Sowohl der Gesetzgeber als auch die Bundes- und Landesregierungen versuchen mit einer Vielzahl von Maßnahmen, Unternehmen in der weiterhin andauernden Krise zu unterstützen. Angesichts der komplett veränderten wirtschaftlichen Daten in der Gesamtwirtschaft und in den einzelnen Unternehmen sollte insb. zum Jahreswechsel 2020/2021 überprüft werden, ob Anpassungsbedarf in der Jahresabschlusserstellung, in steuerlicher oder wirtschaftsrechtlicher Hinsicht besteht.
Auswirkungen auf den Jahresabschluss 2020
So könnten im anstehenden Jahresabschluss 2020 u. a. Sanierung- bzw. Restrukturierungsmaßnahmen bilanziell zu berücksichtigen sein. Werden Maschinen und Anlagen infolge der Corona-Krise nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt genutzt, ist eine außerplanmäßige Abschreibung zu prüfen. Eingeschränkte Vermarktungsmöglichkeiten aufgrund eines vollständigen oder eingeschränkten Lockdowns können im Bereich des Vorratsvermögens zu Abschreibungen wegen des völligen Entfalls der Veräußerungsfähigkeit oder im Rahmen der verlustfreien Bewertung in Folge gesenkter Verkaufspreise und erhöhter Lagerkosten führen. Bei einer vorübergehenden oder auch andauernden Auslastungsbeschränkung von Maschinen oder Anlagen durch Stilllegungen oder Nutzungseinschränkungen dürfen die auf diesen Zeitraum entfallenden Gemeinkosten als sogenannte „Leerkosten“ nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden. Durch Störungen im Leistungserstellungsprozess (z. B. höhere Produktionskosten, Lieferverzögerungen) könnten Drohverlustrückstellungen zu bilden sein, sofern nicht aufgrund vertraglicher Vereinbarungen die Corona-Pandemie als höhere Gewalt einzustufen ist.
Steuerliche Liquiditätshilfen
Aus steuerlicher Sicht sollte vor dem Jahreswechsel geprüft werden, ob von den steuerlichen Liquiditätshilfen noch Gebrauch gemacht werden soll. So können bis 31.12.2020 Anträge auf Stundung fälliger Steuerzahlungen und Herabsetzungen von Steuervorauszahlungen unter erleichterten Bedingungen gestellt werden. Es muss zwar eine Betroffenheit durch die Corona-Krise dargelegt, aber der Bedarf einer steuerlichen Liquiditätshilfe nicht klar mit Zahlen belegt werden. Ab 2021 gelten dann wieder die standardmäßig vorgesehenen Voraussetzungen.
Eine Beantragung der Herabsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2020 auf Null Euro könnte auch deshalb sinnvoll sein, um die Voraussetzungen für den pauschalen vorläufigen Verlustrücktrag von 2020 nach 2019 sicherzustellen. Im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2019 können so 30 % der steuerpflichtigen Einkünfte abgezogen werden, bis der tatsächlich entstandene Verlust für 2020 ermittelt und klar ist, in welcher Höhe dieser letztlich nach 2019 zurückgetragen wird.
Nachbesserungen bei der Dienstwagenbesteuerung
Bei der Dienstwagenbesteuerung betrieblicher Elektrofahrzeuge wurde nochmals nachgebessert. So ist nur ein Viertel des Bruttolistenneupreises der 1 %-Regelung zugrunde zu legen, wenn bei Anschaffung ab 1.1.2020 der Kaufpreis 60.000 Euro - statt zuvor 40.000 Euro - nicht überstiegen hat. Bei der Fahrtenbuchmethode ergeben sich entsprechend geringere Gesamtkosten. Damit dürfte die Anschaffung einiger reiner Elektrofahrzeuge in Betracht kommen, um diese Begünstigung zu nutzen.
Herkulesaufgabe Umsatzsteuersatzanpassung
Angesichts des Auslaufens der temporären Umsatzsteuersatzsenkung haben Unternehmen zum Jahreswechsel abermals eine Umsatzsteuersatzänderung in ihren Systemen zu berücksichtigen. Ab 1.1.2021 gelten die bisherigen Steuersätze von 19 % bzw. 7 %, nachdem in der zweiten Jahreshälfte 2020 diese nur 16 % bzw. 5 % betrugen. Bei vielen dürfte das Umsatzplus durch den enormen Verwaltungsaufwand durch das zweimalige Umstellen der Steuersätze mehr als aufgezehrt worden sein.
Einführung von One-Stop-Shop-Verfahren
In der EU ansässige Unternehmer, die innergemeinschaftliche Fernverkäufe erbringen, über eine elektronische Schnittstelle tätig sind oder EU-grenzüberschreitende sonstige Leistungen an Nichtunternehmer erbringen, können ab 1.7.2021 das vom bisherigen Mini-One-Stop-Shop zum One-Stop-Shop ausgeweitete Verfahren nutzen. Dazu müssen inländische Unternehmer ihre Teilnahme gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern erklären. Die Erklärung kann nur einheitlich für alle innerhalb von EU-Mitgliedstaaten ausgeführte Umsätze abgegeben werden. Zudem besteht ab dem 1.7.2021 in bestimmten Fällen auch die Möglichkeit der Teilnahme an einem One-Stop-Shop-Verfahren für Unternehmer aus Drittstaaten.
Warten auf die ATAD-Umsetzung
Weiterhin vom Gesetzgeber nicht angegangen wurde die Umsetzung der sog. ATAD-Vorgaben. So steht weiterhin u. a. die EU-rechtlich gebotene Reform der Hinzurechnungsbesteuerung aus. Unternehmen, bei denen die Hinzurechnung passiver Einkünfte einer Zwischengesellschaft im niedrig besteuerten Ausland droht, sollten hier die weitere Entwicklung verfolgen. So könnte hier aus einem am 17.11.2020 vom BMF veröffentlichten, abermals leicht modifizierten Entwurf eines Umsetzungsgesetzes geschlossen werden, dass nun doch noch eine zeitnahe Umsetzung erfolgt.
Steuerliche Auswirkungen durch Tätigkeit vom Home-Office aus
Zudem ist aus steuerlicher Sicht im Auge zu behalten, ob entsandte Arbeitnehmer weiterhin aufgrund von Reisebeschränkungen nicht zu ihrem Arbeitsort gelangen und deshalb vom Home-Office oder einem anderen Ort aus tätig werden. Dies kann zum einen Auswirkungen auf die Besteuerung sowie Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen auf deren Arbeitsentgelt haben. Zum anderen könnten sich daraus Konsequenzen für die Besteuerung der Unternehmensgewinne ergeben, falls dadurch eine ausländische Betriebsstätte begründet bzw. eine solche beendet werden würde.
Insolvenzrisiken nicht aus den Augen verlieren
Unternehmen, die wegen der Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind, sollten die zum Jahreswechsel auslaufende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Auge behalten. Bis dahin müssen Unternehmen wegen Corona-bedingter Überschuldung keinen Insolvenzantrag stellen. Zahlungsunfähige Unternehmen können sich bereits seit 1.10.2020 nicht mehr auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht berufen. Mit einer nochmaligen Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen ist nicht zu rechnen. Denn zum 1.1.2021 soll die Reform des Sanierungs- und Insolvenzrechts in Kraft treten und der sog. präventive Restrukturierungsplan eingeführt werden. Dieses Instrument soll insolvenzabwehrende Sanierungen ermöglichen. Im Kern wird damit eine Sanierung von Unternehmen auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans ermöglicht. Dies dient insb. dazu, eventuelle „Akkordstörer“ zu überstimmen (siehe dazu ausführlich novus November 2020, S. 4).
Compliance-Strukturen aufbauen, um Risiken aus dem Verbandssanktionengesetz zu minimieren
Nicht nur die Liquidität im Unternehmen gilt es laufend zu überwachen. Mit Blick auf das Verbandssanktionengesetz, das sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet, und der generellen Tendenz seitens der Behörden, Unternehmen zunehmend in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen zu stellen, sollten Mittelständler frühzeitig grundlegende Compliance-Strukturen einführen. Denn Unternehmen können auf eine Milderung der mitunter drastischen Sanktionen im Verbandssanktionengesetz hoffen, wenn sie Compliance-Vorkehrungen getroffen haben.
Kurzarbeit statt Kündigungen
Umsatzeinbrüche oder gar Betriebsstillegungen wegen der Corona-Krise wirken sich auf den Arbeitsmarkt aus. Deshalb hat der Gesetzgeber bereits im März 2020 eine erleichterte Inanspruchnahme von Kurzarbeit ermöglicht und die Voraussetzungen für Kurzarbeit durch Rechtsverordnung deutlich herabgesenkt. Mit dem Sozialschutzpaket II wurde das Kurzarbeitergeld erhöht. In den ersten drei Bezugsmonaten wird der bisherige Kurzarbeitergeldsatz von 60 % (bzw. 67 % bei Arbeitnehmern mit einem oder mehreren Kindern) bezahlt. Ab dem vierten Bezugsmonat steigt es auf 70 % (bzw. 77 %) und ab dem siebten Bezugsmonat auf 80 % (bzw. 87 %) der Nettolohndifferenz an, vorausgesetzt, das Ist-Entgelt des Arbeitnehmers ist gegenüber seinem Soll-Entgelt in dem jeweiligen Bezugsmonat um mindestens 50 % reduziert. Zunächst war die Erhöhung bis zum 31.12.2020 befristet. Sie wurde nunmehr jedoch bis 31.12.2021 verlängert und gilt für alle Beschäftigten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2021 entstanden ist.
Erleichterte Beschlussfassung bei Gesellschaften
Die Corona-bedingten Erleichterungen bei der Beschlussfassung in Gesellschafterversammlungen, die der Gesetzgeber im vergangenen Frühjahr verabschiedet hat und deren Geltung zunächst bis 31.12.2020 befristet war, wurden per Verordnung vom 20.10.2020 (BGBl. I 2020, S. 2258) bis 31.12.2021 verlängert. Danach bleiben virtuelle Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften auch 2021 möglich. Auch die für GmbHs, Genossenschaften, Stiftungen und Vereine sowie das Umwandlungsrecht geltende Ausnahmeregelungen bestehen ebenfalls bis Ende 2021 fort.
Stiftungsrecht wird vereinheitlicht
Auch das Stiftungszivilrecht wird gegenwärtig reformiert. Konkret geht es darum, das Stiftungszivilrecht einheitlich auf Bundesebene im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu regeln. Bisher finden sich viele Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen, so dass die Stiftungen in Deutschland unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterliegen. Durch die Neufassung der §§ 80ff. BGB soll für neugegründete wie für bestehende Stiftungen eine einheitliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Flankierend hierzu sollten auch die Reformbemühungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht beobachtet werden, die im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2020 enthalten sind.
Hinweis
Einen Überblick über die Entwicklungen und Neuerungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerrecht und Wirtschaftsrecht samt einer Bewertung durch den BDI erhalten Sie mit dem im Januar 2021, im Stollfuß-Verlag erscheinenden Ratgeber „Steuer- und Wirtschaftsrecht 2021“.
Welcher Handlungsbedarf sich aus steuerlicher Hinsicht noch vor dem Jahreswechsel ergibt, können Sie in unserer aktuellen Broschüre "Gestaltungsüberlegungen zum Jahreswechsel" nachlesen.