Der Sachverhalt:
Im März 2006 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt meldete zuletzt unter dem 16.8.2008 Umsatzsteuerforderungen i.H.v. rd. 5.000 € für März 2006 zur Insolvenztabelle an. Zugunsten der GmbH setzte das Finanzamt im September 2008 gem. § 37 Abs. 5 KStG ein Körperschaftsteuerguthaben i.H.v. rd. 5.000 € fest. Das Guthaben sollte in zehn Raten zu je 500 € jeweils zum 30. September bis zum Jahr 2017 ausgezahlt werden.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Auszahlungsbeträge zur Körperschaftsteuer 2010 und 2011 seien wegen des insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht durch Aufrechnung erloschen. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat den Abrechnungsbescheid zu Unrecht geändert. Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens hat das Finanzamt wirksam gegenüber der Klägerin mit seiner Umsatzsteuerforderung aus 2006 gegen die GmbH aufgerechnet. Dadurch sind die der Klägerin abgetretenen Forderungen aus Körperschaftsteuerguthaben 2010 und 2011 erloschen.
Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gilt nur während des Insolvenzverfahrens; nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können Insolvenzgläubiger gem. § 201 Abs. 1 InsO ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Hiernach kann ein Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners erklären, die zwar während des Insolvenzverfahrens begründet, jedoch nicht ermittelt bzw. nicht beigetrieben wurden und über die der Schuldner nunmehr wieder frei verfügen kann, da sie nicht mehr der Insolvenzbeschlagnahme (§ 80 Abs. 1 InsO) unterliegen. Gleiches gilt nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 215 InsO.
Der Insolvenzverwalter hat die zukünftigen Körperschaftsteuererstattungsansprüche der Klägerin abgetreten, die infolgedessen Gläubigerin der Ansprüche geworden ist. Eine Aufrechnung gegen diese Ansprüche ist gem. § 406 BGB zulässig, der über § 226 AO auch im Abgabenrecht gilt. Bei § 406 BGB handelt es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Schuldners, die sein Vertrauen in eine gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehende Aufrechnungslage sowie die Aussicht auf eine künftig möglicherweise entstehende Aufrechnungslage schützt; die Rechtsstellung des Schuldners darf sich durch die Abtretung nicht verschlechtern. Die Rechtsstellung des Schuldners verschlechterte sich aber, wenn aus einem ohne die Abtretung bestehenden zeitlich begrenzten Aufrechnungsverbot ein im Fall der Abtretung unbefristetes Aufrechnungsverbot würde. Eine Ausnahme gem.§ 406 Halbs. 2 BGB ist vorliegend nicht gegeben.
Ein zeitlich unbeschränktes Aufrechnungsverbot im Fall einer Abtretung lässt sich weder mit den anzuwendenden Vorschriften noch mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens rechtfertigen. Will der Insolvenzverwalter das Verfahren beenden, aber gleichwohl künftig entstehende Forderungen zur Masse ziehen, kann er gem. § 203 InsO bzw. § 211 Abs. 3 InsO die Anordnung der Nachtragsverteilung beantragen. Zieht er stattdessen die Verwertung der künftigen Forderungen durch Abtretung vor, sind die dahinter stehenden praktischen Erwägungen bzw. Schwierigkeiten bei der Masseverwertung nicht geeignet, die Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB zu suspendieren. Der Zessionar trägt nach § 406 BGB das Risiko einer "Belastung" der ihm abgetretenen Forderung insoweit, als gegen sie auch mit gegenüber dem Zedenten bestehenden Ansprüchen aufgerechnet werden kann.
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