deen

Steuerberatung

Keine Steuerpause bei der Erbschaftsteuer

FG Köln v. 8.11.2018 - 7 K 3022/17

Für Erbfälle ab dem 1.7.2016, nach Ab­lauf der Wei­ter­gel­tungs­an­ord­nung aus dem Ur­teil des BVerfG vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12), bis zur Verkündung des "Ge­set­zes zur An­pas­sung des Erb­schaft- und Schen­kung­steu­er­ge­set­zes an die Recht­spre­chung des BVerG" vom 4.11.2016 (ErbSt­AnpG 2016) im Bun­des­ge­setz­blatt (9.11.2016) ist keine sog. Erb­schaft­steu­er­pause ein­ge­tre­ten. Al­ler­dings war die Re­vi­sion zu­zu­las­sen, da die Rechts­sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung hat.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist Al­lein­er­bin ih­rer im Au­gust 2016 ver­stor­be­nen Tante. Der Nach­lass be­stand im We­sent­li­chen aus Gut­ha­ben bei ei­ner Bank i.H.v. 167.046 € und der Aus­zah­lung aus ei­ner Le­bens­ver­si­che­rung i.H.v. 1.168 €. Nach Ab­zug der Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten, ins­be­son­dere ver­schie­de­ner Ver­bind­lich­kei­ten aus Vermächt­nis­sen, ver­blieb der Kläge­rin ein Er­werb durch Er­ban­fall i.H.v. 65.759 €.

 

Das Fi­nanz­amt setzte un­ter Berück­sich­ti­gung ei­ner Steu­er­be­frei­ung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016 i.H.v. 3.700 € und ei­nes Frei­be­trags gem. § 16 Abs. 1 ErbStG 2016 i.H.v. 20.000 € mit Be­scheid vom 1.6.2017 Erb­schafts­steuer i.H.v. 6.300 € fest. Die Kläge­rin war der An­sicht, dass für Erbfälle, die nach Ab­lauf der Wei­ter­gel­tungs­an­ord­nung aus dem Ur­teil des BVerfG vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) bis zur Verkündung des Erbst­AnpG 2016 ein­ge­tre­ten seien, kein Erb­schaft­steu­er­ge­setz be­stan­den habe, auf des­sen Grund­lage Erb­schafts­steuer hätte fest­ge­setzt wer­den können.

 

Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung die Re­vi­sion zu­ge­las­sen. Das Ver­fah­ren ist bei BFH un­ter dem Az.: II R 1/19 anhängig.

 

Die Gründe:

Das ErbStG 2016 stellt eine wirk­same Rechts­grund­lage für die Fest­set­zung der Erb­schaft­steuer für den 2016 ein­ge­tre­te­nen Erb­fall dar. Dies er­gibt sich aus der rück­wir­ken­den In­kraft­set­zung des Erbst­AnpG 2016 mit Wir­kung zum 1.7.2016 (Art. 3 des Ge­set­zes) und der spe­zi­el­len An­wen­dungs­re­ge­lung in § 37 Abs. 12 ErbStG 2016, wo­nach die Neu­re­ge­lun­gen zur Be­steue­rung von Be­triebs­vermögen für alle Er­werbe gel­ten, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 ent­steht. Der Se­nat ist we­der im Hin­blick auf die ge­setz­lich an­ge­ord­nete Rück­wir­kung noch im Hin­blick auf die in­halt­li­chen Ände­run­gen in Be­zug auf die Be­steue­rung von Be­triebs­vermögen von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Re­ge­lun­gen über­zeugt. Da­her war das Ver­fah­ren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG aus­zu­set­zen und keine Ent­schei­dung des BVerfG ein­zu­ho­len.

 

Die im ErbSt­AnpG 2016 an­ge­ord­nete Rück­wir­kung ist um­fas­send zulässig. Es han­delt sich im vor­lie­gen­den Fall in mehr­fa­cher Hin­sicht um eine echte Rück­wir­kung, die aber un­ter je­dem Ge­sichts­punkt zulässig ist. Die Erb­schaft- und Schen­kung­steuer ent­steht gem. § 9 ErbStG 2016 re­gelmäßig mit dem Tod des Erb­las­sers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016) bzw. bei Schen­kun­gen mit dem Zeit­punkt ih­rer Ausführung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 2016). Nach dem im Erb­schaft- und Schen­kung­steu­er­recht gel­ten­den sog. Stich­tags­prin­zip sind auch auf diese Stich­tage die Wert­er­mitt­lun­gen durch­zuführen (§ 11 ErbStG 2016). Nachträgli­che Wert­verände­run­gen an dem über­ge­gan­ge­nen Vermögen sind re­gelmäßig nicht mehr zu berück­sich­ti­gen.

 

So fin­det das Rück­wir­kungs­ver­bot im Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes nicht nur sei­nen Grund, son­dern auch seine Grenze. Es gilt nicht, so­weit sich kein Ver­trauen auf den Be­stand des gel­ten­den Rechts bil­den konnte oder ein Ver­trauen auf eine be­stimmte Rechts­lage sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt und da­her nicht schutzwürdig war. Bei den in der BVerfG-Recht­spre­chung an­er­kann­ten, nicht ab­schließend de­fi­nier­ten Fall­grup­pen han­delt es sich um Ty­pi­sie­run­gen aus­nahms­weise feh­len­den Ver­trau­ens in eine be­ste­hende Ge­set­zes­lage. Für die Frage, ob mit ei­ner rück­wir­ken­den Ände­rung der Rechts­lage zu rech­nen war, ist von Be­deu­tung, ob die bis­he­rige Re­ge­lung bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung ge­eig­net war, ein Ver­trauen der be­trof­fe­nen Per­so­nen­gruppe auf ih­ren Fort­be­stand zu begründen.

 

Der Ge­setz­ge­ber hat ver­sucht, die An­for­de­run­gen des BVerfG durch höchst kom­plexe Re­ge­lun­gen ge­spickt mit Miss­brauchs­ver­mei­dungs­vor­schrif­ten zu erfüllen. Da­her wird in ver­fas­sungs­recht­li­cher Hin­sicht auch die Frage ge­stellt, ob die erb­schaft­steu­er­li­che Be­hand­lung des Un­ter­neh­mens­vermögens nach neuem Recht un­kal­ku­lier­bar und des­halb we­gen Nor­me­nun­be­stimmt­heit und -un­klar­heit ver­fas­sungs­wid­rig sei. Diese Frage ver­mag der Se­nat zum jet­zi­gen Zeit­punkt kei­nes­falls mit der Si­cher­heit zu be­ja­hen, die es für eine Vor­lage an das BVerfG bedürfte.

 

Link­hin­weis:

 

nach oben