Derzeit erfolgt eine Reduzierung von deutscher Kapitalertragsteuer (KESt) bei bestimmten unbeschränkt Steuerpflichtigen (Steuerinländer) i. d. R. durch Freistellung, während beschränkt Steuerpflichtige (Steuerausländer) i. d. R. nur nachträglich einen Erstattungsantrag stellen können. Die Antragswege führen je nach Sachverhalt meist entweder zu dem Finanzamt, an das die KESt abgeführt wurde, oder zu dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Die USA hingegen haben bereits seit fast 20 Jahren ein weltumspannendes System implementiert, in dem durch Banken als qualifizierende Abzugsverpflichtete („Qualified Intermediary“) von dem Einbehalt von US-Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden bei Zahlung Abstand genommen wird. Ein ähnliches Verfahren hat die OECD mit TRACE („Treaty Relief and Compliance Enhancement“) vorgeschlagen, unter dem bei Zahlung von Streubesitzdividenden lediglich der DBA-Satz angewendet wird und über einen Informationsaustausch des jeweiligen Quellenstaates an den Ansässigkeitsstaat eine Kontrollmöglichkeit der Besteuerung der Kapitalerträge sichergestellt werden soll.
Das BMF hat jedoch deutliche Vorbehalte gegenüber einem solchen Verfahren und möchte die Prüfung der Voraussetzungen für eine Reduzierung von deutscher KESt nicht an die Kreditwirtschaft auslagern. Um die Kontrollen effizienter durchzuführen, sollen die Prozesse von der Bescheinigung der KESt über die Beantragung einer Erstattung digitalisiert werden. Mit der Digitalisierung werden automatisierte Kontrollen erst möglich. Dazu benötigt die Finanzverwaltung allerdings detailliertere Angaben.
Daher wird es im Wesentlichen zu folgenden gesetzlichen Änderungen im Bereich der Kapitalertragsteuer kommen, die grundsätzlich ab dem 01.01.2025 in Kraft treten:
- Steuerausländern soll der Einbehalt von KESt auf bestimmte inländische Kapitalerträge (z. B. Dividenden auf girosammelverwahrte deutsche Aktien oder Zinsen auf bestimmte Teilschuldverschreibungen) nicht mehr in der Steuerbescheinigung für die Erstattung bescheinigt werden. Stattdessen soll die auszahlende Stelle (depotführende Stelle oder Depotbank) die relevanten Angaben elektronisch an das BZSt übermitteln, damit dieses bei der Bearbeitung eines Antrags auf (teilweise) Erstattung überprüfen kann, ob und in welcher Höhe KESt einbehalten wurde.
- Steuerinländer erhalten weiterhin eine Steuerbescheinigung von der auszahlenden Stelle und zusätzlich sind die relevanten Angaben durch die auszahlende Stelle elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Bei bestimmten inländischen Kapitalerträgen (s. o.) sind insbesondere folgende Angaben zu ergänzen: Steuer-Identifikationsnummer bzw. Wirtschaftsidentifikationsnummer des Gläubigers, Depotnummer, Bruttoertrag je Wertpapiergattung, Zahlungstag, ISIN, einbehaltene KESt und SolZ vor Verrechnung, Steuersatz, Stückzahl der Wertpapiere je Gattung und Zahlungstag. Bei Wertpapierleihgeschäften bzw. Wertpapierpensionsgeschäften sind bestimmte Zusatzangaben zu machen. Im Fall von Zwischenverwahrern in der Verwahrkette sind ebenfalls weitere Angaben notwendig (Depotnr., Firma, Rechtsform und Anschrift des jeweiligen Zwischenverwahrers). Bei Hinterlegungsscheinen (z. B. ADR) sind ebenfalls Zusatzangaben notwendig.
- Jeder Datensatz für Steuerinländer bzw. Steuerausländer ist mit einer Ordnungsnummer nach amtlichem Muster zu kennzeichnen. Die Datensätze für Steuerinländer sind bis zum 31.07. des Folgejahres elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Die Datensätze für Steuerausländer sind auf Verlangen des Gläubigers für jeden Zufluss unverzüglich inkl. dessen Steuer-Identifikationsnummer seines Ansässigkeitsstaates (bzw. Wirtschaftsidentifikationsnummer) an das BZSt zu übermitteln. Wird für Steuerinländer bis zum 31.07 des Folgejahres keine Steuerbescheinigung ausgestellt oder durch Steuerausländer die elektronische Übermittlung an das BZSt nicht verlangt, ist die auszahlende Stelle ungeachtet dessen verpflichtet, die wesentlichen Angaben über die Kapitalerträge und den vorgenommenen KESt-Einbehalt elektronisch an das BZSt zu übermitteln.
- Inländische börsennotierte Gesellschaften dürfen nach § 67d AktG von den Verwahrern die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses verlangen. Diese Daten sollen sie direkt dem BZSt übermitteln.
- Außerdem hat die auszahlende Stelle einschließlich der Clearstream Banking AG, Frankfurt jährlich zusammengefasste Mitteilungen über die Summen der Kapitalerträge je Wertpapiergattung und Zahlungstag sowie der einbehaltenen KESt bis zum 31.07. des Folgejahres an das BZSt vorzunehmen.
- Die auszahlende Stelle haftet für die Richtigkeit der (zusätzlichen) Angaben in der Bescheinigung bzw. der Datensätze. Das Haftungsprivileg in den Fällen des § 45a Abs. 7 Satz 3 EStG wird ab dem 01.01.2025 gestrichen.
Die weiteren Änderungen sind:
- Die bestehenden Vorschriften des § 50d EStG über die Erstattung von KESt in den Fällen eines DBA, der Mutter-Tochter-Richtlinie nach § 43b EStG, der Zins- und Lizenz-Richtlinie nach § 50g EStG und des § 44a Abs. 9 EStG (für Körperschaften im Nicht-DBA Fall) in einem neuen § 50c EStG wesentlich neu gefasst werden. Die Anti-Treaty-Shopping Regelung des § 50d Abs. 3 EStG bleibt bestehen und wird neu gefasst. Freistellungs- und Erstattungsanträge sowie Freistellungsbescheinigungen oder Freistellungsbescheide sollen zukünftig grundsätzlich elektronisch an das BZSt übermittelt werden.
- So genannte Dauerüberzahler mit einer NV-Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG (NV-Art 08), also z. B. Holdings oder Lebens-/ Krankenversicherungsunternehmen, unterliegen künftig mit ihren Dividendenerträgen aus inländischen, girosammelverwahrten Aktien der KESt. Dazu wird § 44a Abs. 10 Nr. 2 EStG gestrichen. Grundsätzlich gilt dies mangels besonderer Anwendungsregelung bereits ab dem 01.01.2021 - falls das BMF nicht kurzfristig eine Nichtbeanstandungsregelung mit einem späteren Anwendungszeitpunkt erlässt. Die auszahlenden Stellen sowie Verwahrstellen von Spezial-Investmentfonds mit ausgeübter Transparenzoption müssen insoweit ihre KESt-Matrix anpassen und inländische Dividendenerträge aus der NV-Art 08 herausnehmen.
- Bei unentgeltlichen Depotüberträgen muss die auszahlende Stelle bereits heute Daten zum Übertragenden und Empfänger an ihr Finanzamt zu melden. Die auszahlende Stelle kann aufgrund einer Neuregelung die Identifikationsnummer des Empfängers beim BZSt abfragen, so dass sie sich nicht auf mehr auf die Angaben des Kunden verlassen muss (§ 43 Abs. 1 Satz 6 Nr. 5 EStG). Falls eine eindeutige Zuordnung der Daten zum Empfänger nicht möglich sein sollte, ist der Depotübertrag als entgeltlich zu behandeln. Diese Regelung ist bereits auf Depotüberträge ab 01.01.2020 anzuwenden.
- Mit Wirkung ab 01.07.2021 ist eine Änderung der Erstattungsmöglichkeiten von KESt bei Investmentfonds vorgesehen: In- und ausländische Investmentfonds unterliegen bei Vorlage einer Fonds-Statusbescheinigung nur 15% KESt auf deutsche Dividenden. Soweit bei Zahlung eine Fonds-Statusbescheinigung nicht vorlag, besteht derzeit die Möglichkeit der nachträglichen Vorlage (§ 7 Abs. 5 InvStG) oder der Erstattung der zu viel einbehaltenen KESt durch das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen, i. d. R. der Verwahrstelle (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Die Erstattung bei nachträglicher Vorlage einer Fonds-Statusbescheinigung nach § 7 Abs. 5 InvStG soll nur noch bei inländischen Investmentfonds gelten. Die Statusbescheinigungen sollen zu diesem Zweck eine zusätzliche Information enthalten, ob es sich um einen in- oder ausländischen Investmentfonds handelt. Fehlt diese Angabe, soll eine Erstattung nach § 7 Abs. 5 InvStG insgesamt (d. h. Satz 1 und Satz 2) nicht mehr möglich sein. Daher sollten neue Fonds-Statusbescheinigungen eingeholt werden, sobald die Muster aktualisiert wurden. Die Erstattung gemäß § 11 InvStG soll für inländische Investmentfonds weiterhin beim Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen erfolgen, während für ausländische Investmentfonds das BZSt zuständig sein soll (§ 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Ein BMF-Schreiben soll den Erstattungsprozess für steuerbefreite Anleger bei inländischen Investmentfonds nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG weiterhin mit der bisherigen Statusbescheinigung über den Entrichtungspflichtigen ermöglichen.
- Mit Inkrafttreten des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes soll das BZSt auch für die Erstattung von KESt bei den sogenannten Fokusbank-Anträgen sachlich zuständig sein sowie in den Fällen des § 37 Abs. 2 AO, in denen KESt ohne rechtliche Verpflichtung für Steuerausländer einbehalten und abgeführt wurde und das vorgelagerte Korrektur- und Erstattungsverfahren nach § 44b Abs. 5 EStG tatsächlich nicht erfolgte. Insoweit wird dann auch Rn. 307 des Abgeltungsteuer-Schreibens vom 18.01.2016 anzupassen sein.