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Keine Haftung bei im Internet veröffentlichten Bonitätszertifikaten

OLG Frankfurt a.M. 17.7.2017, 13 U 172/16

Ein An­le­ger, der auf die von einem Wirt­schafts­in­for­ma­ti­ons­un­ter­neh­men im In­ter­net veröff­ent­lich­ten Kre­dit- und Ri­si­ko­ana­ly­sen ver­traut, ob­wohl es sich hier­bei nicht um eine Ra­ting-Agen­tur han­delt, kann im Ver­lust­fall ge­gen die­ses Un­ter­neh­men kei­nen Scha­den­er­satz gel­tend ma­chen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger nahm die Be­klagte auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz im Zu­sam­men­hang mit ei­ner von ihm im Jahr 2013 durch die Zeich­nung von Na­mens­ge­nuss­rech­ten der Firma A-AG getätig­ten Ka­pi­tal­an­lage über 25.000 € in An­spruch. Bei der A-AG han­delte es sich um ein Toch­ter­un­ter­neh­men der B-KG, die beide zu der C-Un­ter­neh­mens­gruppe gehörten, über die 2014 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wurde.

Zum Ver­trieb der Na­mens­ge­nuss­rechte nutz­ten so­wohl die A-AG als auch das Mut­ter­un­ter­neh­men B-KG die ihr von der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, der D., über­las­se­nen und im In­ter­net veröff­ent­lich­ten Kre­dit- und Ri­si­ko­ana­ly­sen ("Bo­nitätszer­ti­fi­kate"). Der A-AG war für das Jahr 2012 ein "Top-Ra­ting" aus­ge­stellt wor­den. Bei der D. han­delte es sich nicht um eine Ra­ting-Agen­tur i.S.d. EU-Ra­ting­ver­ord­nung. Der Kläger be­haup­tete den­noch, er habe den Zeich­nungs­ent­schluss auf­grund der für die Jahre 2011 und 2012 so­wohl der A-AG als auch der B-KG be­schei­nig­ten "Top-Ra­tings" ge­fasst. Durch das "Auf­tre­ten" als an­er­kannte Ra­ting­agen­tur habe D. so ge­tan, als ob sie die be­wer­te­ten Un­ter­neh­men um­fas­send auf de­ren Zu­verlässig­keit und Bo­nität geprüft und alle für ein Ra­ting­ver­fah­ren er­for­der­li­chen Umstände in die Prüfung habe ein­fließen las­sen.

Der Kläger war der An­sicht, dass ihm die Be­klagte so­wohl un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes Ver­tra­ges mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter als auch de­lik­ti­sch für den ge­sam­ten ein­ge­tre­te­nen Scha­den auf­grund des To­tal­ver­lus­tes der Ka­pi­tal­an­lage so­wie auf den ent­gan­ge­nen Ge­winn hafte. Die Be­klagte hat vor­ge­tra­gen, dass we­der sie noch die Firma D. je­mals als Ra­ting­agen­tur auf­ge­tre­ten sei.

Das LG wies die Klage ab. Auch die Be­ru­fung des Klägers vor dem OLG blieb er­folg­los.

Die Gründe:
Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch kam we­der un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Haf­tung aus einem Ver­trag mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter noch un­ter de­lik­ti­schen Haf­tungs­ge­sichts­punk­ten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246a StGB; § 826 BGB in Be­tracht.

Ent­ge­gen der An­nahme des Klägers war das Be­ste­hen ei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses zwi­schen der Be­klag­ten und der A-AG kei­nes­wegs "selbst­verständ­lich un­strei­tig". Schließlich hatte die Be­klagte ausdrück­lich das Be­ste­hen ei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses be­strit­ten. Mögli­cher­weise hatte der Kläger das Vor­brin­gen der Be­klag­ten al­lein i.S.e. Rechts­auf­fas­sung aus­legt und ver­stan­den. Dem stand je­doch der ein­deu­tige Wort­laut des Be­klag­ten­vor­brin­gens ent­ge­gen, der auch i.V.m. dem wei­te­ren Vor­brin­gen der Be­klag­ten im Rah­men ei­ner Ge­samt­schau als - grundsätz­li­ches - Be­strei­ten des Be­ste­hens ei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses - zu ver­ste­hen war. In­fol­ge­des­sen war be­reits vor dem Hin­ter­grund ei­nes nicht nach­ge­wie­se­nen Ver­trags­verhält­nis­ses ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers aus­ge­schlos­sen.

Außer­dem konnte auf­grund der un­strei­tig lau­fend an­lass- und auf­trags­frei von der Be­klag­ten durch­geführ­ten Sco­ring­ver­fah­ren kann be­reits nicht von einem durch beide Ver­trags­par­teien be­ein­fluss­ten be­stim­mungs­gemäßen mit der Leis­tung In-Berührung-Kom­men von Drit­ten aus­ge­gan­gen wer­den. Ebenso we­nig war eine Ver­gleich­bar­keit zwi­schen dem Kläger und der A-AG im Hin­blick auf po­ten­ti­elle Schutz­pflicht­ver­let­zun­gen der Be­klag­ten und die sich hier­aus er­ge­ben­den Ge­fah­ren an­zu­neh­men. Der Kläger ver­kannte im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang, dass das Tätig­wer­den und die Ver­fah­rens­wei­sen von Ra­ting­agen­tu­ren auf die vor­lie­gende Fall­ge­stal­tung für von der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin durch­geführte Sco­ring­ver­fah­ren nicht ein­fach über­tra­gen wer­den konn­ten.

Glei­ches galt hin­sicht­lich des Ein­be­zie­hungs­in­ter­es­ses. Auch hier legte der Kläger un­zu­tref­fend die Tätig­keit ei­ner Ra­ting­agen­tur auf der Grund­lage de­ren be­ste­hen­der be­son­de­rer Sach­kunde und be­son­de­ren Wis­sens sei­nen Erwägun­gen zu­grunde. Ebenso we­nig konnte der nach An­sicht des Klägers ge­recht­fer­tig­ten Über­tra­gung der BGH-Recht­spre­chung zu Sach­verständi­gen, die ohne staat­li­che An­er­ken­nung gut­ach­ter­lich tätig wer­den, auf die vor­lie­gende Fall­ge­stal­tung ge­folgt wer­den. Letzt­lich räumte der Kläger auch selbst ein, dass je­den­falls grundsätz­lich, un­abhängig von de­ren tatsäch­li­cher Rea­li­sier­bar­keit, dem streit­ge­genständ­li­chen An­spruch in­halts­glei­che An­sprüche ge­genüber dem Gläubi­ger des dritt­schützen­den Ver­tra­ges als auch ge­genüber dem den Ab­schluss ver­mit­teln­den Fi­nanz­leis­tungs­in­sti­tut we­gen feh­ler­haf­ter An­la­ge­be­ra­tung zu­ste­hen, wes­halb der vor­lie­gend be­gehrte Dritt­schutz aus­ge­schlos­sen war.

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