Im Streitfall erwarb der in Polen wohnhafte Kläger G. A. auf einem Markt in Polen Zigaretten, deren Verpackung nur mit ukrainischen und belarussischen Steuerbanderolen versehen war. Die Verbringung nach Deutschland und die anschließende Übergabe an einen deutschen Abnehmer erfolgte ohne Information der Zollstellen. Das Hauptzollamt Braunschweig, das die Ware beschlagnahmte, vertrat die Ansicht, dass die Zigaretten zollrechtswidrig in das Gebiet der Union verbracht worden seien und G. A. Schuldner der entstandenen Zollschuld sei. Die nach Auffassung der Behörde zudem gemäß § 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 215 Abs. 4 des Zollkodex in Deutschland entstandene Einfuhrumsatzsteuerschuld wurde ebenfalls festgesetzt.
Aufgrund der gegen den Steuerbescheid erhobenen Klage hat nun das Finanzgericht Hamburg darüber zu entscheiden, welche Vorschrift für den Ort der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer maßgeblich ist. Das Finanzgericht wandte sich diesbezüglich in einem Vorabentscheidungsersuchen zunächst an den EuGH. Konkret wollte das Finanzgericht mit der Vorlage an den EuGH wissen, ob die entsprechende Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften (Art. 215 Abs. 4 des Zollkodex) auf die Bestimmung der Einfuhrumsatzsteuerschuld gegen Unionsrecht (Art. 30 Abs. 1, Art. 60 und Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 2006/112) verstößt.
Mit Verweis auf den für die Mehrwertsteuer geltenden Grundsatz der steuerlichen Territorialität hat der EuGH hierzu in seinem Urteil vom 18.01.2024 (Rs. C-791/22, HZA Braunschweig) festgestellt, dass die Einfuhrumsatzsteuer dem Mitgliedstaat zusteht, in dem der Endverbrauch erfolgen soll. Dies sei im Streitfall Polen. Würde sich die Steuerschuld dagegen aufgrund der Verweisungsnorm des § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften des Zollkodex bestimmen, stünden die Einnahmen dem Mitgliedstaat zu, in dem die Entstehung der Zollschuld festgestellt worden sei, also Deutschland. Damit kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass die nationale Verweisungsnorm den unionsrechtlichen Vorgaben für die Bestimmung der Einfuhrumsatzsteuerschuld entgegensteht.
Dieses Urteil unterstreicht einmal mehr eine „Trennung“ der Einfuhrumsatzsteuer vom Zoll und ist somit Teil einer Reihe ähnlicher Urteile, so dass im Ergebnis nun unter bestimmten Voraussetzungen der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, deren Entstehung selbst und nun eben auch den Ort der Entstehung nicht mehr automatisch immer im Gleichlauf mit dem Zoll abgehandelt werden kann. Wieder wird die Frage des „Eintritts in den Wirtschaftskreislauf“ für die Einfuhrumsatzsteuer in den Vordergrund gestellt; es fehlt jedoch noch immer an einer eindeutigen Definition dieses Begriffes.