Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte von April 1996 bis Ende Juni 2013 einen Arbeitnehmer beschäftigt, der für sie im Inland als auch in Südamerika gearbeitet hatte. Ab Dezember 2012 war er unwiderruflich unter Fortzahlung seiner Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitsvertrag wurde im gegenseitigen Einvernehmen spätestens mit Ablauf des 31.12.2013 beendet. Für den Verlust des Arbeitsplatzes wurde eine einmalige Abfindung i.H.v. 200.000 € brutto vereinbart. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung vor dem 31.12.2013 durch den Arbeitnehmer verpflichtete sich die Klägerin, eine zusätzliche Abfindung i.H.d. sonst zu zahlenden monatlichen Bruttoentgelte von 10.360 € an den Arbeitnehmer zu zahlen.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin kamen die Prüfer zu der Ansicht, der Arbeitnehmer sei im Jahr 2013 nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4d EStG in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen. Entscheidend sei, dass er im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung (Juni 2013) in keinem Staat ansässig gewesen sei. Eine Beschränkung des Steuerrechtes der Bundesrepublik durch das DBA Russland bestehe daher nicht, da ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Russland frühestens mit der Einreise des Klägers im Juli 2013 und damit nach der Zahlung begründet worden sei. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Sonderprüfung und erließ einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid, mit dem die Klägerin für insgesamt 144.367 € in Anspruch genommen wurde.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage weitestgehend statt.
Die Gründe:
Der angefochtene Nachforderungs- und Haftungsbescheid war, soweit das Finanzamt die Klägerin gem. § 42d Abs. 1 EStG für Lohnsteuer auf die Abfindung des Arbeitnehmers im Jahr 2013 in Anspruch genommen hatte, rechtswidrig.
Die Haftung nach § 42d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass der Arbeitgeber Lohnsteuern einzubehalten und abzuführen hatte. Daran fehlte es hier allerdings. Die Klägerin war nämlich nicht zum Einbehalt und zur Abführung der Lohnsteuer auf die hier allein streitbefangene Abfindung verpflichtet, weil der Arbeitnehmer zwar in Deutschland beschränkt steuerpflichtig war, aber trotz fehlender Freistellungsbescheinigung gem. § 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG wegen der Schrankenwirkung des DBA Russland ein Lohnsteuerabzug nicht vorzunehmen war.
Der Arbeitnehmer war im Streitjahr 2013 in Russland ansässig i.S.d. Art. 4 des DBA, da er 2013 in Russland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Nach Kap. 23 des Steuerkodex der Russischen Föderation sind in Russland natürliche Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die sich physisch an nicht weniger als 183 Kalendertagen innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten in der Russischen Föderation aufhalten. Eine Doppelansässigkeit i.S.d. Art 4, Abs. 2 DBA Russland sowohl in Russland als auch in Deutschland bestand im Streitjahr nicht. Damit konnten sich der Arbeitnehmer und damit mittelbar auch die Klägerin auf Art.15 Abs. 1 DBA Russland berufen. Die Abfindung gehört zu den Einkünften aus unselbstständiger Arbeit i.S.d. Art. 15 des DBA Russland, die grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden können.
Weder die erweiterte Steuerberechtigung Deutschlands nach § 2 AStG noch die Rückfallklauseln in § 50d EStG führten zu einem abweichenden Ergebnis. § 2 AStG greift bereits deshalb nicht durch, weil Doppelbesteuerungsabkommen - hier konkret das DBA Russland - auch gegenüber einem etwaigen Besteuerungsanspruch aus § 2 AStG vorrangig sind. § 50d EStG findet nur Anwendung auf unbeschränkt Steuerpflichtige, zu denen der Arbeitnehmer unstreitig nicht gehörte. Unabhängig davon gilt § 50d Abs. 8 EStG nicht für die Einbehaltung der Lohnsteuer.
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