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Kein Vertrauensschutz bei rechtsirriger Auffassung der Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne

Hessisches FG 23.6.2016, 6 K 2397/12

Nach BFH-Recht­spre­chung kann ei­ner Ver­wal­tungs­an­wei­sung grundsätz­lich auch un­ter dem Ge­sichts­punkt von Treu und Glau­ben nicht die glei­che Wir­kung bei­ge­mes­sen wer­den wie ei­ner Rechts­norm oder ei­ner ver­bind­li­chen Zu­sage für den Ein­zel­fall. Der Grund­satz von Treu und Glau­ben greift selbst dann nicht, wenn die Fi­nanz­behörde über eine längere Zeit­spanne eine rechts­ir­rige Auf­fas­sung ver­tre­ten hat.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war im Jahr 1983 an Mul­ti­pler Skle­rose er­krankt. Nach­dem er be­reits viele Jahre auf die Be­nut­zung ei­nes Roll­stuhls an­ge­wie­sen war, wurde im Jahr 2005 eine hier­durch ver­ur­sachte fort­ge­schrit­tene Os­teo­po­rose fest­ge­stellt. Für den Kläger war im Streit­jahr 2011 ein Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis mit den Merk­zei­chen G, aG, H und RF aus­ge­stellt wor­den. Fer­ner war er der Pfle­ge­stufe III i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI zu­ge­ord­net. Für Auf­ent­halte außer­halb sei­ner Woh­nung über Nacht benötigt er im Kfz einen er­heb­li­chen Platz­be­darf für ver­schie­denste Hilfs­mit­tel so­wie für einen mo­bi­len Lif­ter zum Trans­fer ins Bett und einen Dusch-/Toi­let­ten­stuhl. Im Jahr 2007 hatte der Kläger einen Klein­bus er­wor­ben, der dar­auf­hin be­hin­der­ten­ge­recht um­ge­baut wurde. Der Um­bau ermöglichte es dem Kläger, in sei­nem Roll­stuhl sit­zend, der da­bei zwi­schen Vor­der- und Hin­ter­achse be­fes­tigt ist, mit­zu­fah­ren. Eine der­ar­tige Beförde­rung war nach einem At­test sei­nes Arz­tes die ein­zig mögli­che.

Der Kläger war im Streit­jahr be­rufstätig und nahm für die Fahr­ten von sei­ner Woh­nung zur Ar­beitsstätte die Dienste ei­nes Be­hin­der­ten­fahr­diens­tes in An­spruch. Hierfür er­hielt er von der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund Zu­schüsse in Höhe der Beförde­rungs­kos­ten. In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2011 machte der Kläger außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen gel­tend, dar­un­ter u.a. Kos­ten für be­hin­der­ten­be­dingte Fahr­ten, so­wie an­tei­lige Kos­ten für den be­hin­der­ten­ge­rech­ten Um­bau des Klein­bus. In den vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­ren seit 2007 hat­ten die Kläger die Fahr­zeu­gum­bau­kos­ten nicht ge­son­dert, son­dern als Teil der Ab­set­zung für Ab­nut­zung (AfA) der An­schaf­fungs­kos­ten bei der Er­mitt­lung der be­hin­der­ten­be­ding­ten Fahrt­kos­ten berück­sich­tigt, was durch das Fi­nanz­amt nicht be­an­stan­det wor­den war.

In dem Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2011 blie­ben die gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen für den Fahr­zeu­gum­bau gänz­lich un­berück­sich­tigt und wur­den die Auf­wen­dun­gen für be­hin­der­ten­be­dingte Fahr­ten nur teil­weise an­er­kannt. Letz­te­res ent­sprach berück­sich­tig­ten Fahrt­kos­ten von 0,30 €/km. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Al­ler­dings wurde  zur Fort­bil­dung des Rechts die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes wa­ren Fahrt­kos­ten nicht nur i.H.v. 0,30 €/km, son­dern i.H.v. 0,7733 € je ge­fah­re­ner Ki­lo­me­ter als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen an­zu­er­ken­nen.

Aus­nahms­weise wa­ren die außer­gewöhn­li­chen Be­las­tun­gen durch die Nut­zung ei­nes Kfz nicht auf den Pau­schal­satz von 0,30 € je Ki­lo­me­ter zu be­gren­zen. Außer­gewöhn­lich wa­ren die Umstände in­so­weit, als es dem Kläger auf­grund sei­ner Be­hin­de­rung nicht möglich ist, einen nor­ma­len Pkw zu nut­zen und selbst die Beförde­rung sit­zend im Roll­stuhl nur in aus­ge­such­ten Fahr­zeu­gen möglich ist, um dem Er­for­der­nis, Er­schütte­run­gen weit­ge­hend zu ver­hin­dern, ge­recht zu wer­den. Die bei der Beförde­rung des Klägers zu be­ach­ten­den Be­son­der­hei­ten führ­ten zu über­durch­schnitt­li­chen Auf­wen­dun­gen. Ins­be­son­dere lag der Preis für ein Fahr­zeug, das von sei­ner Größe, sei­nem zulässi­gen Ge­samt­ge­wicht, sei­ner Mo­to­ren­leis­tung und da­mit der Möglich­keit des be­hin­der­ten­ge­rech­ten Um­baus den An­for­de­run­gen genügte, deut­lich über dem, den die Mehr­zahl körper­lich ein­ge­schränk­ten Per­so­nen für ein Fahr­zeug auf­wen­den muss. Es gab auch keine An­halts­punkte dafür, dass die gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen un­an­ge­mes­sen hoch wa­ren.

Als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen nicht zu berück­sich­ti­gen wa­ren hin­ge­gen die gel­tend ge­mach­ten an­tei­li­gen Kos­ten für den Fahr­zeu­gum­bau. Sind Auf­wen­dun­gen als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung an­zu­er­ken­nen, sind sie so­fort ab­zieh­bar, d.h. ent­spre­chende Aus­ga­ben für den Um­bau hätten gemäß den Grundsätzen in § 11 Abs. 2 S. 1 EStG nur in dem Jahr, in dem sie ge­leis­tet wur­den, berück­sich­tigt wer­den können. Dass für den maßgeb­li­chen Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2007 le­dig­lich ein An­teil der Um­bau­kos­ten als Teil der AfA des um­ge­bau­ten Fahr­zeugs von den Klägern in ih­rer Steu­er­erklärung gel­tend ge­macht und vom Fi­nanz­amt erklärungs­gemäß an­er­kannt wor­den war und auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Fol­ge­jahre bis ein­schließlich 2010 ein An­teil der Um­bau­kos­ten steu­er­lich noch kei­ner­lei Berück­sich­ti­gung ge­fun­den hatte, recht­fer­tigte keine an­der­wei­tige steu­er­recht­li­che Be­ur­tei­lung, ins­be­son­dere auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­trau­ens­schut­zes.

Der Kläger konnte sich nicht auf die Ver­wal­tungs­verfügun­gen der Ober­fi­nanz­di­rek­tion (OFD) Frank­furt a.M. be­ru­fen. Nach BFH-Recht­spre­chung kann ei­ner Ver­wal­tungs­an­wei­sung grundsätz­lich auch un­ter dem Ge­sichts­punkt von Treu und Glau­ben nicht die glei­che Wir­kung bei­ge­mes­sen wer­den wie ei­ner Rechts­norm oder ei­ner ver­bind­li­chen Zu­sage für den Ein­zel­fall. Eine Ver­wal­tungs­an­wei­sung al­lein ver­mag es auch nicht zu recht­fer­ti­gen, dass der Se­nat die Steu­ern ab­wei­chend von den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen fest­setzt. Dass das Fi­nanz­amt ge­genüber dem Kläger un­abhängig da­von die an­tei­li­gen Um­bau­kos­ten in den Ver­an­la­gungs­zeiträumen 2007 bis 2010 je­weils an­er­kannt hatte, reichte zur Begründung ei­nes schutzwürdi­gen Ver­trau­en­stat­be­stan­des al­leine nicht aus. Denn der Grund­satz von Treu und Glau­ben greift selbst dann nicht, wenn die Fi­nanz­behörde über eine längere Zeit­spanne eine rechts­ir­rige Auf­fas­sung ver­tre­ten hat.

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