Die neuen Absätze 3 und 4 haben weitreichende Auswirkungen auf die Praxis. Dadurch können Tätigkeiten, die in der Vergangenheit nicht als Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke anzusehen waren, dem ideellen Bereich oder dem Zweckbetrieb zugeordnet werden.
Gemeinnütziges arbeitsteiliges Zusammenwirken
Vor der Einführung der Neuregelung konnte eine gewerbliche Servicegesellschaft in einem gemeinnützigen Konzern nicht selbst nach §§ 51 ff. AO als steuerbegünstigt anerkannt werden. Führte also bspw. ein Krankenhaus seinen Wäschereibetrieb selbst, so war dieser als Teil des Zweckbetriebs anzusehen. Sobald aber der Betrieb auf eine 100 %-ige Tochter-GmbH ausgegliedert wurde, war die neu gegründete Wäscherei-GmbH als gewerbliche Gesellschaft voll steuerpflichtig und konnte nicht nach §§ 51 ff. AO als steuerbegünstigt anerkannt werden. Dies obwohl im Ergebnis – abgesehen von der gesellschaftsrechtlichen Trennung – keine Veränderung zur vorherigen Situation eingetreten war.
Diese Beurteilung hat nun eine Änderung erfahren. Gemäß § 57 Abs. 3 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke ab sofort auch dann unmittelbar, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren nach § 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verfolgt. Das bedeutet konkret, dass für die Frage, ob die Wäscherei-GmbH unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt und damit im Ergebnis auch als steuerbegünstigt anerkannt werden kann, ihre eigene Tätigkeit und die Tätigkeit des Krankenhauses gemeinsam betrachtet werden. Führt sie also Leistungen aus, die im Krankenhaus dem Zweckbetrieb zugutekommen, sind diese auch bei ihr dem Zweckbetrieb zuzuordnen. Voraussetzung ist u. a., dass die Zweckverwirklichung durch das Zusammenwirken mit einer anderen Körperschaft in der Satzung der Wäscherei-GmbH verankert wird.
Aus dieser sehr zur begrüßenden Neuregelung erwachsen nun aber eine ganze Reihe von Folgefragen, von denen an dieser Stelle nur einige beispielhaft genannt werden können. Die Gesetzesbegründung rekurriert auf das hier dargestellte Beispiel der Ausgliederung aus einem Zweckbetrieb. Der Gesetzeswortlaut selbst gibt jedoch eine Beschränkung auf solche Konzernsachverhalte nicht her. Möglicherweise findet § 57 Abs. 3 AO daher auch dann Anwendung, wenn die Servicegesellschaft (hier die Wäscherei-GmbH) nicht (nur) gegenüber der Muttergesellschaft, sondern auch gegenüber Dritten tätig wird. Offen ist darüber hinaus, ob die Regelung auf sämtliche Dienstleistungen, also auch Verwaltungsdienstleistungen, wie Rechnungswesen, Personal, Vermögensverwaltung etc., angewandt werden kann oder ob sie auf Leistungen beschränkt ist, die unmittelbar mit dem begünstigten Zweck im Zusammenhang stehen. Auch stellt sich die Frage, auf welche Weise die Servicegesellschaft nachweisen kann, für welche Sphäre der Empfängerkörperschaft sie tätig wird. Wünschenswert wäre, dass für diesen Nachweis ein Freistellungsbescheid genügt.
Gemeinnütziger Konzern
Bisher galt das Halten einer Beteiligung an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft nach (viel kritisierter) Auffassung der Finanzverwaltung als vermögensverwaltende Tätigkeit (AEAO zu § 64 Tz. 3 Satz 4 und 7). Die Beteiligung war daher dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen. In der Folge konnte eine Körperschaft (Holding), die neben dem Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften keine weitere Tätigkeit entfaltete, nicht als steuerbegünstigt anerkannt werden, da sie nicht selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgte.
In § 57 Abs. 4 AO ist nun gesetzlich geregelt, dass eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar verfolgt, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet. Dies bedeutet, dass die oben aufgeführte Konzernholding nun auch ohne eigene operative Tätigkeit bzw. ohne eigene Fördertätigkeit nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigt sein kann. Wie bereits in unserem novus öffentliche Hand & Gemeinnützigkeit 2. Ausgabe 2020 ausführlicher dargestellt, ist aktuell noch unklar, ob die Holding neben den Beteiligungen an steuerbegünstigten auch Beteiligungen an steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften halten darf ohne die Anwendung von § 57 Abs. 4 AO zu gefährden. Gleiches gilt für die Frage, ob sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten kann.
In der Praxis stellt sich in der Folge noch eine weitere Frage mit weitreichenden Auswirkungen: Folgt aus § 57 Abs. 4 AO die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, dass das Halten einer Beteiligung an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft als unmittelbare Zweckverwirklichung einzuordnen ist? In der Folge wäre eine solche Beteiligung im Vermögen jeder steuerbegünstigten Mutterkörperschaft dem ideellen Bereich bzw. dem Zweckbetrieb zuzuordnen. § 57 Abs. 4 AO wäre also nicht nur auf eine Konzernholding anzuwenden.
In der Literatur wird diese Auffassung aktuell in einem breiten Konsens bejaht. Die grundsätzlich sehr zu begrüßende Rechtsfolge dieser Einordnung wäre bspw., dass die in der Beteiligung gebundenen Mittel im Rahmen der Mittelverwendungsrechnung als „bereits für satzungsmäßige Zwecke verwendet“ gelten würden. Die Finanzierung des Erwerbs der Anteile wäre mit zeitnah zu verwendenden Mitteln möglich. Verluste im Zusammenhang mit der Beteiligung oder auch Nachschusspflichten wären nicht mehr potentiell problematisch. Ausschüttungen aus der steuerbegünstigten Tochtergesellschaft wären für Zwecke der Bildung der freien Rücklage allerdings in jedem Fall nur noch in Höhe von 10 % zur berücksichtigen.
Hinweis: Die Finanzverwaltung verfügt gegenwärtig noch nicht über eine einheitliche Linie. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass die zuständigen Finanzämter sich nur sehr bedingt äußern möchten. Eine Stellungnahme der Finanzverwaltung durch eine Neufassung des AEAO wird frühestens für die zweite Jahreshälfte 2021 erwartet.