Im Streitfall agierte eine GmbH als „indirekte“ Zollvertreterin, d.h. im eigenen Namen jedoch für Rechnung eines in der Türkei ansässigen Unternehmens. Die GmbH meldete als indirekte Zollvertreterin Elektronikartikel zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr beim Hauptzollamt an. Das Hauptzollamt überließ der GmbH die Ware antragsgemäß und setzte ihr gegenüber Einfuhrumsatzsteuer fest. Die GmbH verzichtete darauf, die Einfuhrumsatzsteuer bei dem türkischen Unternehmen einzufordern, sondern machte diese im Rahmen ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, woraufhin die GmbH Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid einlegte und argumentierte, dass ihre Stellung als Steuerschuldnerin ausreiche, um zum Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt zu sein.
Der BFH verneinte im Einklang mit dem Finanzamt den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer (Urteil vom 20.07.2023, Az. V R 13/21). Zur Begründung verweist der BFH darauf, dass die entstandene Einfuhrumsatzsteuer wie auch Vorsteuerbeträge nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abgezogen werden können. Demnach sei u. a. erforderlich, dass der Gegenstand, für den Einfuhrumsatzsteuer entrichtet wurde, durch den Unternehmer für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Der Wert des eingeführten Gegenstands müsse in den Preis der vom Unternehmer erbrachten Leistung einfließen. Mit dieser Begründung verneinte der EuGH bereits den Abzug von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer bei dem Unternehmer, der eingeführte Gegenstände lediglich befördert, ohne deren Einführer oder Eigentümer zu sein (EuGH-Urteil vom 25.06.2015, Rs. C-187/14, DSV Road). Dies führte der EuGH mit Urteil vom 08.10.2020 (Rs. C-621/19, Weindel Logistik Service) dahingehend weiter, dass der Importeur einer Ware nur dann berechtigt ist, die Einfuhrumsatzsteure als Vorsteuer abzuziehen, wenn er den eingeführten Gegenstand selbst und damit dessen Wert für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet.
Im Streitfall verneint der BFH somit den Vorsteuerabzug, weil die GmbH keine Ausgangsumsätze aufweise, die mit der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer auch nur kausal zusammenhängen könnten. Denn infolge des Abhandenkommens der Ware habe sie schon keine Verzollungsdienstleistung in Rechnung gestellt. Entscheidend sei aber, dass die GmbH den eingeführten Gegenstand nicht zur Erbringung einer Ausgangsleistung, z. B. in Form einer Beförderungs- oder Verzollungsdienstleistung, verwendet habe, sondern der eingeführte Gegenstand allenfalls Objekt einer solchen Leistung sein könnte. Eine Verwendung für ihre Dienstleistungen sei hingegen nicht gegeben.
Hinweis: Dieser Fall zeigt erneut die unterschiedlichen Blickwinkel von Zoll und Umsatzsteuer.
Es ist im Zollbereich ohne Probleme möglich, Ware, die einem nicht selbst gehört, oder die nicht für das eigene Unternehmen importiert wird, zum freien Verkehr abzufertigen. Eigentumsverhältnisse sind für die Verzollung insofern unerheblich, es kommt eher auf die Möglichkeit an, die Ware und alle dazugehörigen Unterlagen und Informationen für die Verzollung zur Verfügung stellen zu können.
Anders verhält es sich bei der Einfuhrumsatzsteuer, die wie beschrieben, ausschließlich in sehr engem Rahmen als Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Dies führt dann zu Situationen, in denen der Zollanmelder / Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und der Vorsteuerabzugsberechtigte nicht personengleich sind.