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Kein Billigkeitserlass bei unionsrechtswidrigem - aber rechtskräftigem Urteil

BFH 21.1.2015, X R 40/12

Es ist we­der er­mes­sens­feh­ler­haft noch verstößt es ge­gen Uni­ons­recht, wenn die Fi­nanz­ver­wal­tung eine Steuer nicht er­stat­tet, die auf einem zwar uni­ons­rechts­wid­ri­gen, aber durch letzt­in­stanz­li­ches Ur­teil des BFH bestätig­ten Steu­er­be­scheid be­ruht. Die Mit­glied­staa­ten müssen je­doch das Äqui­va­lenz­prin­zip so­wie den Ef­fek­ti­vitätsgrund­satz be­ach­ten, d.h. sie haf­ten bei Ver­let­zun­gen ge­gen das Uni­ons­recht und müssen der­ar­tige Ver­let­zun­gen wie Verstöße ge­gen na­tio­na­les Recht be­han­deln. Bei uni­ons­rechts­wid­ri­gen Ur­tei­len haf­ten sie aber nur bei ei­ner of­fen­kun­di­gen Ver­let­zung des Uni­ons­rechts.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger mach­ten in ih­ren Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen für die Jahre 1992 bis 1999 je­weils Schul­geld­zah­lun­gen als Son­der­aus­ga­ben gel­tend, die da­durch ent­stan­den wa­ren, dass ihr Sohn eine Pri­vat­schule in Großbri­tan­nien be­sucht hatte. Das Fi­nanz­amt ließ die Auf­wen­dun­gen nicht zum Ab­zug zu. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Der BFH wies im Jahr 1997 die Re­vi­sion der Kläger ge­gen das kla­ge­ab­wei­sende Ur­teil zurück, ohne die Streit­sa­che dem EuGH vor­zu­le­gen.

Im Sep­tem­ber 2007 ent­schied der EuGH (C-76/05 - Schwarz/Goot­jes-Schwarz-), die Dienst­leis­tungs­frei­heit werde ver­letzt, wenn Schul­geld nur bei Zah­lun­gen an inländi­sche Pri­vat­schu­len als Son­der­aus­ga­ben ab­zieh­bar sei. Den dar­auf­hin ge­stell­ten An­trag der Kläger auf Ände­rung des Steu­er­be­scheids 1992 lehnte das Fi­nanz­amt ab. Klage und Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde blie­ben ohne Er­folg.

Die Gründe:
Es war nicht un­bil­lig i.S.d. § 227 AO, den Klägern die Ein­kom­men­steuer nicht zu er­stat­ten, die dar­auf be­ruhte, dass ih­nen der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug des an die bri­ti­sche Pri­vat­schule ge­zahl­ten Schul­gelds ver­wehrt wor­den war, ob­wohl dies vom Uni­ons­recht ge­for­dert ge­we­sen wäre.

Bei einem Steu­er­er­lass aus sach­li­chen Bil­lig­keitsgründen müssen die Wer­tun­gen des deut­schen Ge­setz­ge­bers so­wie des Uni­ons­rechts be­ach­tet wer­den. Der Be­stands- und Rechts­kraft kommt im deut­schen Ver­fah­rens­recht ein ho­her Stel­len­wert zu. Auch nach EuGH-Auf­fas­sung be­steht keine grundsätz­li­che Ver­pflich­tung, eine uni­ons­rechts­wid­rige, aber rechtskräftige Ent­schei­dung auf­zu­he­ben, selbst wenn die Vor­la­ge­pflicht ver­letzt wurde. Die Mit­glied­staa­ten müssen je­doch das Äqui­va­lenz­prin­zip so­wie den Ef­fek­ti­vitätsgrund­satz be­ach­ten, d.h. sie haf­ten bei Ver­let­zun­gen ge­gen das Uni­ons­recht und müssen der­ar­tige Ver­let­zun­gen wie Verstöße ge­gen na­tio­na­les Recht be­han­deln. Bei uni­ons­rechts­wid­ri­gen Ur­tei­len haf­ten sie aber nur bei ei­ner of­fen­kun­di­gen Ver­let­zung des Uni­ons­rechts.

Eine sol­che of­fen­kun­dige Ver­let­zung konnte im vor­lie­gen­den Fall ver­neint wer­den. Der BFH hatte im Jahr 1997 we­der un­ter of­fen­kun­di­ger Ver­ken­nung des Uni­ons­rechts den An­wen­dungs­be­reich der Dienst­leis­tungs­frei­heit für Bil­dungs­leis­tun­gen der Pri­vat­schu­len zu Un­recht ver­neint noch of­fen­kun­dig seine Vor­la­ge­pflicht ver­letzt. Die Wei­ge­rung des Fi­nanz­am­tes, die Steu­ern aus Bil­lig­keitsgründen zu er­las­sen, war so­mit nicht er­mes­sens­feh­ler­haft. Es be­stand auch keine Ver­an­las­sung, ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen an den EuGH zu rich­ten. Denn die Überprüfung behörd­li­cher Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen ob­liegt - auch nach EuGH-Recht­spre­chung - den na­tio­na­len Ge­rich­ten.

Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat mit dem Jah­res­steu­er­ge­setz 2009 auf die EuGH-Recht­spre­chung zu Schul­geld­zah­lun­gen rea­giert. Dem­nach sind seit­her gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auch Schul­geld­zah­lun­gen an Pri­vat­schu­len in einem EU-Mit­glied­staat oder in einem Staat des Eu­ropäischen Wirt­schafts­rau­mes in einem be­stimm­ten Um­fang als Son­der­aus­ga­ben ab­zieh­bar.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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