Im entschiedenen Fall hat ein Anleger in 2011 ausländische Aktien im Privatvermögen erworben, die in der Folge auf Grund von Betrugsvorwürfen gegen die Gesellschaft erheblich an Wert verloren. Die Aktien wurden von der Börsenaufsicht vom Handel ausgeschlossen. Der Anleger veräußerte die Aktien an eine andere Anlegerin für EUR 0,01 pro Stück und erwarb im Gegenzug von ihr wertlose Aktien. Die Aktien wurden zwischen den Depots übertragen. Auf Grund des Depotübertrags mit Rechtsträgerwechsel behandelte die Bank des Anlegers den Vorgang wie eine Veräußerung. Die Ermittlung des der Abgeltungsteuer zu unterwerfenden Veräußerungsergebnisses war für die Bank nicht möglich, da ein Börsenpreis auf Grund des Delistings nicht vorlag. Daher hat die Bank 30 % der Anschaffungskosten als Ersatzbemessungsgrundlage angesetzt und darauf Kapitalertragsteuer einbehalten. Der Anleger begehrte im Rahmen der Veranlagung die Berücksichtigung des Veräußerungsverlusts.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Verkauf zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe, so dass ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vorläge. Die Gestaltung sei alleine gewählt worden, um steuerliche Verluste zu generieren. Nach Auffassung des BFH hat der Anleger lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auf einen Dritten (ggf. auch zwangsweise). Eine entgeltliche Anteilsübertragung liegt sogar dann vor, wenn dem Kaufpreis lediglich eine symbolische Funktion zukommt bzw. wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden. Zur Geltendmachung des Verlustes im Rahmen der Veranlagung des Anlegers ist im konkreten Fall eine Verlustbescheinigung der Bank nicht erforderlich.
Hinweis: Anleger müssen ab 2020 berücksichtigen, dass nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG Verluste aus einem Ausfall von Kapitalanlagen (sowie der Ausbuchung oder Übertragung wertloser Kapitalanlagen wie Aktien, Investmentfonds oder Zertifikaten) oder aus der Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung mit sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen nur noch bis zu EUR 20.000 pro Jahr verrechnet werden können. Ob diese Regelung Bestand haben wird, wird in Zukunft ebenfalls der BFH entscheiden müssen.