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Keine Bierwerbung mit dem Begriff "bekömmlich"

OLG Stuttgart 3.11.2016, 2 U 37/16

Eine Braue­rei darf ihre Bier­sor­ten nicht mit dem Be­griff "bekömm­lich" be­wer­ben. An­ga­ben zu von der "Health-Claims-Ver­ord­nung" er­fass­ten al­ko­ho­li­schen Getränken müssen frei von je­der Mehr­deu­tig­keit sein.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist ein Ver­band, zu des­sen Auf­ga­ben u.a. die Durch­set­zung der Re­geln des lau­te­ren Wett­be­werbs für seine Mit­glie­der gehört. Die Be­klagte ist eine Braue­rei in der Rechts­form ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft. Die Be­klagte be­warb im Jahr 2015 drei ih­rer Bier­sor­ten mit dem Be­griff "bekömm­lich":

  • Für die Bier­sorte " -Gold" mit einem Al­ko­hol­ge­halt von 5,1 % warb sie u.a. mit dem Satz: "Bekömm­lich, süffig - aber nicht schwer."
  • Der Sorte "Hop­fen­leicht" mit einem Al­ko­hol­ge­halt von 2,9 % schrieb sie u. a. die Aus­sage " feinwürzig und herz­haft im Ge­schmack, er­fri­schend bekömm­lich für den großen und klei­nen Durst" zu.
  • Die Sorte " -Hell" mit einem Al­ko­hol­ge­halt von 4,4 % be­warb sie u.a. mit dem Satz: "Bei Tem­pe­ra­tu­ren knapp über dem Ge­frier­punkt reift es in Ruhe aus, wo­durch es be­son­ders bekömm­lich wird."
Der Kläger ist der An­sicht, diese Wer­bung ver­stoße ge­gen § 3a UWG i.V.m. den Vor­schrif­ten der "Health-Claims-Ver­ord­nung" des EU-Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.12.2006. Nach die­ser Ver­ord­nung dürfen Getränke mit einem Al­ko­hol­ge­halt von mehr als 1,2 Vo­lu­men­pro­zent keine ge­sund­heits­be­zo­ge­nen An­ga­ben tra­gen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Be­klagte hält den Be­griff "bekömm­lich" in den re­le­van­ten Kon­tex­ten hin­ge­gen nicht für eine ge­sund­heits­be­zo­gene An­gabe, son­dern für eine Dar­stel­lung der Ge­nusswürdig­keit, ins­be­son­dere der ge­schmack­li­chen As­pekte, der be­wor­be­nen Bier­sor­ten.

Das LG gab der Un­ter­las­sungs­klage statt. Der nor­mal in­for­mierte, auf­merk­same und verständige Durch­schnitts­ver­brau­cher ver­stehe die Be­zeich­nung ei­nes Le­bens­mit­tels als "bekömm­lich" so, dass es dem Kon­su­men­ten "gut be­komme" oder bei Nah­rungs­auf­nahme gut ver­tra­gen werde und dem phy­si­schen Be­fin­den ent­we­der förder­lich oder zu­min­dest nicht abträglich sei. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hatte vor dem OLG kei­nen Er­folg. Die Re­vi­sion zum BGH wurde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die be­an­stan­dete Wer­bung verstößt ge­gen § 3a UWG i.V.m. den Vor­schrif­ten der "Health-Claims-Ver­ord­nung".

Das OLG hat sich ins­be­son­dere auf eine Ent­schei­dung des EuGH gestützt (Ur­teil vom 6.9.2012, C-544/10 - Deut­sches Wein­tor). Die­sem Ur­teil ist zwar keine ge­ne­relle Aus­sage zur Ver­wen­dung der Be­zeich­nung "bekömm­lich" für al­ko­ho­li­sche Getränken zu ent­neh­men, denn im kon­kre­ten Fall stand der Be­griff - an­ders als im Streit­fall - im Zu­sam­men­hang mit einem Hin­weis auf den re­du­zier­ten Säur­ege­halt des be­wor­be­nen Weins. Dem Ur­teil lässt sich aber in all­ge­mei­ner Form ent­neh­men, dass An­ga­ben zu den (von der Ver­ord­nung er­fass­ten) al­ko­ho­li­schen Getränken frei von je­der Mehr­deu­tig­keit sein müssen. Darüber hin­aus hat der EuGH einen Ge­sund­heits­be­zug auch dann be­jaht, wenn mit ei­ner An­gabe im­pli­ziert wird, dass ne­ga­tive oder schädli­che Aus­wir­kun­gen für die Ge­sund­heit, die nor­ma­ler­weise mit dem Kon­sum ver­bun­den sind, bei dem be­wor­be­nen Pro­dukt feh­len oder ge­rin­ger aus­fal­len.

So­weit der BGH in einem Vor­la­ge­be­schluss vom 13.1.2011 (I ZR 22/09 - Gurk­ta­ler Kräuter­likör) die Be­zeich­nung "bekömm­lich" in an­de­rem Kon­text für zulässig ge­hal­ten hat, ist zu berück­sich­ti­gen, dass die­ser Be­schluss vor dem ge­nann­ten Ur­teil des EuGH er­gan­gen ist. Nach den gängi­gen Wörterbüchern ist der Be­griff "bekömm­lich" gleich­zu­set­zen mit "zuträglich", "leicht ver­dau­lich" oder "ge­sund". Auch der Be­griff "zuträglich" schließt nicht nur ein all­ge­mei­nes Wohl­be­ha­gen ein, son­dern ist im Sinne ei­nes "Lang­zeit­ver­spre­chens" zu ver­ste­hen, dass das be­wor­bene Le­bens­mit­tel auch bei länge­rem Kon­sum in kei­ner Weise scha­det. Dass man­che Kon­su­men­ten die Braue­rei der Be­klag­ten mit dem Wer­be­spruch "Wohl be­komm's" in Ver­bin­dung brin­gen, schränkt den Aus­sa­ge­ge­halt nicht ein. "Wohl be­komm's" ist - im Sinne ei­nes Trink­spruchs -  ein Wunsch, "bekömm­lich" da­ge­gen ein Ver­spre­chen.

Hin­zu­wei­sen ist in die­sem Zu­sam­men­hang auf das An­trags­ver­fah­ren nach Art. 1 Abs. 4 der Ver­ord­nung. Nach die­ser Vor­schrift kann für Be­zeich­nun­gen, die "tra­di­tio­nell zur An­gabe ei­ner Ei­gen­schaft ei­ner Ka­te­go­rie von Le­bens­mit­teln oder Getränken ver­wen­det wer­den und die auf Aus­wir­kun­gen auf die mensch­li­che Ge­sund­heit hin­deu­ten könn­ten", eine Aus­nahme vom Ver­bot ge­sund­heits­be­zo­ge­ner An­ga­ben zu­ge­las­sen wer­den. Es ist nicht fern­lie­gend, über die­ses Ver­fah­ren einen In­ter­es­sen­aus­gleich zu fin­den. Ohne eine sol­che Be­frei­ung, die bis­lang nicht er­teilt wor­den ist, kann vom Ver­bot ge­sund­heits­be­zo­ge­ner An­ga­ben je­doch nicht ab­ge­se­hen wer­den.

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