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Kein Wechsel des beklagten Finanzamtes infolge der Sitzverlegung der klagenden GmbH

BFH 2.12.2015, I R 3/15

Wird nach Er­he­bung der Klage eine an­dere Fi­nanz­behörde für den Steu­er­fall zuständig, bleibt die pro­zes­suale Stel­lung der be­klag­ten Behörde hier­von grundsätz­lich un­berührt. Ein ge­setz­li­cher Be­tei­lig­ten­wech­sel fin­det nur statt, wenn der Zuständig­keits­wech­sel auf einem behörd­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­akt be­ruht; ein sol­cher liegt aber nicht vor, wenn der Zuständig­keits­wech­sel durch eine Verände­rung der steu­er­lich be­deut­sa­men Verhält­nisse des Klägers be­dingt ist.

Der Sach­ver­halt:
Der M. war bis zu sei­nem Tod im Mai 2000 Ge­sell­schaf­ter der kla­gen­den GmbH. Das Be­sitz­un­ter­neh­men ein­schließlich der An­teile der Kläge­rin gin­gen durch Ge­samt­rechts­nach­folge auf die Witwe des M (H.) über. Im Ja­nuar 2005 wur­den die An­teile an der Kläge­rin in das Vermögen der neu gegründe­ten M-KG überführt. Von Mai 1989 bis Juli 2002 war für die Kläge­rin und das Be­sitz­un­ter­neh­men eine ge­mein­same "Kasse II" ne­ben den sich aus der Buchführung er­ge­ben­den Kas­sen geführt wor­den. Da­nach er­folgte für die "Kasse II" keine Be­leg- und Kas­senführung. Die aus nicht in der Buchführung er­fass­ten Leis­tun­gen wur­den teils zu be­trieb­li­chen, teils zu pri­va­ten Zwecken ver­wen­det. Ab Sep­tem­ber 1993 wur­den zu­dem auf den Na­men ei­nes An­ge­stell­ten der Kläge­rin zwei Post­sparbücher geführt, auf die im Zeit­raum 1993 bis 1998 nicht ver­steu­erte Be­triebs­ein­nah­men ein­ge­zahlt wor­den wa­ren.

Im An­schluss an eine Steu­er­fahn­dungsprüfung änderte das Fi­nanz­amt K. die Körper­schaft­steu­er­fest­set­zun­gen der Kläge­rin für die Jahre 1996 bis 1998, die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide der Ehe­gat­ten M und H. für die Jahre 1995 bis 2005 so­wie die Fest­stel­lungs­be­scheide der M-KG für die Jahre 2005 bis 2008 da­hin­ge­hend, dass die Ge­winne um die nicht in der Buch­hal­tung ent­hal­te­nen Ein­nah­men erhöht wur­den. Die Kläge­rin be­an­tragte, die Körper­schaft­steu­er­fest­set­zun­gen und Fest­stel­lun­gen nach § 47 so­wie § 27 und §§ 36 bis 38 KStG 1999 für die Streit­jahre 1999 bis 2005 gem. § 32a Abs. 2 KStG 1999 zu ändern. Das Fi­nanz­amt K. lehnte dies ab.

Nach Anhängig­keit der nach er­folg­lo­sem Ein­spruch ge­gen den Ab­leh­nungs­be­scheid er­ho­be­nen Klage ver­legte die Kläge­rin ih­ren Sitz aus dem Zuständig­keits­be­reich des Fi­nanz­am­tes K. in den Zuständig­keits­be­reich des Fi­nanz­am­tes S. Das FG wies die Klage ab. Es war der An­sicht, dass das Fi­nanz­amt S. an­stelle des Fi­nanz­am­tes K. in den anhängi­gen Rechts­streit ein­ge­tre­ten sei. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Gründe:
Das Ur­teil des FG ver­letzte § 63 FGO. Das FG durfte über die Klage ge­genüber dem nicht pas­siv pro­zessführungs­be­fug­ten Fi­nanz­amt S. nicht zur Sa­che ent­schei­den.

Die Pro­zessführungs­be­fug­nis der be­klag­ten Behörde ist eine Sa­chur­teils­vor­aus­set­zung des fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens, de­ren feh­ler­hafte Be­ur­tei­lung durch das FG einen Ver­fah­rens­man­gel dar­stellt. Das Vor­lie­gen der Sa­chur­teils­vor­aus­set­zun­gen hat der BFH als Re­vi­si­ons­ge­richt von Amts we­gen in je­der Lage des Ver­fah­rens zu prüfen. § 63 FGO be­stimmt, wel­che Behörde am fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren als Be­klag­ter zu be­tei­li­gen ist. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist die Ver­pflich­tungs­klage re­gelmäßig ge­gen die­je­nige Behörde zu rich­ten, die den be­an­trag­ten Ver­wal­tungs­akt un­ter­las­sen oder ab­ge­lehnt hat. Das gilt nur dann nicht, wenn vor dem Er­ge­hen der Ein­spruchs­ent­schei­dung eine an­dere Behörde ört­lich zuständig ge­wor­den ist oder an Stelle der zuständi­gen Behörde be­rech­tig­ter­weise eine an­dere Behörde den be­an­trag­ten Ver­wal­tungs­akt ab­ge­lehnt hat. Ein sol­cher Sach­ver­halt lag hier aber nicht vor.

Wird nach Er­he­bung der Klage eine an­dere Fi­nanz­behörde für den Steu­er­fall zuständig, bleibt die pro­zes­suale Stel­lung der be­klag­ten Behörde hier­von grundsätz­lich un­berührt. Ein ge­setz­li­cher Be­tei­lig­ten­wech­sel fin­det je­doch statt, wenn der Zuständig­keits­wech­sel auf einem behörd­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­akt be­ruht; in die­sem Fall tritt das nun­mehr zuständige Fi­nanz­amt als neuer Be­klag­ter in den anhängi­gen Rechts­streit ein. Letz­te­res gilt je­doch nicht, wenn der Zuständig­keits­wech­sel durch eine Verände­rung der steu­er­lich be­deut­sa­men Verhält­nisse des Klägers be­dingt ist. Und so la­gen die Dinge im vor­lie­gen­den Fall. Hier hat die behörd­li­che Zuständig­keit nämlich gem. § 20 Abs. 1, Abs. 2 AO des­halb ge­wech­selt, weil die Kläge­rin ih­ren Sitz im Laufe des fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens ver­legt hatte. Die Be­tei­lig­ten­stel­lung des Fi­nanz­am­tes K., das die durch die Kläge­rin be­an­tragte Ände­rung ab­ge­lehnt hatte, blieb un­berührt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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