Der Sachverhalt:
Die Kläger wurden im Streitjahr 2011 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der im Jahr 1964 geborene Kläger war seit 1994 Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein (VZN). Satzungsgemäß bestand eine Beitragspflicht für eine Renten- sowie daneben für eine Kapitalversorgung. Die Kapitalversorgung ist als kapitalbildende Lebensversicherung und als eigene Versorgungsart mit eigenem Abrechnungsverband im VZN ausgestaltet. Im Gegensatz zu den Anwartschaften aus der Rentenversorgung sind die Anwartschaften der Kapitalversorgung grundsätzlich beleihbar, übertragbar, vererbbar und jederzeit mit einer Frist von drei Monaten auszahlbar.
Aufgrund des satzungsgemäß spätesten Zugangsalters mit Vollendung des 45. Lebensjahrs und des seinerzeit frühestmöglichen Leistungsbezugs mit Vollendung des 57. Lebensjahrs wurden die Leistungen aus dieser Versorgungsart bis zum 31.12.2004 von den Finanzbehörden als steuerfrei eingestuft. Durch Satzungsänderung zum 1.1.2005 wurde die Kapitalversorgung abgeschafft. Die Mitgliedschaft in der Kapitalversorgung ist seitdem nur noch beitragsfrei möglich. Über den bis dahin individuell erdienten Kapitalanspruch kann jedes Mitglied nach den §§ 25h bis 25i der (neuen) Satzung des VZN verfügen.
Der Kläger erhielt nach der Kündigung seiner Kapitalversorgung im Streitjahr einen Betrag i.H.v. rd. 25.000 € ausgezahlt. Entsprechend der vom VZN ausgestellten "Bescheinigung der Leistungen nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG" sollten 19,67 % dieser Leistungen nach der sog. Öffnungsklausel behandelt werden. Das Finanzamt qualifizierte den Auszahlungsbetrag als sonstige Einkünfte. Im Klageverfahren änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung insoweit, als es einen Betrag von 19,67 % des im Streitjahr ausgezahlten Betrags der Kapitalversorgung als steuerfrei ansah.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger ist dahingehend zu ändern, dass der gesamte ausgezahlte Betrag aus der Kapitalversorgung des VZN im Streitjahr steuerfrei zu belassen ist.
Zwar unterliegt die Einmalzahlung aus einem berufsständischen Versorgungswerk grundsätzlich als "andere Leistung" i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG der Besteuerung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie Teil der Basisversorgung ist. Das wesentliche Charakteristikum der Einkünfte des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist jedoch, dass sie die erste Schicht des von der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen der Neuregelung zugrunde gelegten "Drei-Schichten-Modells" bilden und der Basisversorgung dienen.
Zu dieser ersten Schicht der Basisversorgung gehören Leibrenten, die auf einem durch Beiträge erworbenen Anspruch gegen einen gesetzlichen oder privaten Vermögensträger auf lebenslängliche Versorgung beruhen, frühestens ab seinem 60. Lebensjahr gezahlt werden und bei denen die Anwartschaften nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein dürfen. Davon abzugrenzen sind die steuerlich geförderten Produkte der privaten Altersvorsorge nach §§ 10a und 79 ff. EStG und die betriebliche Altersvorsorge, die zur zweiten Schicht der kapitalgedeckten Zusatzversorgung gehören, sowie die zur dritten Schicht zählenden Kapitalanlageprodukte, die zwar der Altersvorsorge dienen können, es aber nicht müssen.
Vorliegend führten die Erträge aus der Kapitalversorgung des VZN nicht zu Leistungen aus der Basisversorgung eines berufsständischen Versorgungswerks i.S.d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG, sondern zu Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Denn Kapitallebensversicherungen sind nicht als Teil der Basisversorgung, sondern (grundsätzlich) als Teil der dritten Schicht anzusehen. Das gilt auch dann, wenn die Anwartschaften auf Beiträgen beruhen, die vor Inkrafttreten des AltEinkG zum 1.1.2005 geleistet worden sind. Dabei muss es unerheblich sein, ob die Erträge aus solchen Kapitallebensversicherungen von einem berufsständischen Versorgungswerk oder einem anderen Anbieter ausgezahlt werden. Im Streitfall waren die Erträge aus der Kapitalversorgung, ausgestaltet als Kapitallebensversicherung, somit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu besteuern und blieben, da der Auszahlungsbetrag ausschließlich auf Beiträgen für eine Kapitallebensversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12. 2004 geltenden Fassung beruhte, nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG 2004 steuerfrei.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.