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Steuerberatung

Keine Rückstellung für Nachteilsausgleich bei Altersteilzeit

BFH 27.9.2017, I R 53/15

Ar­beit­ge­ber dürfen hin­sicht­lich lau­fen­der Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge keine Rück­stel­lun­gen für den Nach­teils­aus­gleich bil­den. Ein Ar­beit­ge­ber, der Ju­biläumsrück­stel­lun­gen in sei­ner Bi­lanz zum 31.12.2005 an­hand der Pau­schal­wert­ta­belle des BMF-Schrei­bens vom 12.4.1999 (BStBl I 1999, 434) be­mes­sen hatte, darf später im Rah­men ei­ner noch "of­fe­nen" Ver­an­la­gung für das Jahr 2005 zur An­wen­dung der im BMF-Schrei­ben vom 8.12.2008 (BStBl I 2008, 1013) veröff­ent­lich­ten Pau­schal­wert­ta­belle über­ge­hen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine Spar­kasse in der Rechts­form ei­ner An­stalt des öff­ent­li­chen Rechts. Sie hatte mit ver­schie­de­nen Mit­ar­bei­tern Verträge über Al­ters­teil­zeit ab­ge­schlos­sen. Grund­lage dafür ist das Ge­setz zur Förde­rung ei­nes glei­ten­den Überg­angs in den Ru­he­stand (Al­ters­teil­zeit­ge­setz) vom 23.7.1996 (BGBl I 1996, 1078) und der für die Mit­ar­bei­ter der Steu­er­pflich­ti­gen ein­schlägige Ta­rif­ver­trag zur Re­ge­lung der Al­ters­teil­zeit im Öff­ent­li­chen Dienst vom 5.5.1998 (TV ATZ). Nach § 5 Abs. 7 TV ATZ ha­ben die Mit­ar­bei­ter einen ta­rif­li­chen An­spruch auf die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung we­gen der zu er­war­ten­den Ren­tenkürzung auf­grund vor­zei­ti­ger In­an­spruch­nahme ei­ner Rente (sog. Nach­teils­aus­gleich). Das Fi­nanz­amt war der An­sicht, die zum 31.12.2004 ge­bil­de­ten Rück­stel­lun­gen für die Ab­fin­dungs­zah­lun­gen dürf­ten nicht be­reits bei Ab­schluss des Al­ters­teil­zeit­ver­trags in vol­ler (ab­ge­zinster) Höhe pas­si­viert wer­den, son­dern müss­ten - wie die Rück­stel­lun­gen für die Lohn-Auf­sto­ckungs­zah­lun­gen bei Al­ters­teil­zeit - ra­tier­lich an­ge­sam­melt wer­den.

Hin­sicht­lich der Rück­stel­lun­gen für Zu­wen­dun­gen anläss­lich von Dienst­ju­biläen hatte die Steu­er­pflich­tige zum 31.12.2005 Ju­biläumsrück­stel­lun­gen in der Han­dels- und Steu­er­bi­lanz ge­bil­det, so­weit die maßge­ben­den Dienst­verhält­nisse min­des­tens zehn Jahre be­stan­den und die Zu­wen­dung das Be­ste­hen ei­nes Dienst­verhält­nis­ses von min­des­tens 15 Jah­ren vor­aus­ge­setzt hatte. Den steu­er­li­chen An­satz der Ju­biläumsrück­stel­lun­gen zum 31.12.2005 hatte sie nach dem sog. Pau­schal­wert­ver­fah­ren nach Maßgabe des BMF-Schrei­bens vom 12.4.1999 (BStBl I 1999, 434) und den darin vor­ge­ge­be­nen Pau­schal­wer­ten be­mes­sen. Dem Pau­schal­wert­ver­fah­ren nach dem BMF-Schrei­ben in BStBl I 1999, 434 la­gen die "Richt­ta­feln 1998" von Dr. Klaus Heu­beck (Heu­beck) zu­grunde.

Das FA berück­sich­tigte die Ju­biläumsrück­stel­lun­gen bei Fest­set­zung der Körper­schaft­steuer für das Streit­jahr 2005 erklärungs­gemäß. Die Kläge­rin be­an­tragte im Ein­spruchs­ver­fah­ren, die Ju­biläumsrück­stel­lun­gen an­der­wei­tig un­ter Zu­grun­de­le­gung der von der Fi­nanz­ver­wal­tung auf der Grund­lage der "Richt­ta­feln 2005 G" von Heu­beck im BMF-Schrei­ben vom 8.12.2008 (BStBl I 2008, 1013) ver­laut­bar­ten neuen Pau­schal­wert­ta­belle zu be­wer­ten. Das Fi­nanz­amt lehnte die Ände­rung ab, weil sei­ner Auf­fas­sung nach der ur­sprüng­li­che An­satz nicht feh­ler­haft ge­we­sen sei.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die  Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hat der BFH das Ur­teil auf­ge­ho­ben, die Klage im Hin­blick auf die Fest­set­zung der Körper­schaft­steuer 2004 ab­ge­wie­sen und im Übri­gen (Körper­schaft­steuer 2005) die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück­ver­wie­sen.

Gründe:
Die Kläge­rin durfte in ih­rer Bi­lanz zum 31.12.2004 keine Rück­stel­lun­gen für die Ver­pflich­tun­gen zur Zah­lung des Nach­teils­aus­gleichs gem. § 5 Abs. 7 TV ATZ pas­si­vie­ren. Rück­stel­lun­gen für un­ge­wisse Ver­bind­lich­kei­ten set­zen ent­we­der das Be­ste­hen ei­ner ih­rer Höhe nach un­ge­wis­sen Ver­bind­lich­keit oder die über­wie­gende Wahr­schein­lich­keit des Ent­ste­hens ei­ner Ver­bind­lich­keit dem Grunde nach vor­aus, de­ren Höhe zu­dem un­ge­wiss sein kann. Bei den An­sprüchen der Ar­beit­neh­mer auf Nach­teils­aus­gleich gem. § 5 Abs. 7 TV ATZ han­delt es sich um in den Zeit­punk­ten des Ab­schlus­ses der je­wei­li­gen Teil­zeit­ar­beits­verträge so­wohl dem Grunde als auch der Höhe nach un­ge­wisse Ver­bind­lich­kei­ten. Denn der Zah­lungs­an­spruch setzt u.a. vor­aus, dass dem Ar­beit­neh­mer nach dem Ende des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses tatsäch­lich nur ein "gekürz­ter" ge­setz­li­cher Ren­ten­an­spruch zu­steht.

Da­mit fehlte es für die Ent­ste­hung der Zah­lungs­for­de­run­gen zu den Zeit­punk­ten des Ab­schlus­ses der Teil­zeit­ar­beits­verträge noch an min­des­tens einem Tat­be­stands­ele­ment. Denn ist die Ver­pflich­tung am Bi­lanz­stich­tag wie im Streit­fall dem Grunde nach noch nicht recht­lich ent­stan­den, ist eine Rück­stel­lung nur zu bil­den, wenn sie ers­tens mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit ent­steht und der Steu­er­pflich­tige dar­aus in An­spruch ge­nom­men wird und wenn sie - woran es im Streit­fall man­gelte - wirt­schaft­lich in den bis zum Bi­lanz­stich­tag ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jah­ren ver­ur­sacht ist.

Wirt­schaft­li­che Ver­ur­sa­chung in den bis zum Bi­lanz­stich­tag ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jah­ren er­for­dert, dass die wirt­schaft­lich we­sent­li­chen Tat­be­stands­merk­male zu den maßgeb­li­chen Bi­lanz­stich­ta­gen erfüllt sind und das Ent­ste­hen der Ver­bind­lich­keit nur noch von wirt­schaft­lich un­we­sent­li­chen Tat­be­stands­merk­ma­len abhängt. Maßge­bend ist hier­nach die wirt­schaft­li­che Wer­tung des Ein­zel­falls im Lichte der recht­li­chen Struk­tur des Tat­be­stands, mit des­sen Erfüllung die Ver­bind­lich­keit ent­steht. Der recht­li­che und wirt­schaft­li­che Be­zugs­punkt der Ver­pflich­tung muss in der Ver­gan­gen­heit lie­gen, so dass die Ver­bind­lich­keit nicht nur an Ver­gan­ge­nes anknüpft, son­dern auch Ver­gan­ge­nes ab­gilt.

Im Streit­fall ent­stand ein Ab­fin­dungs­an­spruch je­doch nur dann, wenn es beim Ein­tritt des je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mers in den Ru­he­stand tatsäch­lich zu ei­ner Ren­tenkürzung kommt. Bei dem Tat­be­stands­ele­ment des Ein­tritts ei­ner Ren­tenkürzung, wel­ches in Be­zug auf die Ar­beit­neh­mer, für die die Kläge­rin die in Rede ste­hen­den Rück­stel­lun­gen ge­bil­det hat, zu den Bi­lanz­stich­ta­gen der Streit­jahre noch nicht ver­wirk­licht war, han­delt es sich um ein wirt­schaft­lich we­sent­li­ches Tat­be­stands­merk­mal, nämlich um den ei­gent­li­chen wirt­schaft­li­chen Be­weg­grund für die Leis­tung der Ab­fin­dung. Der tatsäch­li­che Ein­tritt der bei Ver­trags­schluss er­war­te­ten Ren­tenkürzung ist da­her nicht nur in recht­lich-for­ma­ler, son­dern auch in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht eine we­sent­li­che Tat­be­stands­vor­aus­set­zung für die Ent­ste­hung des Ab­fin­dungs­an­spruchs nach § 5 Abs. 7 TV ATZ. Da­her hätte die Kläge­rin in ih­rer Bi­lanz zum 31.12.2004 keine Rück­stel­lun­gen für die Ver­pflich­tun­gen nach § 5 Abs. 7 TV ATZ aus lau­fen­den Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträgen bil­den dürfen.

Hin­sicht­lich des Bi­lanz­an­sat­zes der Ju­biläums­zu­wen­dun­gen war zu berück­sich­ti­gen, dass ein Ar­beit­ge­ber, der Ju­biläumsrück­stel­lun­gen in sei­ner Bi­lanz zum 31.12.2005 an­hand der Pau­schal­wert­ta­belle des BMF-Schrei­bens vom 12.4.1999 (BStBl I 1999, 434) be­mes­sen hatte, später im Rah­men ei­ner noch "of­fe­nen" Ver­an­la­gung für das Jahr 2005 zur An­wen­dung der im BMF-Schrei­ben vom 8.12. 2008 (BStBl I 2008, 1013) veröff­ent­lich­ten Pau­schal­wert­ta­belle über­ge­hen darf. Das streit­ge­genständ­li­che Fest­set­zungs­ver­fah­ren war auf­grund des Ein­spruchs noch "of­fen"; außer­dem en­dete das der Ver­an­la­gung zu­grun­de­lie­gende Wirt­schafts­jahr nach dem 6.7.2005, nämlich am 31.12.2005. Die Ar­gu­men­ta­tion des Fi­nanz­am­tes, eine Ände­rung sei nicht möglich, weil er ur­sprüng­li­che Bi­lanz­an­satz nicht feh­ler­haft ge­we­sen sei, steht in Wi­der­spruch zu der grundsätz­li­chen Vor­gabe in Rz 17 des BMF-Schrei­bens v. 8.12.2008, der zu­folge das Schrei­ben für alle noch "of­fe­nen" Fälle An­wen­dung fin­den soll.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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