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Steuerberatung

Kein Kindergeldanspruch mangels einheitlicher Erstausbildung

Niedersächsisches FG 22.9.2018, 12 K 61/17

Eine einjährige Be­rufstätig­keit im er­lern­ten Aus­bil­dungs­be­ruf, die Vor­aus­set­zung für einen wei­te­ren Aus­bil­dungs­ab­schnitt ist, stellt eine Zäsur dar, die den en­gen Zu­sam­men­hang ei­ner mehr­ak­ti­gen Aus­bil­dungsmaßnahme für Zwecke ei­ner ein­heit­li­chen Erst­aus­bil­dung ent­fal­len lässt. Denn ein­zelne Aus­bil­dungs­ab­schnitte können re­gelmäßig nicht mehr in­te­gra­tive Teile ei­ner ein­heit­li­chen Aus­bil­dung sein, wenn eine Be­rufstätig­keit zwi­schen den ein­zel­nen Aus­bil­dungs­ab­schnit­ten auf­ge­nom­men wird, die nicht nur der zeit­li­chen Überbrückung bis zum Be­ginn der nächs­ten Aus­bil­dung dient.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist die Mut­ter des im Streit­zeit­raum volljähri­gen Kin­des. Das Kind ab­sol­vierte zunächst eine Aus­bil­dung als Land­wirt. Für die Dauer der Aus­bil­dung gewährte die Fa­mi­li­en­kasse der Kläge­rin Kin­der­geld. Mit Be­scheid aus Mai hob sie die Kin­der­geld­fest­set­zung ab dem Mo­nat Juli gem. § 70 Abs. 2 EStG auf. Zur Begründung führte die Fa­mi­li­en­kasse aus, dass das Kind im Mo­nat Juni seine Be­rufs­aus­bil­dung be­en­den werde. Im Nach­gang hierzu be­an­tragte die Kläge­rin Kin­der­geld ab dem Mo­nat Au­gust und teilte mit, dass das Aus­bil­dungs­verhält­nis am 31.7. be­en­det wor­den sei. Das Kind ab­sol­viere nun­mehr ein Pra­xis­jahr. Ab Au­gust des Fol­ge­jah­res werde das Kind die land­wirt­schaft­li­che Fach­schule be­su­chen.

Die Fa­mi­li­en­kasse hob so­dann die Kin­der­geld­fest­set­zung für das Kind ab dem Mo­nat Au­gust auf. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind nicht wei­ter berück­sich­tigt wer­den könne, da es die be­son­de­ren An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Das Kind habe die Be­rufs­aus­bil­dung im Juli be­en­det und be­finde sich so­mit nicht mehr in Aus­bil­dung (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Für den Mo­nat Juli kündigte die Fa­mi­li­en­kasse eine Nach­zah­lung an. Mit Schrei­ben vom sel­ben Tag teilte die Fa­mi­li­en­kasse der Kläge­rin mit, dass über ih­ren An­spruch auf Kin­der­geld ab Au­gust noch nicht endgültig ent­schie­den wer­den könne, weil noch Un­ter­la­gen für das Kind feh­len würden. So fehle u.a. ein Nach­weis, aus dem her­vor­gehe, dass das Pra­xis­jahr als Zu­gangs­vor­aus­set­zung für den Be­such der Fach­schule im Fol­ge­jahr zwin­gend er­for­der­lich sei (Zu­las­sungs­be­stim­mun­gen).

Mit Erklärung zu den Verhält­nis­sen ei­nes über 18 Jahre al­ten Kin­des erklärte die Kläge­rin so­dann, dass das Kind nicht ar­beits­los ge­mel­det sei, es seine Aus­bil­dung fort­set­zen werde und einen Ab­schluss als staat­lich geprüfter Wirt­schaf­ter/Be­triebs­wirt an­strebe. Im Zeit­raum 1.8. bis 31.7. des Fol­ge­jah­res be­finde sich das Kind in einem Pra­xis­jahr auf dem el­ter­li­chen Hof. Einen Ver­trag gebe es nicht. Die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit be­trage 40 Stun­den. Zu­dem teilte die Kläge­rin mit, dass das Kind Un­ter­kunft, Ver­pfle­gung und Ta­schen­geld be­komme. Er sei über die Kläge­rin fa­mi­li­en­ver­si­chert. Zu­dem über­reichte die Kläge­rin eine Be­schrei­bung für die zweijährige Aus­bil­dung zum staat­lich geprüften Be­triebs­wirt. Da­nach sei u.a. der Nach­weis ei­nes Pra­xis­jah­res nach Ab­schluss der Aus­bil­dung Auf­nah­me­vor­aus­set­zung. Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte den An­trag auf Kin­der­geld für das Kind ab dem Mo­nat Au­gust ab. Das Kind erfülle die be­son­de­ren An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen nach § 32 Abs. 4 EStG nicht.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Die Fa­mi­li­en­kasse hat zu Recht die Kin­der­geld­fest­set­zung für das Kind für den Zeit­raum Au­gust bis März des Fol­ge­jah­res ab­ge­lehnt. Das Kind, das be­reits das 18. Le­bens­jahr voll­en­det hat, erfüllt in dem strei­ti­gen Zeit­raum nicht die be­son­de­ren An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für die kin­der­geld­recht­li­che Berück­sich­ti­gung ei­nes volljähri­gen Kin­des nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 EStG.

Das Kind hat seine erst­ma­lige Be­rufs­aus­bil­dung im Juli ab­ge­schlos­sen. Die Vor­aus­set­zung "Ab­schluss ei­ner erst­ma­li­gen Be­rufs­aus­bil­dung" i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG liegt erst dann vor, wenn das Kind befähigt ist, einen von ihm an­ge­streb­ten Be­ruf auszuüben. Dies hat zur Folge, dass auch erst dann der Ver­brauch der Erst­aus­bil­dung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ein­tre­ten kann. Da es im Rah­men des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auf das an­ge­strebte Be­rufs­ziel des Kin­des an­kommt, muss der Tat­be­stand "Ab­schluss ei­ner erst­ma­li­gen Be­rufs­aus­bil­dung" nicht be­reits mit dem ers­ten (ob­jek­tiv) be­rufs­qua­li­fi­zie­ren­den Ab­schluss erfüllt sein. Dies folgt u.a. aus ei­ner ge­genüber § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG en­ge­ren Aus­le­gung des Be­rufs­aus­bil­dungs­be­griffs. Ob be­reits der er­ste (ob­jek­tiv) be­rufs­qua­li­fi­zie­rende Ab­schluss zum Ver­brauch der Erst­aus­bil­dung führt oder ob bei ei­ner mehr­ak­ti­gen Aus­bil­dung auch ein nach­fol­gen­der Ab­schluss Teil der Erst­aus­bil­dung sein kann, rich­tet sich da­nach, ob sich der er­ste Ab­schluss als in­te­gra­ti­ver Be­stand­teil ei­nes ein­heit­li­chen Aus­bil­dungs­gangs dar­stellt.

Mehr­ak­tige Aus­bil­dungsmaßnah­men sind dann als Teil ei­ner ein­heit­li­chen Erst­aus­bil­dung zu qua­li­fi­zie­ren, wenn sie zeit­lich und in­halt­lich so auf­ein­an­der ab­ge­stimmt sind, dass die Aus­bil­dung nach Er­rei­chen des ers­ten Ab­schlus­ses fort­ge­setzt wer­den soll und das - von den El­tern und dem Kind - be­stimmte Be­rufs­ziel erst über den wei­terführen­den Ab­schluss er­reicht wer­den kann. Ist auf­grund ob­jek­ti­ver Be­weis­an­zei­chen er­kenn­bar, dass das Kind die für sein an­ge­streb­tes Be­rufs­ziel er­for­der­li­che Aus­bil­dung nicht be­reits mit dem ers­ten er­lang­ten Ab­schluss be­en­det hat, kann auch eine wei­terführende Aus­bil­dung noch als Teil der Erst­aus­bil­dung zu qua­li­fi­zie­ren sein. Da­von ist je­den­falls dann aus­zu­ge­hen, wenn die Aus­bil­dungs­ab­schnitte in einem en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hang zu­ein­an­der­ste­hen (z.B. die­selbe Be­rufs­sparte, der­selbe fach­li­che Be­reich) und im en­gen zeit­li­chen Zu­sam­men­hang durch­geführt wer­den.

Vor­lie­gend stel­len die Aus­bil­dung zum Land­wirt und die zweijährige Aus­bil­dung an der Fach­schule für Agrar­wis­sen­schaft - trotz des be­ste­hen­den sach­li­chen Zu­sam­men­hangs - keine Aus­bil­dungs­ein­heit dar, weil sich die zweijährige Fach­schule erst nach ei­ner einjähri­gen Be­rufstätig­keit an­schließen kann. Die zweijährige Aus­bil­dung an der Fach­schule für Agrar­wis­sen­schaft stellt eine die be­ruf­li­che Er­fah­rung berück­sich­ti­gende Zweit­aus­bil­dung dar. Die vor dem Be­ginn des zwei­ten Aus­bil­dungs­ab­schnitts er­for­der­li­che Be­rufstätig­keit führt zu einem Ein­schnitt (Zäsur), der nach der Recht­spre­chung des BFH den not­wen­di­gen en­gen Zu­sam­men­hang ent­fal­len lässt. Denn ein­zelne Aus­bil­dungs­ab­schnitte können re­gelmäßig nicht mehr in­te­gra­tive Teile ei­ner ein­heit­li­chen Aus­bil­dung sein, wenn - wie vor­lie­gend - eine Be­rufstätig­keit zwi­schen den ein­zel­nen Aus­bil­dungs­ab­schnit­ten auf­ge­nom­men wird, die nicht nur der zeit­li­chen Überbrückung bis zum Be­ginn der nächs­ten Aus­bil­dung dient. Seine Erst­aus­bil­dung hat das Kind da­her be­reits mit Ab­schluss der Aus­bil­dung zum Land­wirt ab­ge­schlos­sen.

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