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Steuerberatung

Jugendfreiwilligendienst ist umsatzsteuerfrei

BFH v. 24.6.2020 - V R 21/19

Er­bringt ein Träger des Ju­gend­frei­wil­li­gen­diens­tes, der gem. § 11 Abs. 1 JFDG zur Gewährung von Geld- oder Sach­leis­tun­gen an die Frei­wil­li­gen ver­pflich­tet ist, Leis­tun­gen an die Ein­satz­stelle der Frei­wil­li­gen, die von der Ein­satz­stelle durch eine mo­nat­li­che Pau­schale vergütet wird, ist diese Leis­tung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL steu­er­frei.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­treibt ein Zen­trum für Frei­wil­li­gen­dienste (ins­be­son­dere Frei­wil­li­ges So­zia­les Jahr - FSJ -, Frei­wil­li­ges Öko­lo­gi­sches Jahr, Zi­vil­dienst und in­ter­na­tio­na­ler Frei­wil­li­gen­dienst). Dafür stellte sie Ju­gend­li­che an un­ter­schied­li­che Ein­satz­stel­len zur Verfügung und be­rei­tete die Teil­neh­mer auf ih­ren Frei­wil­li­gen­dienst durch Be­ra­tung über die not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen und über ih­ren kon­kre­ten Ein­satz­be­reich vor. Außer­dem führte sie Lehrgänge und Qua­li­fi­ka­ti­ons­kurse mit dem Ziel durch, die Teil­neh­mer zu befähi­gen, den Frei­wil­li­gen­dienst an­zu­tre­ten und fach­ge­recht ab­zu­leis­ten. Fer­ner wur­den die Teil­neh­mer während ih­res ge­sam­ten Ein­sat­zes von Mit­ar­bei­tern der Kläge­rin pädago­gi­sch be­glei­tet. Die Rechts­verhält­nisse der Kläge­rin als Träge­rin des Frei­wil­li­gen­diens­tes mit den Frei­wil­li­gen und den Ein­satz­stel­len be­ruh­ten auf §§ 1 ff. des Ju­gend­frei­wil­li­gen­dienste­ge­set­zes (JFDG).

Im Streit­jahr 2017 be­stan­den zwi­schen der Kläge­rin und ver­schie­de­nen Frei­wil­li­gen Frei­wil­li­gen­ver­ein­ba­run­gen für das FSJ. Die Kläge­rin er­stellte da­bei im Rah­men des zwei­sei­ti­gen Ver­trags­mo­dells nach § 11 Abs. 1 JFDG Rech­nun­gen an Träger­ver­eine der Ein­satz­stel­len, in de­nen sie für je­weils eine/-en Teil­neh­mer/-in eine Ein­satz­stel­len­pau­schale ab­rech­nete und keine Um­satz­steuer aus­wies. In ih­rer beim Fi­nanz­amt ein­ge­reich­ten Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für Ok­to­ber 2017 be­han­delte sie die mit die­sen Rech­nun­gen ab­ge­rech­ne­ten Leis­tun­gen als steu­er­pflich­tig. Ge­gen diese An­mel­dung, die gem. § 168 AO ei­ner Steu­er­fest­set­zung un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung gleich­stand, er­hob die Kläge­rin Sprung­klage gem. § 45 FGO, der das Fi­nanz­amt zu­stimmte und die das FG als begründet an­sah. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat eine aus dem Uni­ons­recht ab­ge­lei­tete Steu­er­frei­heit zu­tref­fend be­jaht. Da­bei kann der Se­nat of­fen­las­sen, ob über­haupt eine ent­gelt­li­che Leis­tung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor­liegt. Denn je­den­falls ist eine der­ar­tige Leis­tung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL steu­er­frei.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL be­freien die Mit­glied­staa­ten "eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Dienst­leis­tun­gen (...), ein­schließlich der­je­ni­gen, die durch (...) Ein­rich­tun­gen des öff­ent­li­chen Rechts oder an­dere von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat als Ein­rich­tun­gen mit so­zia­lem Cha­rak­ter an­er­kannte Ein­rich­tun­gen be­wirkt wer­den". Im Streit­fall erfüllte die Kläge­rin die leis­tungs­be­zo­gene Vor­aus­set­zung. Sie liegt vor, wenn die Leis­tung des Un­ter­neh­mers aus­schließlich dazu dient, den Ein­satz von Zi­vil­dienst­leis­ten­den bei nach §  4 ZDG an­er­kann­ten oder noch an­zu­er­ken­nen­den Be­schäfti­gungs­stel­len zu ermögli­chen, die Ein­rich­tun­gen bei der An­er­ken­nung als Be­schäfti­gungs­stelle und bei der Zu­wei­sung von Zi­vil­dienst­leis­ten­den zu un­terstützen und die im Rah­men des Zi­vil­diens­tes und da­mit nur vorüber­ge­hend den amt­li­chen Be­schäfti­gungs­stel­len zu­ge­wie­se­nen Per­so­nen zu be­treuen, da da­mit der er­for­der­li­che Be­zug zur So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit be­steht. Es han­delt sich dann um eine Leis­tung, die aus­schließlich und un­mit­tel­bar dar­auf ge­rich­tet ist, den Ein­satz von Zi­vil­dienst­leis­ten­den im so­zia­len Be­reich zu ermögli­chen und durch­zuführen.

Ent­ge­gen der An­sicht des Fi­nanz­am­tes hatte das FG eine eng mit der So­zi­alfürsorge oder der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Leis­tung zu­tref­fend be­jaht, wie sie sich aus dem Ge­samt­kon­zept und der ge­setz­li­chen Aus­ge­stal­tung des Ju­gend­frei­wil­li­gen­diens­tes er­gibt. Die Ent­schei­dung ei­nes Trägers, die zwei­sei­tige Ver­ein­ba­rung nach § 11 Abs. 1 JFDG ab­zu­schließen, mit der Folge, dass es ei­ner wei­te­ren Ver­ein­ba­rung zur Kos­ten­tra­gung mit der Ein­satz­stelle be­darf, hebt da­her auch in Be­zug auf hier­bei er­brachte Ver­wal­tungs­leis­tun­gen die enge Ver­bin­dung mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit nicht auf. Denn diese ergänzende Ver­ein­ba­rung dient aus­schließlich dazu, den Frei­wil­li­gen ihre Tätig­keit bei den Ein­satz­stel­len zu ermögli­chen und ent­spricht da­mit den Leis­tun­gen beim Ein­satz von Zi­vil­dienst­leis­ten­den, die der BFH be­reits auf ver­gleich­ba­rer Grund­lage als steu­er­frei an­ge­se­hen hat.

Die Tätig­keit der Kläge­rin als Träge­rin des Ju­gend­frei­wil­li­gen­diens­tes un­ter­schei­det sich je­doch von ei­ner der­art steu­er­pflich­ti­gen Per­so­nal­ge­stel­lung - un­abhängig von der gewähl­ten Ver­trags­form nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 JFDG - gem. § 3 Abs. 2 JFDG be­reits da­durch, dass sie das frei­wil­lige so­ziale Jahr pädago­gi­sch mit dem Ziel be­glei­tet, so­ziale, kul­tu­relle und in­ter­kul­tu­relle Kom­pe­ten­zen zu ver­mit­teln und das Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein für das Ge­mein­wohl zu stärken.

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