Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie lebte in Deutschland, ihr Ehemann wohnte mit den drei gemeinsamen Kindern, die in den Jahren 1982, 1988 und 1989 geboren sind, in Polen. Die Klägerin übte in Deutschland das Gewerbe "Betreuung von Behinderten und älteren Menschen, Reinigung sowie Büroservice" aus. Sie war weder in Deutschland noch in Polen sozialversichert. Dem Ehemann der Klägerin, der in Polen nicht erwerbstätig war, standen im streitigen Zeitraum - Juni 2005 bis Juli 2006 - polnische Familienleistungen für die Kinder zu.
Das FG wies die Klage, die sich nunmehr dagegen richtete, dass die Familienkasse das Kindergeld für die beiden anderen Kinder (B und C) nicht in voller Höhe gewährte, ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Kindergeld in voller Höhe verneint. Ein solcher Anspruch wird nach deutschem Recht durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen und ergibt sich auch nicht aus Unionsrecht. Auf die Gründe, weshalb die Familienkasse Kindergeld in halber Höhe gewährt hat, kommt es nicht an.
Die Klägerin hatte dem Grunde nach einen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 3 EStG für die beiden minderjährigen, in Polen lebenden Kinder B und C. Sie hatte ihren Wohnsitz in Deutschland, die Kinder hatten ihren Wohnsitz in Polen und damit in einem Land der EU. Ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe des nach § 66 EStG vorgesehenen Betrags von 154 € wird allerdings durch § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Hiernach wird kein Kindergeld für ein Kind gezahlt, für das im Ausland Leistungen gezahlt werden oder bei Antragstellung zu zahlen wären, die dem Kindergeld vergleichbar sind. Die Vorschrift ist mit Verfassungsrecht vereinbar.
Nach den Feststellungen des FG bestand in Polen ein Anspruch auf polnische Familienleistungen, die dem deutschen Kindergeld vergleichbar sind. Zutreffend hat das FG entschieden, dass es nicht darauf ankommt, ob die Leistungen tatsächlich beantragt wurden. Ein Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht in voller Höhe ergibt sich auch nicht aus unionsrechtlichen Vorgaben. Die Ansprüche auf Kindergeld nach deutschem Recht und auf Familienleistungen nach polnischem Recht sind nicht nach unionsrechtlichen Vorschriften zu koordinieren. Die VO Nr. 1408/71, die im streitigen Zeitraum noch galt, ist im Streitfall nicht anzuwenden, da der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist.
Vorliegend war die Klägerin weder in Deutschland noch in Polen in einem Zweig der Sozialversicherung versichert. Der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 ist für die Klägerin somit nicht eröffnet. Die Koordinierungsregelungen nach Art. 13 ff. dieser Verordnung sind nicht anwendbar, ebenso wenig die Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Im Übrigen ist aus dem Primärrecht der EU ebenfalls kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der Sätze nach § 66 EStG abzuleiten.
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht. http://www.bundesfinanzhof.de
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