grundverordnung einstellen. Was ist das Mindestmaß der Anforderungen, die ab 25.5.2018 zu erfüllen sind?
Es gibt nicht wirklich eine Art „Mindest-Anforderungskatalog“ o. ä. und es wäre auch gefährlich von einem solchen zu sprechen, da jedes Unternehmen andere Daten und auf andere Weise verarbeitet. Womit sich allerdings jedes Unternehmen beschäftigen sollte, sind z. B. internes Datenschutzmanagement, Verarbeitungsverzeichnis, betriebliche Datenschutzbeauftragte, Verträge zur Auftragsverarbeitung, Sicherstellung von Informationsrechten. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat einen hilfreichen Fragebogen unter https://www.lda.bayern.de/media/dsgvo_fragebogen.pdf veröffentlicht, der einen Eindruck vermittelt, welche Themen anzugehen sind und in 2018 vermutlich auch als erstes von den Datenschutzbehörden überprüft werden.
Der Schutz personenbezogener Daten ist ein Kernstück des IT-Rechts - aber dieser Bereich umfasst doch noch weit mehr. Welche Bereiche sind das - und wie können Sie Mandanten unterstützen?
Das IT-Recht umfasst tatsächlich sehr viel mehr, es ist eine Querschnittsmaterie. Klassische Themen sind Verträge über Software- und Hardwarebeschaffung. Wir beraten Mandaten zu den rechtlichen Fragen der Entwicklung, der Lizensierung und dem Vertrieb von Software sowie zugehöriger Hardware. Sehr relevant sind zurzeit bspw. Verträge über Cloud Computing und das Outsourcing von IT-Leistungen. Weiterhin gehören natürlich diverse internetbezogene Fragestellungen, wie etwa Verträge mit Providern, Domainrecht und Anforderungen an die Gestaltung von Webseiten und insb. Webshops, dazu. Hier beraten wir z. B. den klassischen Webshop, aber auch Unternehmen, die eine Webseite hosten lassen wollen oder ihre Domain verteidigen müssen.
Ist da auch „Industrie 4.0“ ein Thema, mit dem Sie sich als IT-Rechtler befassen müssen?
Die sogenannte virtuelle Revolution betrifft uns IT-Rechtler natürlich unmittelbar. Sämtliche Entwicklungen dieser neuen Industrie beruhen auf Software und haben praktisch immer einen umfangreichen Austausch von Daten zum Gegenstand. Das betrifft insbesondere unsere Themenfelder Software-, Hardware-, Providerverträge und Datenschutz. Industrie 4.0 schafft spannende neue Anwendungsfelder und Herausforderungen für das IT-Recht. Neue Gesetze werden nicht ausbleiben.
Die wieder in den Bundestag gewählte Partei FDP hat im Wahlkampf mit dem Slogan „Digital first - Bedenken second“ geworben. Wie ist Ihre Einschätzung, sollte bedenkenloser mit dem Thema IT und Datenschutz umgegangen werden oder sind die mitunter strengen Anforderungen in Rechtsetzung und Rechtsprechung durchaus berechtigt?
Über diesen Satz habe ich mich gewundert. Gerade im Datenschutz stammen die strengen Vorgaben aus dem EU-Recht, da können der deutsche Gesetzgeber und die deutschen Gerichte wenig ändern. Natürlich sollte die Industrie mit Hilfe des Gesetzgebers ganz klar auf Digitalisierung setzen. „Bedenkenlos“ sollte man aber nie vorgehen. Ein Beispiel: Aus der Sicht der Softwarehersteller ist z. B. klar auf den Schutz von Software zu achten, aus Sicht der Anwender auf die Einräumung der erforderlichen Rechte. Ansonsten kann ein Softwarehersteller bspw. die ungewollte (unbezahlte) massive Nutzung eines Produktes nicht verhindern oder ein Softwarenutzer muss plötzlich nachzahlen, weil er sonst seine Nutzungsmöglichkeit verliert. Daher: Digitalisierung ja, aber eben gut beraten.
Wie sieht Ihre IT-rechtliche Beratung aus? Können Sie auch unterstützen, wenn im Vorfeld geklärt werden muss, welche IT-Systeme mit welchen Funktionalitäten in einem Unternehmen eingesetzt werden soll?
Die bereits genannten Bereiche des IT-Rechts sind eng verzahnt mit anderen Rechtsbereichen und tatsächlich auch mit der praktischen IT. Wir Juristen stoßen bei den technischen Fragen irgendwann an unsere Grenzen. So können wir etwa beurteilen, welchen rechtlichen Anforderungen ein neues IT-System genügen muss. Ob ein zu prüfendes Angebot allerdings das hält, was es verspricht, können wir als „Nicht-Techniker“ nicht immer beurteilen. In solchen Fällen arbeiten wir bei Ebner Stolz eng mit unserem Geschäftsbereich IT-Revision (GBIT) zusammen. Das sind die Spezialisten für IT-Prüfung und IT-Revision – die können manchmal die technischen Fragen viel besser klären, die wir dann rechtlich bewerten.
Können Sie das an einen Beispiel veranschaulichen?
Die DSGVO schreibt z. B. vor, dass Soft- und Hardware bereits so zu entwickeln und einzurichten ist, dass möglichst wenig personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden. Wie ein System dort programmiert ist, können wir nicht beurteilen. Dann nehmen wir die GBIT-Kollegen dazu – und auch andersherum!
Gibt es auch noch andere Bereiche, bei denen Sie Ebner Stolz Kollegen hinzuziehen?
Im Datenschutzrecht gibt es zum Beispiel eine Schnittstelle zum Arbeitsrecht: Der Betriebsrat hat in der Regel ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung eines neuen IT-Systems. Das ist in der Praxis gerne einmal kriegsentscheidend. Hier sind wir dankbar, unsere Kollegen aus dem Arbeitsrecht hinzuziehen zu können.
Auch steuerrechtlich gibt es übergreifende Themen: Für die Bilanzierung einer Software ist z. B. zu unterscheiden zwischen Standard- oder Individualsoftware und ob diese selbst erstellt oder erworben wurde. Sie sehen: Schon wenn ein Unternehmen eine neue Softwarelösung anschaffen will, sind mehrere Rechtsbereiche betroffen. Wir sind daher froh, nicht nur in technischen Fragen auf den GBIT zurückgreifen zu können, sondern in unserem Hause natürlich auch auf die vielen versierten Kollegen aus der Steuerberatung und der Wirtschaftsprüfung.
IT, Internet, Datenaustausch machen ja nicht an Staatsgrenzen halt. Wie wirkt sich diese Internationalität auf das IT-Recht aus? Können Sie auch in grenzüberschreitenden Fällen beraten?
Internationalität wirkt sich erheblich auf die von uns beratenen Bereiche aus. Deutsche Unternehmen nutzen Softwarelösungen ausländischer Anbieter oder lassen Software im Ausland herstellen oder warten. Unsere erste zu klärende Frage ist immer, welches Recht überhaupt gilt. Auch wenn Vertragspartner unserer Mandanten oft ausländisches Recht vereinbaren wollen, raten wir dazu deutsches Recht zu vereinbaren. Die Rechte unserer Mandanten lassen sich damit viel besser wahren, gerade im Konfliktfalle. Sollte das einmal nicht gelingen, haben wir aber die Möglichkeit auf ausländische Kooperationspartner zurück zu greifen.
Zuletzt Ihre Einschätzung: Welchen Stellenwert wird das IT-Recht in 10 Jahren haben?
Das IT-Recht wird mit der Digitalisierung zwangsläufig immer wichtiger werden. Je mehr Prozesse digitalisiert werden und damit Software- und Internet-gestützt stattfinden, desto wichtiger werden die IT-rechtlichen Fragestellungen. Dazu kommt der Datenschutz, der - vorrangig in der EU, aber zunehmend auch in den USA - immer mehr an Stellenwert gewinnt und bei Nichtbeachtung ein großes Sanktionsrisiko für Unternehmen bedeutet.