Sinn der Regelung ist nach der Gesetzesbegründung die „Verhinderung von durch Spekulationsgeschäfte bedingten, abstrakt drohenden qualifizierten Haushaltsrisiken“. Die Verrechnung von Verlusten aus Aktienveräußerungen mit anderen positiven Kapitaleinkünften berge bei erheblichen Kursstürzen die Gefahr erheblicher Steuermindereinnahmen. Nach inoffizieller Lesart wurde die Verlustverrechnungsbeschränkung als Gegenfinanzierung für die durch das UntStRefG 2008 erfolgte Lockerung der Zinsschrankenregelung eingeführt (DStZ 2010, 78).
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten; Abweichungen von diesem Grundsatz bedürfen der Rechtfertigung. Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass
- eine Ungleichbehandlung vorliegt, weil Steuerpflichtige mit Verlusten aus Aktien gegenüber Steuerpflichtigen mit Verlusten aus aktienbasierten Kapitalanlagen, die aber keine Aktien sind, schlechter gestellt sind und
- keine Rechtfertigungen für diese Ungleichbehandlung vorliegen.
Nach Überzeugung des BFH scheitert die Regelung bereits am Maßstab des Willkürverbots: „Es fehlt ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung. Er ergibt sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen aufgrund qualifizierter Haushaltsrisiken …, noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen … oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen … . Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung kommt als Rechtfertigungsgrund ebenfalls nicht in Betracht … . Der Steuerpflichtige kann der Ungleichbehandlung auch nicht durch ein zumutbares Verhalten ausweichen ...“.
Das BVerfG kann bei einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung anordnen oder die Regelung für nichtig erklären. Nur in letzterem Fall könnten Steuerpflichtige rückwirkend von der Aufhebung der Verlustverrechnungsbeschränkung profitieren. Die Auswirkungen sind im konkreten Einzelfall zu prüfen.