Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Vater einer im September 1990 geborenen Tochter, für die er bis einschließlich Juni 2013 Kindergeld erhielt. Die Tochter absolvierte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, die sie am 21.6.2013 abschloss. Anschließend nahm sie eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb auf. Am 19.9.2013 meldete sie sich bei einer Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Steuern) in Teilzeitform an. Sie bekam eine Zusage für das Schuljahr 2014/2015. Zum 1.4.2014 wechselte sie in eine andere Steuerberatungskanzlei und arbeitete dort zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, die sie ab September 2014 auf 36 Stunden reduzierte. Am 20.8.2014 nahm die Tochter ihre Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft auf.
Nach § 9 der Prüfungsordnung der Steuerberaterkammer für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen zum Steuerfachwirt kann zur Prüfung zugelassen werden, wer mit Erfolg die Abschlussprüfung als "Steuerfachangestellter" abgelegt hat und eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens von mindestens drei Jahren bei einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Rechtsanwalt, einer Steuerberatungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Buchprüfungsgesellschaft oder Landwirtschaftlichen Buchstelle nachweisen kann. Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers von April 2016, ihm ab Juli 2013 Kindergeld für die Tochter zu gewähren, ab. Die Tochter habe sich bereits in einer Zweitausbildung befunden und sei einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Kindergeldanspruch für den Zeitraum Juli 2013 bis September 2015 zusteht.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 S. 3 EStG). Die im Zeitraum Juli 2013 bis September 2015 ausgeübte Tätigkeit ist keine i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, da lediglich eine Beschäftigung ohne überwiegenden Ausbildungscharakter vorlag. Eine Berücksichtigung wegen einer Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kam für den Zeitraum Juli 2013 bis August 2014 wegen Überschreiten der Höchstdauer von vier Monaten nicht in Betracht. Für den Zeitraum Juli 2013 bis August 2013 lagen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ebenfalls nicht vor, da für diesen Zeitraum keine Bemühungen der Tochter um einen Ausbildungsplatz vorlagen.
Die im Streitzeitraum von August 2014 bis September 2015 durchgeführte Fachschulausbildung erfüllte dagegen ohne weiteres die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Außerdem erfüllte die Tochter mit der Anmeldung im September 2013 bis August 2014 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG. Gleichwohl kam eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nicht in Betracht, da sie bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während der Zeiträume, in denen sie auf den Antritt der Ausbildung bei der Fachschule gewartet und in denen sie die Ausbildung an der Fachschule durchgeführt hat, einer schädlichen Erwerbstätigkeit i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nachgegangen war.
Die Ausbildung zur Steuerfachangestellten stellte hier bereits eine abgeschlossene erstmalige Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG dar. Die Tochter hatte weder im Anschluss an die Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten mit der Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft begonnen noch hatte sie sich für eine bereits im Jahr 2013 beginnende Ausbildung beworben. Schulorganisatorische oder andere objektive Gründe, die einer Aufnahme der Ausbildung im August 2013 statt erst im August 2014 entgegengestanden hätten, lagen ebenfalls nicht vor.
Vielmehr hatte die Tochter ihren ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss genutzt, um mit diesem im Rahmen einer regulären Erwerbstätigkeit ohne Ausbildungscharakter Einkünfte zu erzielen. Diese Erwerbstätigkeit erfolgte auch nicht nur in einem Überbrückungszeitraum zwischen dem Ende der Steuerfachangestelltenausbildung und dem nächstmöglichen Beginn der Fachschulausbildung und bildete somit eine zeitliche Zäsur zwischen zwei hierdurch verselbständigten Ausbildungen. Die von der Tochter ausgeübte Erwerbstätigkeit war auch anspruchsschädlich. Die in § 32 Abs. 4 S. 3 EStG vorgesehene 20-Stunden-Grenze wurde überschritten, da die wöchentliche Arbeitszeit der Tochter zunächst 40 und ab September 2014 36 Stunden betrug. Mangels festgestellter Ausbildungsinhalte lag auch kein Ausbildungsdienstverhältnis vor. Ebenso fehlte es an den Voraussetzungen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV.
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