Das österreichische Bundesfinanzgericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie eine feste Niederlassung nach Art. 44 und 45 MwStSystRL darstellt, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt. Im Ausgangsrechtstreit vermietete eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung auf Jersey eine in Wien belegene Immobilie umsatzsteuerpflichtig an zwei österreichische Unternehmer. Mangels fester Niederlassung ging die Kapitalgesellschaft davon aus, dass sie in Österreich keine Umsatzsteuer schulde. Die Kapitalgesellschaft selbst verfügte in Österreich weder über Räumlichkeiten noch über eigenes Personal. Für die Abwicklung der laufenden Geschäfte im Zusammenhang mit der Vermietung beauftragte die Kapitalgesellschaft ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen. Die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen sowie weitere wesentliche Geschäfte behielt sich die Kapitalgesellschaft vor.
Die österreichische Finanzverwaltung ging unter Verweis auf die dort geltenden Verwaltungsanweisungen von der Steuerschuldnerschaft der Kapitalgesellschaft aus. Gemäß den Umsatzsteuerrichtlinie 2000 ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der in Österreich ein Grundstück besitzt und vermietet, als inländischer Unternehmer zu behandeln und schulde daher die Umsatzsteuer.
Zur fiktiven Ansässigkeit entsprechend der österreichischen Umsatzsteuerrichtlinie hat der EuGH keine Stellung genommen, sie war auch nicht Gegenstand der Vorlagefrage. Der EuGH bestätigt in seinem Urteil vom 03.06.2021 (Rs. C-931/19, Titanium Ltd) seine bisherige Rechtsauffassung, dass der Begriff der festen Niederlassung i. S. d. MwStSystRL einen Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln erfordere. Er setzt einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Leistungserbringung ermöglicht. Insb. in Fällen, in denen eigenes Personal fehlt, schließt der EuGH deshalb eine Subsumtion unter den Begriff der festen Niederlassung aus.
Hinweis: Damit ist in dem österreichischen Streitfall eine Steuerschuldnerschaft der leistenden Kapitalgesellschaft ausgeschlossen, so dass bei umsatzsteuerpflichtigen Vermietungen durch im Ausland ansässige Unternehmer die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht.
Die Entscheidung des EuGH kann Ausstrahlwirkung für ausländische Immobilienbesitzer mit in Deutschland belegenem Grundvermögen haben. Gemäß Abschn. 18.10 Abs. 1 Satz 4 UStAE wird ebenfalls eine fiktive Ansässigkeit fingiert, ohne dass es hierfür einer besonderen personellen oder sachlichen Ausstattung im Inland bedarf.
Die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung bleibt abzuwarten. Bei konsequenter Anwendung der gesetzlichen Regelung, würde die Steuerschuld auf den Mieter übergehen und damit eine Registrierungspflicht für Umsatzsteuerzwecke in der Regel entfallen. Vorsteuern müssten dann über das Vorsteuervergütungsverfahren geltend gemacht werden.
Die Begründung einer (umsatzsteuerlichen) Betriebsstätte wäre jedoch keine alternative Gestaltungsmöglichkeit, da dies Ausstrahlwirkung auf die Gewerbesteuer hat und in der Regel zu einer Gewerbesteuerpflicht im Inland führen würde.