Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Jahr 1983 an Multipler Sklerose erkrankt. Nachdem er bereits viele Jahre auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen war, wurde im Jahr 2005 eine hierdurch verursachte fortgeschrittene Osteoporose festgestellt. Für den Kläger war im Streitjahr 2011 ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, aG, H und RF ausgestellt worden. Ferner war er der Pflegestufe III i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI zugeordnet. Für Aufenthalte außerhalb seiner Wohnung über Nacht benötigt er im Kfz einen erheblichen Platzbedarf für verschiedenste Hilfsmittel sowie für einen mobilen Lifter zum Transfer ins Bett und einen Dusch-/Toilettenstuhl. Im Jahr 2007 hatte der Kläger einen Kleinbus erworben, der daraufhin behindertengerecht umgebaut wurde. Der Umbau ermöglichte es dem Kläger, in seinem Rollstuhl sitzend, der dabei zwischen Vorder- und Hinterachse befestigt ist, mitzufahren. Eine derartige Beförderung war nach einem Attest seines Arztes die einzig mögliche.
In dem Einkommensteuerbescheid für 2011 blieben die geltend gemachten Aufwendungen für den Fahrzeugumbau gänzlich unberücksichtigt und wurden die Aufwendungen für behindertenbedingte Fahrten nur teilweise anerkannt. Letzteres entsprach berücksichtigten Fahrtkosten von 0,30 €/km. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes waren Fahrtkosten nicht nur i.H.v. 0,30 €/km, sondern i.H.v. 0,7733 € je gefahrener Kilometer als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.
Ausnahmsweise waren die außergewöhnlichen Belastungen durch die Nutzung eines Kfz nicht auf den Pauschalsatz von 0,30 € je Kilometer zu begrenzen. Außergewöhnlich waren die Umstände insoweit, als es dem Kläger aufgrund seiner Behinderung nicht möglich ist, einen normalen Pkw zu nutzen und selbst die Beförderung sitzend im Rollstuhl nur in ausgesuchten Fahrzeugen möglich ist, um dem Erfordernis, Erschütterungen weitgehend zu verhindern, gerecht zu werden. Die bei der Beförderung des Klägers zu beachtenden Besonderheiten führten zu überdurchschnittlichen Aufwendungen. Insbesondere lag der Preis für ein Fahrzeug, das von seiner Größe, seinem zulässigen Gesamtgewicht, seiner Motorenleistung und damit der Möglichkeit des behindertengerechten Umbaus den Anforderungen genügte, deutlich über dem, den die Mehrzahl körperlich eingeschränkten Personen für ein Fahrzeug aufwenden muss. Es gab auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachten Aufwendungen unangemessen hoch waren.
Als außergewöhnliche Belastungen nicht zu berücksichtigen waren hingegen die geltend gemachten anteiligen Kosten für den Fahrzeugumbau. Sind Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, sind sie sofort abziehbar, d.h. entsprechende Ausgaben für den Umbau hätten gemäß den Grundsätzen in § 11 Abs. 2 S. 1 EStG nur in dem Jahr, in dem sie geleistet wurden, berücksichtigt werden können. Dass für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum 2007 lediglich ein Anteil der Umbaukosten als Teil der AfA des umgebauten Fahrzeugs von den Klägern in ihrer Steuererklärung geltend gemacht und vom Finanzamt erklärungsgemäß anerkannt worden war und auch unter Berücksichtigung der Folgejahre bis einschließlich 2010 ein Anteil der Umbaukosten steuerlich noch keinerlei Berücksichtigung gefunden hatte, rechtfertigte keine anderweitige steuerrechtliche Beurteilung, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.
Der Kläger konnte sich nicht auf die Verwaltungsverfügungen der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a.M. berufen. Nach BFH-Rechtsprechung kann einer Verwaltungsanweisung grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden wie einer Rechtsnorm oder einer verbindlichen Zusage für den Einzelfall. Eine Verwaltungsanweisung allein vermag es auch nicht zu rechtfertigen, dass der Senat die Steuern abweichend von den gesetzlichen Regelungen festsetzt. Dass das Finanzamt gegenüber dem Kläger unabhängig davon die anteiligen Umbaukosten in den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2010 jeweils anerkannt hatte, reichte zur Begründung eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes alleine nicht aus. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben greift selbst dann nicht, wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige Auffassung vertreten hat.
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