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Kein pauschales Mindestentgelt für geduldete Überziehungen

BGH 25.10.2016, XI ZR 9/15 u.a.

Vor­for­mu­lierte Be­stim­mun­gen über ein pau­scha­les "Min­dest­ent­gelt" für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen (§ 505 BGB) zwi­schen einem Kre­dit­in­sti­tut und einem Ver­brau­cher sind un­wirk­sam. Der­ar­tige Klau­seln wei­chen von we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ab, denn der Preis für eine ge­dul­dete Über­zie­hung, bei der es sich um ein Ver­brau­cher­dar­le­hen han­delt, ist dem ge­setz­li­chen Leit­bild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB fol­gend ein Zins und da­mit al­lein eine lauf­zeit­abhängige Vergütung der Ka­pi­talüber­las­sung, in die der Auf­wand für die Be­ar­bei­tung ein­zu­prei­sen ist.

Der Sach­ver­halt:

+++XI ZR 9/15 +++
In die­sem Ver­fah­ren heißt es in den von der be­klag­ten Bank ver­wen­de­ten "Be­din­gun­gen für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen" aus­zugs­weise wie folgt:

"5. Die Höhe des Soll­zins­sat­zes für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen, der ab dem Zeit­punkt der Über­zie­hung anfällt, beträgt 16,50 % p.a. (Stand Au­gust 2012). Die Soll­zin­sen für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen fal­len nicht an, so­weit diese die Kos­ten der ge­dul­de­ten Über­zie­hung (siehe Nr. 8) nicht über­stei­gen.

8. Die Kos­ten für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen, die ab dem Zeit­punkt der Über­zie­hung an­fal­len, be­tra­gen 6,90 € (Stand Au­gust 2012) und wer­den im Falle ei­ner ge­dul­de­ten Über­zie­hung ein­mal pro Rech­nungs­ab­schluss be­rech­net. Die Kos­ten für ge­dul­dete Über­zie­hung fal­len je­doch nicht an, so­weit die an­ge­fal­le­nen Soll­zin­sen für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen diese Kos­ten über­stei­gen."

Der Kläger, ein Ver­brau­cher­schutz­ver­ein, ist der An­sicht, dass die Re­ge­lung un­ter Zif­fer 8 S. 1 der Be­din­gun­gen Ver­brau­cher un­an­ge­mes­sen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB be­nach­tei­ligt, und nimmt die Be­klagte auf Un­ter­las­sung der Ver­wen­dung die­ser Klau­sel in An­spruch.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

+++ XI ZR 387/15 +++
In die­sem Ver­fah­ren be­gehrt der kla­gende Ver­brau­cher­schutz­ver­ein von der be­klag­ten Ge­schäfts­bank die Un­ter­las­sung der Ver­wen­dung fol­gen­der Klau­sel:

"Die Bank be­rech­net für je­den Mo­nat, in wel­chem es auf dem Konto zu ei­ner ge­dul­de­ten Über­zie­hung kommt, ein Ent­gelt von 2,95 €, es sei denn, die an­ge­fal­le­nen Soll­zin­sen für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen über­stei­gen im Be­rech­nungs­mo­nat den Ent­gelt­be­trag von 2,95 €. Die an­ge­fal­le­nen Soll­zin­sen für ge­dul­dete Über­zie­hun­gen wer­den nicht in Rech­nung ge­stellt, wenn sie im Be­rech­nungs­mo­nat den Ent­gelt­be­trag von 2,95 € un­ter­schrei­ten." Der Kläger ist der An­sicht, dass die Klau­sel we­gen ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung von Ver­brau­chern un­wirk­sam sei.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und gab Klage statt.

Die Gründe:
Die in den bei­den Ver­fah­ren in Streit ste­hen­den Be­stim­mun­gen über das pau­schale "Min­dest­ent­gelt" für eine ge­dul­dete Über­zie­hung un­ter­lie­gen als AGB der ge­richt­li­chen In­halts­kon­trolle gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und hal­ten die­ser nicht stand, weil sie von we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ab­wei­chen und die Kun­den der Be­klag­ten ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen.

Die Klau­seln sind nicht als sog. Preis­haupt­rede ei­ner In­halts­kon­trolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ent­zo­gen. Viel­mehr han­delt es sich um Preis­ne­ben­ab­re­den, die ei­ner In­halts­kon­trolle un­ter­lie­gen. Denn in den Fällen, in de­nen das Min­dest­ent­gelt er­ho­ben wird, wird mit die­sem un­abhängig von der Lauf­zeit des Dar­le­hens ein Be­ar­bei­tungs­auf­wand der Bank auf den Kun­den ab­gewälzt. Die an­ge­grif­fe­nen Klau­seln wei­chen da­mit von we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ab. Denn der Preis für eine ge­dul­dete Über­zie­hung, bei der es sich um ein Ver­brau­cher­dar­le­hen han­delt, ist dem ge­setz­li­chen Leit­bild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB fol­gend ein Zins und da­mit al­lein eine lauf­zeit­abhängige Vergütung der Ka­pi­talüber­las­sung, in die der Auf­wand für die Be­ar­bei­tung ein­zu­prei­sen ist.

Die Klau­seln be­nach­tei­li­gen die Kun­den der Be­klag­ten auch in un­an­ge­mes­se­ner Weise, zu­mal sie ge­rade bei nied­ri­gen Über­zie­hungs­beträgen und kurzen Lauf­zei­ten zu un­verhält­nismäßigen Be­las­tun­gen führen. Denn bei ei­ner ge­dul­de­ten Über­zie­hung von 10 € für einen Tag und dem hierfür in Rech­nung zu stel­len­den Be­trag von 6,90 € in dem Ver­fah­ren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 € in dem Ver­fah­ren XI ZR 387/15 wäre ein Zins­satz von 25.185 Pro­zent p.a. bzw. von 10.767,5 Pro­zent p.a. zwi­schen den Par­teien zu ver­ein­ba­ren.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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