Der Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens ist. Im Jahr 2008 hatte sie Aktien von an der Börse notierter Unternehmen (B-AG, C-AG, D-AG, E-AG und F-AG) erworben. Diese wurden jeweils unter Einschaltung einer Maklerfirma im Xetra-Handel cum Dividende erworben und über die G-AG als sog. zentralen Kontrahenten (CCP) gecleart. Die Verkäufer der Aktien waren der Klägerin nicht bekannt. Der Verkauf durch die Klägerin erfolgte ebenfalls wieder über die Börse.
Die Aktien wurden einen Tag vor dem Tag der Hauptversammlung oder in einem Fall am Tag der Hauptversammlung gekauft. Die Klägerin erhielt Dividendenzahlungen unter Abzug der von den Emittenten einbehaltenen Kapitalertragsteuer und dem einbehaltenen Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer oder Dividendenersatzzahlungen. Die Auszahlung der Nettodividende bzw. des Dividendenersatzanspruches erfolgte über K-AG an die J., die diese wiederum an die H. weiterleitete, die abschließend als depotführende Bank der Klägerin an diese auszahlte. Die H. stellte der Klägerin im Jahr 2009 Steuerbescheinigungen aus, in denen die Höhe der Bruttodividenden und die geltend gemachten Anrechnungsbeträge ausgewiesen wurden.
Im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer wurden die begehrten Anrechnungen der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags zur Kapitalertragsteuer durch das Finanzamt nicht gewährt. Die Behörde berief sich dabei auf § 45a Abs. 3 EStG. Die Klägerin war hingegen der Ansicht, dass die H. als depotführende Bank der Klägerin zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen berechtigt sei. Dies ergebe sich aus der europarechtlich garantierten Kapitalverkehrsfreiheit. Das FG wie die Klage jedoch ab.
Die Gründe:
Die von der Klägerin begehrte Anrechnung der Kapitalertragsteuer konnte nicht vorgenommen werden, weil keine von einem inländischen Kreditinstitut oder einem inländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgestellte Steuerbescheinigung vorgelegt worden war. Die von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheinigungen waren von der H. ausgestellt, bei der es sich um eine ausländische Bank handelte, die im Streitjahr auch keine Zweigniederlassung im Inland unterhalten hatte.
Die Regelung der §§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, 45a Abs. 3 EStG, wonach zur Anrechnung eine von einem inländischen Kreditinstitut oder einem inländischen Finanzdienstleistungsinstitut ausgestellte Steuerbescheinigung vorliegen muss, verstößt nicht gegen die europarechtlich garantierten Grundfreiheiten oder Verfassungsrecht. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen die gem. Art. 63 ff. AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit vor. Weil vorliegend jedenfalls der Rechtfertigungsgrund der Wirksamkeit der Steueraufsicht eingreift, konnte der erkennende Senat offen lassen, ob eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegeben ist oder bereits eine Ungleichbehandlung zu verneinen ist.
Es kann nicht verlangt werden, dass ausländische Kreditinstitute die Befugnis erhalten, deutsche Steuerbescheinigungen auszustellen. Dass die Ausstellung von Steuerbescheinigungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten wie dem vorliegenden nicht von ausländischen Banken erteilt werden dürfen, sondern dafür nur die K-AG als inländische Bank in Betracht kommt, ergibt sich daraus, dass der nationale Gesetzgeber keine Rechtsmacht hat, ausländische Banken bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen zu verpflichten. Anderenfalls würde Deutschland in unzulässiger Weise die Territorialitätshoheit anderer Mitgliedsstaaten verletzten. Ausländische Banken könnten vom inländischen Fiskus auch nicht in Haftung genommen werden. Denn nur wenn eine Verpflichtung zur Ausstellung einer zutreffenden Steuerbescheinigung besteht, die durch falsche Angaben verletzt wird, kommt eine Haftung in Betracht.
Es liegt aus denselben Gründen auch kein Verstoß gegen die (passive) Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV vor, soweit diese neben der hier schwerpunktmäßig einschlägigen Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV überhaupt anwendbar ist. Denn es ist der jeweils sachgerechteren Grundfreiheit der Vorrang einzuräumen. Das ist vorliegend die Kapitalverkehrsfreiheit. Es verstößt aus den dargelegten Gründen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein im Inland ansässiger Anleger eine Steuerbescheinigung nicht von der im europäischen Ausland ansässigen Bank, sondern nur über die - von der ausländischen Bank beauftragten - inländische Bank erhalten kann.
Linkhinweis:
- Der Volltext ist auf der Homepage Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte 7894705:hier.