Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Stillhaltergeschäften erzielt, deren Höhe von dem mit der Abwicklung der Geschäfte beauftragten Bankinstitut ermittelt und deren Umfang in einer sechsseitigen Einzelumsatzaufstellung dargestellt wurde. Der Steuerberater des Klägers ordnete die - nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden - Einkünfte aus Stillhaltergeschäften i.H.v. 41.295 € den Einkünften aus "privaten Veräußerungsgeschäften" i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG zu.
Durch das Belassen der Einkünfte aus dem Stillhaltergeschäft in dem unter Kennziffer 116 eingetragenen Gesamtbetrag wurden die insoweit erzielten Einkünfte bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im dort angesetzten Gesamtbetrag von 40.759 € berücksichtigt und kamen dadurch mit einem Verlustvortrag aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in gleicher Höhe zur Verrechnung. Im Fall einer Eintragung des Stillhaltergeschäftes im Feld "Leistungen" auf der Vorderseite der "Anlage SO" wäre es zu einer Berücksichtigung als sonstige Leistung (§ 22 Nr. 3 EStG) gekommen, ohne dass hierauf Verlustvorträge verrechnet worden wären. Der Einkommensteuerbescheid aus August 2007 wurde bestandskräftig.
Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung im März 2011 erließ das Finanzamt einen nach § 129 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem die Einkünfte aus den Stillhaltergeschäften bei den Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG i.H.v. 45.488 € berücksichtigt wurden. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2005 konnte nicht mehr nach § 129 AO berichtigt werden.
Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-)Anwendung einer Rechtsnorm schließen die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit und damit die Anwendung des § 129 AO aus. Die Vorschrift ermöglicht auch dann nicht die Berichtigung "vermeintlicher" mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen, die tatsächlich auf der unzutreffenden Anwendung einer Rechtsnorm beruhen, wenn sie aus der Sicht der den Fehler übernehmenden Finanzbehörde als offenbare Unrichtigkeiten erscheinen mögen.
Infolgedessen war das angefochtene Urteil aufzuheben, da es diesen Grundsätzen nicht entsprach. Unstreitig blieb, dass dem Kläger kein Fehler i.S.d. § 129 AO unterlaufen war. Vielmehr hat die Vorinstanz bindend festgestellt, dass der Steuerberater des Klägers im Rahmen der Zuordnung der Stillhaltergeschäfte zu den "privaten Veräußerungsgeschäften" i.S.d. § 23 EStG umfangreiche rechtliche Erwägungen angestellt hatte, als er die Zuordnungsfrage intern mit der Sachbearbeiterin, die in der Steuerkanzlei für die Erstellung der Einkommensteuererklärung verantwortlich war, erörterte. Vor diesem Hintergrund fehlte es im vorliegenden Fall an offenbar fehlerhaften Angaben des Steuerpflichtigen, die das Finanzamt als eigene (mechanische) Fehler hätte übernehmen können; denn Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-)Anwendung einer Rechtsnorm schließen die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit und damit die Anwendung des § 129 AO aus.
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