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Steuerberatung

Kein vorrangiger Gebrauch vom Haftungstatbestand des § 20 Abs.3 ErbStG

FG Düsseldorf 21.2.2018, 4 K 1144/17 AO

Die Haf­tungs­vor­schrift des § 20 Abs. 3 ErbStG kann mit­hin nicht den Sinn ha­ben, die Fi­nanz­behörde mit un­ter Umständen schwie­ri­gen Er­mitt­lun­gen und Prüfun­gen hin­sicht­lich der Frage zu be­las­ten, ob eine Steu­er­for­de­rung an­statt bei dem Steu­er­schuld­ner bei den Miter­ben als Haf­tungs­schuld­nern rea­li­siert wer­den kann. Da­her ist eine In­an­spruch­nahme des Steu­er­schuld­ners grundsätz­lich auch dann er­mes­sens­feh­ler­frei, wenn ne­ben die­sem ein Haf­tungs­schuld­ner für die Steu­er­schuld ein­zu­ste­hen hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist die Toch­ter der 2015 ver­stor­be­nen Erb­las­se­rin. Sie erbte ne­ben ih­rem Bru­der zu einem An­teil von ½. Zum Nach­lass gehörten ne­ben Grund­be­sitz Ge­schäfts­an­teile an der C.-GmbH. Darüber hin­aus verfügte die Erb­las­se­rin an ih­rem To­des­tag über Wert­pa­piere, die in De­pots bei der D-Bank AG so­wie der E-Bank AG ver­wahrt wur­den und einen Kurs­wert von je­weils etwa 3 Mio. € je­weils zuzüglich Zin­sen hat­ten. Fer­ner war die Erb­las­se­rin In­ha­be­rin von Kon­ten bei der D-Bank AG mit einem Gut­ha­ben von etwa 7 Mio. €, bei der F-Bank AG mit einem Gut­ha­ben von etwa 79.000 € und bei der E-Bank AG mit einem Gut­ha­ben von ins­ge­samt etwa 4 Mio. €.

Das be­klagte Fi­nanz­amt setzte am 29.7.2016 ge­gen die Kläge­rin rund 23,6 Mio. € Erb­schaft­steuer fest, die bis zum 11.8.2016 zu ent­rich­ten war. Die Kläge­rin legte ge­gen die­sen Be­scheid Ein­spruch ein und be­an­tragte die Aus­set­zung der Voll­zie­hung. Das be­klagte Fi­nanz­amt setzte die Voll­zie­hung des an­ge­foch­te­nen Steu­er­be­scheids i.H.v. 18 Mio. € aus, so dass noch 5.6 Mio. € zu ent­rich­ten wa­ren. Dar­auf­hin be­an­tragte die Kläge­rin die For­de­run­gen aus dem auf den Na­men der Erb­las­se­rin bei der D-Bank AG geführ­ten Konto zu pfänden. Ihr Bru­der lehne eine Aus­ein­an­der­set­zung des Nach­las­ses oder von Tei­len des Nach­las­ses ab. Sie selbst sei der­zeit nicht in der Lage, die zu ent­rich­tende Erb­schaft­steuer aus ei­ge­nen Mit­teln zu zah­len. Sie sei zwar auch Ge­sell­schaf­te­rin der C.-GmbH. Nach de­ren Ge­sell­schafts­ver­trag habe ein Ge­sell­schaf­ter je­doch aus der Ge­sell­schaft aus­zu­schei­den, wenn sein Ge­schäfts­an­teil gepfändet werde und die Pfändung länger als zwei Mo­nate an­dau­ere.

Das Fi­nanz­amt pfändete mit vier Verfügun­gen aus De­zem­ber 2016 die For­de­run­gen der Kläge­rin aus ih­ren Ge­schäfts­be­zie­hun­gen mit der D-Bank AG, der E- Bank AG, der M-Bank AG so­wie der Spar­kasse und ord­nete die Ein­zie­hung der gepfände­ten For­de­run­gen an. Die Dritt­schuld­ner zahl­ten dar­auf­hin ins­ge­samt 133.510 €. Im April 2017 wur­den von auf den Na­men der Erb­las­se­rin lau­ten­den Kon­ten bei der D-Bank AG und der E- Bank AG ins­ge­samt 5,6 Mio. € an das Fi­nanz­amt ge­zahlt. Die­ses hob dar­auf­hin die Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen aus De­zem­ber 2016 auf.

Die Kläge­rin war der An­sicht, eine Klage sei nach Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen als Fort­set­zungs­fest­stel­lungs­klage zulässig. Da das Fi­nanz­amt mehr als die bis­lang ent­rich­tete Erb­schaft­steuer ge­gen sie fest­ge­setzt habe, droh­ten ihr bei einem späte­ren Wi­der­ruf der gewähr­ten Aus­set­zung der Voll­zie­hung er­neut Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen. Die ins­ge­samt ge­gen sie fest­ge­setzte Erb­schaft­steuer werde sie aus ih­rem Pri­vat­vermögen nicht ent­rich­ten können. Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen aus De­zem­ber 2016 wa­ren rechtmäßig.

Rechts­grund­la­gen wa­ren die §§ 249 Abs. 1 S. 1, 309 Abs. 1 S. 1 u. 314 Abs. 1 S. 1 AO. Nach § 249 Abs. 1 S. 1 AO können die Fi­nanz­behörden Ver­wal­tungs­akte, mit de­nen eine Geld­leis­tung ge­for­dert wird, im Ver­wal­tungs­weg voll­stre­cken. Ih­nen steht hier­nach Er­mes­sen zu, die ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Voll­stre­ckungsmaßnah­men (§§ 281 ff. AO) ge­gen den Voll­stre­ckungs­schuld­ner durch­zuführen. Die­ses Er­mes­sen war im vor­lie­gen­den Fall nicht durch die Haf­tung des Nach­las­ses für die an dem Erb­fall Be­tei­lig­ten gem. § 20 Abs. 3 ErbStG ein­ge­schränkt.

Der Fi­nanz­behörde soll im öff­ent­li­chen In­ter­esse die ge­bo­tene Ein­zie­hung von Steu­er­for­de­run­gen auch dann ermöglicht wer­den, wenn ein Miterbe als Steu­er­schuld­ner zah­lungs­unfähig ist oder bei ihm die For­de­rung aus sons­ti­gen Gründen nicht oder nicht ohne wei­te­res zu rea­li­sie­ren ist. Die Haf­tungs­vor­schrift des § 20 Abs. 3 ErbStG kann mit­hin nicht den Sinn ha­ben, die Fi­nanz­behörde mit un­ter Umständen schwie­ri­gen Er­mitt­lun­gen und Prüfun­gen hin­sicht­lich der Frage zu be­las­ten, ob eine Steu­er­for­de­rung an­statt bei dem Steu­er­schuld­ner bei den Miter­ben als Haf­tungs­schuld­nern rea­li­siert wer­den kann.

Da­her ist eine In­an­spruch­nahme des Steu­er­schuld­ners grundsätz­lich auch dann er­mes­sens­feh­ler­frei, wenn ne­ben die­sem ein Haf­tungs­schuld­ner für die Steu­er­schuld ein­zu­ste­hen hat (vgl. BFH-Be­schl. v. 8.7.2004, Az. VII B 257/03). Je­den­falls lässt sich aus der Sys­te­ma­tik des Steu­er­schuld- und Haf­tungs­rechts kein sub­jek­ti­ves Recht auf er­mes­sens­feh­ler­freie Aus­wah­lent­schei­dung da­hin­ge­hend her­lei­ten, dass an­statt des in ers­ter Li­nie ver­ant­wort­li­chen Steu­er­schuld­ners ein Haf­tungs­schuld­ner in An­spruch zu neh­men ist. So­mit konnte sich die Kläge­rin nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass das be­klagte Fi­nanz­amt ver­pflich­tet war, an­statt die zu ent­rich­tende Erb­schaft­steuer im Wege der Voll­stre­ckung ihr ge­genüber gel­tend zu ma­chen zunächst von dem Haf­tungs­tat­be­stand des § 20 Abs. 3 ErbStG hätte Ge­brauch ma­chen müssen.

Der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit kann zwar in Ein­zelfällen zu ei­ner hier­von ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung führen. Denn eine Voll­stre­ckungsmaßnahme darf den Be­trof­fe­nen nicht übermäßig be­las­ten, muss für ihn mit­hin zu­mut­bar sein (BVerfG, Be­schl. v. 19.10.1982, 1 BvL 34/80 u. 1 BvL 55/80). Die Kläge­rin hatte bis zum Er­ge­hen der Ein­spruchs­ent­schei­dung je­doch nicht dar­ge­legt, dass die vom Fi­nanz­amt ge­gen sie er­grif­fe­nen Voll­stre­ckungsmaßnah­men sie übermäßig be­las­tet hätten.

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