Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt die Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung der Grunderwerbsteuer, weil der Kaufvertrag aufgehoben worden sei. Im Arpil 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH & Co.KG in C (Grundstückseigentümerin) eröffnet. Im Mai 2006 machte die Klägerin der Grundstückseigentümerin ein notarielles Kaufangebot für ein Grundstück in C. Dieses wurde nicht angenommen. Im September 2006 veräußerte Rechtsanwalt G als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Grundstückseigentümerin das Grundstück an die Klägerin. Der Kaufpreis betrug 2,25 Mio. €. Im Oktober 2006 hoben Rechtsanwalt G als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Grundstückseigentümerin sowie die Klägerin den Grundstückskaufvertrag wieder auf. In derselben notariellen Urkunde wurde zwischen der Veräußererseite und der K-GmbH, ein gleichlautender Grundstückskaufvertrag geschlossen.
Im Dezember 2008 ließ die Klägerin dem Finanzamt mitteilen, im Juni 2008 sei ihre Auflösung bzw. Liquidation beschlossen und im Handelsregister offen gelegt worden. Sie entfalte seit geraumer Zeit keinerlei operative Tätigkeiten mehr; die Steuerforderung würde zur Insolvenz führen. Das Finanzamt entgegnete, der Klägerin sei eine Verwertungsmöglichkeit an dem Grundstück verblieben, weil Aufhebung und Neuabschluss des Grundstückskaufvertrages in einer Urkunde erfolgt seien und der Veräußerer daher seine ursprüngliche Rechtsposition nicht zurückerhalten habe. Der Kaufvertrag mit der Klägerin sei von der K-GmbH übernommen worden, und zwar zu demselben Kaufpreis und denselben Konditionen. Beide Gesellschaften hätten denselben Geschäftsführer und denselben Vertreter und seien danach offensichtlich verbunden. Das Finanzamt wies den Einspruch schließlich zurück.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht angenommen, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG seien nicht erfüllt. Nach dieser Regelung wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird.
Wird bei der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war. Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition jedenfalls dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall hat dieser die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen.
Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Vorliegend ist der Klägerin die Möglichkeit der Verwertung in Bezug auf das mit Kaufvertrag von September 2006 erworbene Grundstück F-Straße verblieben. Denn durch die Beurkundung der Vertragsaufhebung mit der Klägerin einerseits sowie des neuen Kaufvertrages mit der K-GmbH andererseits in nur einer Notarurkunde hat die Grundstückseigentümerin als Veräußerer ihre ursprüngliche Rechtsstellung nicht wiedererlangen können. Denn sie ist aus ihrer Übereignungsverpflichtung der Klägerin gegenüber erst in dem Augenblick entlassen worden, in dem sie hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks bereits wieder an die K-GmbH als Zweiterwerber gebunden gewesen ist.
Auch eine Verwertung der der Klägerin verbliebenen Rechtsposition im "eigenen" (wirtschaftlichen) Interesse hat das Finanzamt zu Recht bejaht. Die Verwertung durch die Personen, welche die Klägerin bei der Aufhebung vertreten haben - hier deren Geschäftsführer H und der von diesem bevollmächtigte L -, ist ihr als eigene zuzurechnen. Denn diese haben durch ihre Mitwirkung an der Weiterveräußerung die aus dem ursprünglichen Kaufvertrag verbliebene Rechtsposition zugleich als Organ bzw. Vertreter der Zweitkäuferin und deren einziger Gesellschafterin verwertet.
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