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Rechtsberatung

Kein Anspruch auf Zahlung freiwilliger Zuwendungen für ehemaliges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft

BGH v. 24.9.2019 - II ZR 192/18

Die Ver­ein­ba­rung in dem Dienst­ver­trag des Vor­stands ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft, nach der der Auf­sichts­rat ihm Son­der­leis­tun­gen nach bil­li­gem Er­mes­sen be­wil­li­gen kann, es sich da­bei um frei­wil­lige Zu­wen­dun­gen han­delt und aus ih­nen kein Rechts­an­spruch ab­ge­lei­tet wer­den kann, begründet kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner va­ria­blen Vergütung. Eine sol­che Klau­sel hält der In­halts­kon­trolle nach § 307 (Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1) BGB stand.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war seit Au­gust 1998 als Ar­beit­neh­mer für die be­klagte Ak­ti­en­ge­sell­schaft tätig. Sein Ar­beits­ver­trag sah ne­ben ei­ner Grund­vergütung auch die Zah­lung ei­nes Er­mes­sens­bo­nus vor. Zum 1.5.2006 be­rief die Be­klagte den Kläger für zunächst zwei Jahre in ih­ren Vor­stand. Da­bei wurde ne­ben dem Ru­hen des Ar­beits­ver­trags ver­ein­bart, dass die ma­te­ri­el­len Be­din­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses wei­ter gel­ten soll­ten. Am 18.6.2010 schlos­sen die Par­teien einen An­stel­lungs­ver­trag als Mit­glied des Vor­stands, für das nach der Präam­bel mit Wir­kung zum 1.5.2010 die neuen Be­din­gun­gen die­ser Ver­ein­ba­rung gel­ten soll­ten. Hin­sicht­lich der Vergütung ent­hielt der Vor­stands­dienst­ver­trag fol­gende Re­ge­lun­gen:

"§ 3 Vergütung
(1) Das Vor­stands­mit­glied erhält für seine Tätig­keit ein Jah­res­brut­to­grund­ge­halt in Höhe von EUR 325.000, wel­ches in zwölf glei­chen Mo­nats­ra­ten in Höhe von je EUR 27.083,33 brutto aus­ge­zahlt wird.
(2) Die An­ge­mes­sen­heit des Jah­res­brut­to­grund­ge­halts wird re­gelmäßig überprüft. Darüber hin­aus kann der Auf­sichts­rat kraft Ge­set­zes be­rech­tigt sein, die Vergütung des Vor­stands­mit­glieds zu re­du­zie­ren, so­fern die dies­bezügli­chen ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind.
(3) Der Auf­sichts­rat kann nach bil­li­gem Er­mes­sen und im Ein­klang mit gel­ten­dem Recht (ins­be­son­dere § 87 AktG, so­weit an­wend­bar) zusätz­lich zum Jah­res­brut­to­grund­ge­halt Son­der­leis­tun­gen, Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder ähn­li­ches ein­ma­lig oder wie­der­holt gewähren. Bei die­sen Son­der­leis­tun­gen, Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder ähn­li­chem han­delt es sich in je­dem Falle um frei­wil­lige Zu­wen­dun­gen. Ein Rechts­an­spruch kann aus ih­nen nicht ab­ge­lei­tet wer­den. Sol­che Son­der­zu­wen­dun­gen, Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder ähn­li­ches können auch für außer­or­dent­li­che Leis­tun­gen des Vor­stands­mit­glieds gewährt wer­den."

Der Kläger er­hielt auf der Grund­lage vor­an­ge­gan­ge­ner Dienst­verträge, die in dem maßgeb­li­chen Punkt ab­wei­chend for­mu­liert wa­ren, für die Jahre bis 2009 je­weils va­ria­ble Vergütun­gen in Form von Boni. Für das Jahr 2010 er­hielt der Kläger eine Vergütung i.H.v. 1,2 Mio. US-Dol­lar, die sich aus der Jah­res­grund­vergütung i.H.v. 325.000 € und einem Bo­nus zu­sam­men­setzte. Der Kläger kündigte sein Dienst­verhält­nis mit der Be­klag­ten am 31.3.2011 mit Wir­kung zum 30.9.2011, um zu ei­ner Wett­be­wer­be­rin der Be­klag­ten zu wech­seln. Er legte sein Amt als Vor­stands­mit­glied der Be­klag­ten vor­zei­tig nie­der und wurde ab dem 20.5.2011 frei­ge­stellt.

Der Kläger hat zunächst im Wege der Stu­fen­klage die Zah­lung ei­nes Bo­nus für 2011 be­gehrt. Das LG wies die Klage ab. Auf die Be­ru­fung des Klägers, mit der er die Zah­lung ei­nes der Höhe nach in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­ten Bo­nus von min­des­tens 600.000 € be­gehrt hat, gab das OLG der Klage in­so­weit statt, als dass es die Be­klagte un­ter Kla­ge­ab­wei­sung im Übri­gen zur Zah­lung von 500.000 € ver­ur­teilte. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des LG zurück.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ge­gen die Be­klagte kein An­spruch auf Zah­lung ei­ner va­ria­blen Vergütung für das Jahr 2011 zu.

Ein An­spruch des Klägers er­gibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 des zwi­schen den Par­teien ge­schlos­se­nen Vor­stands­dienst­ver­trags vom 18.6.2010. Die Ver­ein­ba­rung im Ver­trag, nach der der Auf­sichts­rat Son­der­leis­tun­gen nach bil­li­gem Er­mes­sen be­wil­li­gen kann, es sich da­bei um frei­wil­lige Zu­wen­dun­gen han­delt und aus ih­nen kein Rechts­an­spruch ab­ge­lei­tet wer­den kann, begründet kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner va­ria­blen Vergütung. Die Klau­sel hält der In­halts­kon­trolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB stand.

Rechts­feh­ler­frei ist das OLG zunächst da­von aus­ge­gan­gen, dass es sich bei § 3 Abs. 3 des Vor­stands­dienst­ver­trags um eine von der Be­klag­ten ge­stellte AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB han­delt. Zu­tref­fend ist es ent­ge­gen der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass § 3 Abs. 3 des Vor­stands­dienst­ver­trags dem Kläger we­der einen An­spruch auf Zah­lung ei­ner va­ria­blen Vergütung noch auf eine Er­mes­sens­ent­schei­dung des Auf­sichts­rats über die Gewährung ei­ner sol­chen va­ria­blen Vergütung gewährt. Nach sei­nem Wort­laut gewährt § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vor­stands­dienst­ver­trags dem Kläger un­abhängig von dem Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt in Satz 2 we­der einen An­spruch auf Zah­lung ei­ner va­ria­blen Vergütung noch eine Er­mes­sens­ent­schei­dung des Auf­sichts­rats darüber. Aus der For­mu­lie­rung "kann gewähren" er­gibt sich hin­rei­chend deut­lich, dass der Auf­sichts­rat in sei­ner Ent­schei­dung über die Gewährung von Son­der­leis­tun­gen, Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder Ähn­li­chem frei sein soll. Die Sätze 2 und 3 des § 3 Abs. 3 ver­deut­li­chen dies zusätz­lich. In Satz 2 ist ausdrück­lich ge­re­gelt, dass es sich bei Leis­tun­gen nach Satz 1 in je­dem Fall um frei­wil­lige Zu­wen­dun­gen han­delt und in Satz 3, dass aus ih­nen ein Rechts­an­spruch nicht ab­ge­lei­tet wer­den kann.

Die Re­ge­lung gewährt auch kei­nen Bil­lig­keits­an­spruch auf eine Zu­wen­dung. Da die Ent­schei­dung über die Gewährung ei­ner Son­der­zu­wen­dung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vor­stands­dienst­ver­trags im Er­mes­sen des Auf­sichts­rats steht, schränkt es die Ent­schei­dung des Auf­sichts­rats über das "Ob" ei­ner zusätz­li­chen Vergütung nicht ein, dass die Son­der­zu­wen­dung nach bil­li­gem Er­mes­sen gewährt wer­den kann. Et­was an­de­res er­gibt sich ent­ge­gen der von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat er­ho­be­nen Ge­genrüge auch nicht aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang der ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen, nämlich der For­mu­lie­rung "Jah­res­brut­to­grund­ge­halt" in § 3 Abs. 1 des Vor­stands­dienst­ver­trags. Aus der Be­zeich­nung als Grund­ge­halt ist nicht zu schließen, dass die Par­teien eine Ge­samt­vergütung ("to­tal com­pen­sa­tion") ver­ein­bart ha­ben, die sich aus der in § 3 Abs. 1 des Vor­stands­dienst­ver­trags ver­ein­bar­ten Fix­vergütung und der in § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vor­stands­dienst­ver­trags ver­ein­bar­ten Son­der­leis­tung zu­sam­men­setzt. Aus dem Zu­sam­men­spiel von § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 des Vor-stands­dienst­ver­trags er­gibt sich viel­mehr, dass zum Jah­res­brut­to­grund­ge­halt wei­tere Son­der­leis­tun­gen hin­zu­kom­men können, aber nicht hin­zu­kom­men müssen.

Aus­ge­hend von die­sem Verständ­nis der dienst­ver­trag­li­chen Re­ge­lung, wo­nach be­reits kein An­spruch auf Leis­tung ei­ner va­ria­blen Vergütung im Vor­stands­dienst­ver­trag oder auf eine Er­mes­sens­ent­schei­dung ver­ein­bart ist, hält die An­nahme des OLG, der an­spruchs­aus­schließende Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt in § 3 Abs. 3 des Vor­stands­dienst­ver­trags sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam, da er den Kläger un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­lige, so dass der Kläger einen An­spruch auf eine Er­mes­sens­ent­schei­dung über eine Bo­nus­zah­lung für das Ge­schäfts­jahr 2011 habe, re­vi­si­ons­recht­li­cher Nachprüfung nicht stand. Die AGB-recht­li­che Wirk­sam­keits­kon­trolle nach §§ 305 ff. BGB kann auf der Rechts­fol­gen­seite nicht dazu führen, dass ein An­spruch des Klägers auf die Gewährung ei­ner va­ria­blen Vergütung in Form des vom OLG zu­er­kann­ten Er­mes­sens­bo­nus ent­steht, wenn die Klau­sel im Vor­stands­dienst­ver­trag, dass die Leis­tung frei­wil­lig ist und kein Rechts­an­spruch be­steht, un­wirk­sam ist, § 306 Abs. 1 und 2 BGB. Würden § 3 Abs. 3 Satz 2 und 3 des Vor­stands­dienst­ver­trags er­satz­los ge­stri­chen, ent­hielte der Ver­trag den­noch kei­nen Rechts­an­spruch des Klägers auf eine va­ria­ble Vergütung. § 3 Abs. 3 des Vor­stands­dienst­ver­trags hält auch ei­ner In­halts­kon­trolle nach §§ 307 ff. BGB stand. Die Un­wirk­sam­keit der Klau­sel er­gibt sich we­der aus der Ge­ne­ralklau­sel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

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