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Kein Kindergeld für eine nicht sozialversicherte Person bei Anspruch auf Familienleistungen im EU-Ausland

BFH 13.11.2014, III R 1/13

Der An­spruch auf Kin­der­geld nach deut­schem Recht für ein im EU-Aus­land le­ben­des Kind ist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus­ge­schlos­sen, wenn für das Kind ein An­spruch auf ausländi­sche Leis­tun­gen be­steht, die dem Kin­der­geld ver­gleich­bar sind, und der An­spruch­stel­ler nicht vom An­wen­dungs­be­reich der VO (EWG) Nr. 1408/71 er­fasst wird, weil er nicht in einem So­zi­al­ver­si­che­rungs­sys­tem ver­si­chert ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist pol­ni­sche Staats­an­gehörige. Sie lebte in Deutsch­land, ihr Ehe­mann wohnte mit den drei ge­mein­sa­men Kin­dern, die in den Jah­ren 1982, 1988 und 1989 ge­bo­ren sind, in Po­len. Die Kläge­rin übte in Deutsch­land das Ge­werbe "Be­treu­ung von Be­hin­der­ten und älte­ren Men­schen, Rei­ni­gung so­wie Büro­ser­vice" aus. Sie war we­der in Deutsch­land noch in Po­len so­zi­al­ver­si­chert. Dem Ehe­mann der Kläge­rin, der in Po­len nicht er­werbstätig war, stan­den im strei­ti­gen Zeit­raum - Juni 2005 bis Juli 2006 - pol­ni­sche Fa­mi­li­en­leis­tun­gen für die Kin­der zu.

Die Kläge­rin be­an­tragte in Deutsch­land Kin­der­geld. Die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse setzte Kin­der­geld ab Juni 2005 für die drei Kin­der von je­weils 77 € mtl. fest, so­mit in Höhe der Hälfte des da­mals ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Be­trags. Im Ver­lauf des an­schließen­den Kla­ge­ver­fah­rens half die Fa­mi­li­en­kasse dem kläge­ri­schen Be­geh­ren hin­sicht­lich der im Jahr 1982 ge­bo­re­nen Toch­ter E ab und gewährte in­so­weit das volle Kin­der­geld.

Das FG wies die Klage, die sich nun­mehr da­ge­gen rich­tete, dass die Fa­mi­li­en­kasse das Kin­der­geld für die bei­den an­de­ren Kin­der (B und C) nicht in vol­ler Höhe gewährte, ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht einen An­spruch der Kläge­rin auf Kin­der­geld in vol­ler Höhe ver­neint. Ein sol­cher An­spruch wird nach deut­schem Recht durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus­ge­schlos­sen und er­gibt sich auch nicht aus Uni­ons­recht. Auf die Gründe, wes­halb die Fa­mi­li­en­kasse Kin­der­geld in hal­ber Höhe gewährt hat, kommt es nicht an.

Die Kläge­rin hatte dem Grunde nach einen An­spruch auf Kin­der­geld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 3 EStG für die bei­den min­derjähri­gen, in Po­len le­ben­den Kin­der B und C. Sie hatte ih­ren Wohn­sitz in Deutsch­land, die Kin­der hat­ten ih­ren Wohn­sitz in Po­len und da­mit in einem Land der EU. Ein An­spruch auf Kin­der­geld in Höhe des nach § 66 EStG vor­ge­se­he­nen Be­trags von 154 € wird al­ler­dings durch § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG aus­ge­schlos­sen. Hier­nach wird kein Kin­der­geld für ein Kind ge­zahlt, für das im Aus­land Leis­tun­gen ge­zahlt wer­den oder bei An­trag­stel­lung zu zah­len wären, die dem Kin­der­geld ver­gleich­bar sind. Die Vor­schrift ist mit Ver­fas­sungs­recht ver­ein­bar.

Nach den Fest­stel­lun­gen des FG be­stand in Po­len ein An­spruch auf pol­ni­sche Fa­mi­li­en­leis­tun­gen, die dem deut­schen Kin­der­geld ver­gleich­bar sind. Zu­tref­fend hat das FG ent­schie­den, dass es nicht dar­auf an­kommt, ob die Leis­tun­gen tatsäch­lich be­an­tragt wur­den. Ein An­spruch auf Kin­der­geld nach deut­schem Recht in vol­ler Höhe er­gibt sich auch nicht aus uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben. Die An­sprüche auf Kin­der­geld nach deut­schem Recht und auf Fa­mi­li­en­leis­tun­gen nach pol­ni­schem Recht sind nicht nach uni­ons­recht­li­chen Vor­schrif­ten zu ko­or­di­nie­ren. Die VO Nr. 1408/71, die im strei­ti­gen Zeit­raum noch galt, ist im Streit­fall nicht an­zu­wen­den, da der persönli­che An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung nicht eröff­net ist.

Vor­lie­gend war die Kläge­rin we­der in Deutsch­land noch in Po­len in einem Zweig der So­zi­al­ver­si­che­rung ver­si­chert. Der persönli­che An­wen­dungs­be­reich der VO Nr. 1408/71 ist für die Kläge­rin so­mit nicht eröff­net. Die Ko­or­di­nie­rungs­re­ge­lun­gen nach Art. 13 ff. die­ser Ver­ord­nung sind nicht an­wend­bar, ebenso we­nig die An­ti­ku­mu­lie­rungs­vor­schrift des Art. 10 der Ver­ord­nung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Ver­ord­nung (EWG) Nr. 1408/71 zur An­wen­dung der Sys­teme der so­zia­len Si­cher­heit auf Ar­beit­neh­mer und Selbständige so­wie de­ren Fa­mi­li­en­an­gehörige, die in­ner­halb der Ge­mein­schaft zu- und ab­wan­dern. Im Übri­gen ist aus dem Primärrecht der EU eben­falls kein An­spruch auf Kin­der­geld in Höhe der Sätze nach § 66 EStG ab­zu­lei­ten.

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