Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Streitjahr 2009 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen erzielt. Letztere lagen unterhalb des Sparer-Pauschbetrags gem. § 20 Abs. 9 EStG. Seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr warf seine heutige Ehefrau am 31.12.2013 gegen 20 Uhr beim Finanzamt X-1 in den Nachtbriefkasten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts X-2. Dort ging die Erklärung erst im Jahr 2014 ein.
Mit Verfügung vom 18.2.2014 lehnte das Finanzamt X-2 den Antrag auf Durchführung der Veranlagung zur Einkommensteuer ab, da die Voraussetzungen gem. § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG für eine Veranlagung von Amts wegen nicht vorlägen und der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden sei.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Das Finanzamt hatte die Durchführung einer Antragsveranlagung des Klägers für das Streitjahr wegen Festsetzungsverjährung zu Recht abgelehnt. Diese endete vorliegend am 31.12.2013.
Die Festsetzungsfrist ist nur gewahrt, wenn der Antrag bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist beim zuständigen Finanzamt eingeht. Die Antragstellung bei einem anderen Finanzamt führt dagegen nicht zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO. Zwar ist dort nicht ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Steuerfestsetzung an das zuständige Finanzamt zu richten ist. Einer solchen Regelung bedurfte es aber auch nicht, weil dies bereits aus den Regelungen in §§ 17, 19 AO folgt. Danach ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen und damit auch für die Bearbeitung der Steuererklärungen ausschließlich das Wohnsitzfinanzamt des Steuerpflichtigen örtlich zuständig.
Die Regelung über die örtliche Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamts findet sich im Ersten Teil unter den Einleitenden Vorschriften der AO und ist damit gleichsam "vor die Klammer" gezogen. Aus der gesetzlich angeordneten örtlichen Zuständigkeit --hier des Wohnsitzfinanzamts-- folgt aber zugleich, dass sich der Steuerpflichtige mit seinem Antrag auf Steuerfestsetzung ebenfalls an das örtlich zuständige Finanzamt wenden muss.
Angesichts der eindeutigen Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 19 AO kommt es, anders als das FG meint, auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerpflichtige das örtlich zuständige Wohnsitzfinanzamt kannte oder kennen musste oder ob er in Folge des einheitlichen Auftretens der Landesfinanzverwaltung - hier des Landes NRW - davon ausgehen durfte, dass jedes Finanzamt des Landes für die in NRW wohnenden Steuerpflichtigen örtlich zuständig sei. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt ist, die Steuererklärung beim unzuständigen Finanzamt einzureichen. Tut er dies, trägt er jedoch grundsätzlich das Risiko, dass die Steuererklärung rechtzeitig innerhalb der Festsetzungsfrist vom örtlich unzuständigen an das örtlich zuständige Finanzamt weitergeleitet wird.
Dieser Auslegung steht die Regelung in § 127 AO nicht entgegen. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und soll verhindern, dass ein Verwaltungsakt allein wegen formaler Mängel aufgehoben wird, wenn ein Verwaltungsakt selben Inhalts erneut erlassen werden müsste. Dagegen dient die Festsetzungsverjährung dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, denen gegenüber dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit der materiell zutreffenden Besteuerung der Vorrang eingeräumt werden soll. Soweit der Senat zu der früheren Regelung in § 42c Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. entschieden hat, dass die Frist zur Abgabe des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich auch durch die Abgabe des Antrags bei einem für die Durchführung des Jahresausgleichs örtlich unzuständigen Finanzamt gewahrt wird (Urteil v. 10.07.1987 - VI R 160/86, überträgt er diese Rechtsprechung mangels Vergleichbarkeit nicht auf die hier in Streit stehende Regelung in § 171 Abs. 3 AO.
Die Veranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG kann bis zum Ablauf des letzten Tages der Festsetzungsfrist, mithin bis 24 Uhr, beantragt werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gem. § 171 Abs. 3 AO nur dann gehemmt, wenn die für die Veranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG erforderliche Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist beim örtlich zuständigen Finanzamt eingeht.