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EuGH, C-649/17: Schlussanträge des Generalanwalts vom 28.2.2019

Eine On­line-Platt­form wie Ama­zon kann nicht ver­pflich­tet wer­den, dem Ver­brau­cher eine Te­le­fon­num­mer zur Verfügung zu stel­len. Dem Ver­brau­cher müssen je­doch meh­rere Wahlmöglich­kei­ten in Be­zug auf das zu ver­wen­dende Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel so­wie eine schnelle Kon­takt­auf­nahme und eine ef­fi­zi­ente Kom­mu­ni­ka­tion ga­ran­tiert und die In­for­ma­tion über diese Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel in kla­rer und verständ­li­cher Weise er­teilt wer­den.

Der Sach­ver­halt:

Die be­klagte Ama­zon EU un­terhält eine Platt­form, auf der gängige Ver­brau­cher­pro­dukte und -dienst­leis­tun­gen aus­schließlich im In­ter­net an­ge­bo­ten wer­den. Der kla­gende Bun­des­ver­band der Ver­brau­cher­zen­tra­len und Ver­brau­cher­verbände, Ver­brau­cher­zen­trale Bun­des­ver­band e. V. möchte vor den deut­schen Ge­rich­ten fest­stel­len las­sen, dass Ama­zon ge­gen das gel­tende deut­sche Recht ver­stoße, das in Durchführung der Ver­brau­cher­schutz­richt­li­nie (Richt­li­nie 2011/83/EU) den Un­ter­neh­mer ver­pflichte, in kla­rer und verständ­li­cher Weise außer der An­schrift die Te­le­fon­num­mer und ggf. seine Te­le­fax­num­mer und E-Mail-Adresse zu nen­nen.

Der Kläger wirft der Be­klag­ten ins­be­son­dere vor, sie sei ih­ren In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ge­genüber den Ver­brau­chern nicht in kla­rer und verständ­li­cher Weise nach­ge­kom­men, da sie es un­ter­lasse, den Ver­brau­chern im Vor­feld des On­line-Ver­sand­ge­schäfts auf der Web­site eine Te­le­fax­num­mer zu nen­nen und dem Ver­brau­cher un­mit­tel­bar eine Te­le­fon­num­mer zur Verfügung zu stel­len (die er erst nach ei­ner Viel­zahl von Schrit­ten ein­se­hen könne). Das Sys­tem des au­to­ma­ti­schen Rück­rufs und die Möglich­keit zum In­ter­net-Chat, bei­des von Ama­zon an­ge­bo­ten, seien nicht aus­rei­chend, um die ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Pflich­ten zu erfüllen.

Vor die­sem Hin­ter­grund möchte der in letz­ter In­stanz mit dem Rechts­streit be­fasste BGH vom EuGH wis­sen, wie der Aus­druck "ggf." in Be­zug auf die zwi­schen Un­ter­neh­mer und Ver­brau­cher bei im Fern­ab­satz und außer­halb von Ge­schäftsräumen ge­schlos­se­nen Ver­brau­cher­verträgen ver­wen­de­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel rich­tig aus­zu­le­gen ist, fer­ner, ob der in­so­weit an­geführte Ka­ta­log von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln (Te­le­fon, Te­le­fax, E-Mail) ab­schließend ist und schließlich, wel­chen In­halt das vom Un­ter­neh­mer zu be­ach­tende Trans­pa­renz­ge­bot hat.

Die Gründe:

Die ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts sind da­hin aus­zu­le­gen, dass das höchste Schutz­ni­veau für den Ver­brau­cher gewähr­leis­tet ist, ohne da­bei je­doch in die Ge­stal­tungs­frei­heit des Un­ter­neh­mers stärker ein­zu­grei­fen, als es un­be­dingt er­for­der­lich ist. So wird ein wirk­sa­mer Ver­brau­cher­schutz nicht da­durch er­reicht, dass eine be­son­dere Art der Kon­takt­auf­nahme (z. B. Be­nut­zung des Te­le­fons) fest­ge­legt wird, son­dern da­durch, dass si­cher­ge­stellt wird, dass die Ver­brau­cher über die wirk­sams­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wege in Be­zug auf das Mit­tel verfügen können, über das das Ver­kaufs­ge­schäft getätigt wird. Würde die Ein­rich­tung ei­ner be­son­de­ren, für die Zwecke ei­nes wirk­sa­men Ver­brau­cher­schut­zes nicht er­for­der­li­chen Art von Kom­mu­ni­ka­tion wie das Te­le­fon vor­ge­schrie­ben, bestünde da­ge­gen die Ge­fahr, dass dies an­ge­sichts der Ziele des Ver­brau­cher­schut­zes eine un­verhält­nismäßige Maßnahme wäre, die die be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men zum Scha­den vor al­lem der­je­ni­gen, die keine "In­ter­net­gi­gan­ten" wie Ama­zon sind, un­an­ge­mes­sen be­las­ten könnte.

Es kommt also we­ni­ger auf das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ab­strakt be­trach­tet an, als viel­mehr dar­auf, dass im kon­kre­ten Fall gleich­zei­tig die Ziele der Richt­li­nie gewähr­leis­tet wer­den können, nämlich, dass der Ver­brau­cher mit dem Un­ter­neh­mer schnell Kon­takt auf­neh­men und ef­fi­zi­ent mit ihm kom­mu­ni­zie­ren kann und dass die In­for­ma­tio­nen in kla­rer und verständ­li­cher Weise er­teilt wer­den. Der EuGH sollte da­her fest­stel­len, dass für im Fern­ab­satz und außer­halb von Ge­schäftsräumen ge­schlos­sene Verträge die Aufzählung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel (Te­le­fon, Te­le­fax, E-Mail) in der Richt­li­nie le­dig­lich bei­spiel­haft ist. Der Un­ter­neh­mer kann da­her frei wählen, wel­che Mit­tel er für den Kon­takt mit dem Ver­brau­cher zur Verfügung stellt, auch sol­che, die in der Richt­li­nie nicht ausdrück­lich ge­nannt sind, wie etwa In­ter­net-Chat oder ein au­to­ma­ti­sches Rück­ruf­sys­tem, so­fern die oben ge­nann­ten Ziele der Richt­li­nie um­ge­setzt wer­den. Aus dem Ziel ei­nes ho­hen Schutz­ni­veaus für den Ver­brau­cher und der Bei­spiel­haf­tig­keit der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel folgte über­dies die Not­wen­dig­keit, dass der Un­ter­neh­mer dem Ver­brau­cher meh­rere Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel zur Verfügung stellt und da­mit des­sen Wahl­frei­heit gewähr­leis­tet.

Die Klar­heit und die Verständ­lich­keit der In­for­ma­tion sind As­pekte des all­ge­mei­nen Trans­pa­renz­ge­bots für Ver­trags­be­din­gun­gen. Die­ses gilt selbst­verständ­lich auch für die Art und Weise der Kon­takt­auf­nahme und ver­langt vom Un­ter­neh­mer, dafür zu sor­gen, dass der Ver­brau­cher in der Lage ist, ein­deu­tig zu ver­ste­hen, wel­che Ar­ten der Kon­takt­auf­nahme ihm zur Verfügung ste­hen, falls er mit dem Un­ter­neh­mer kom­mu­ni­zie­ren muss. Trans­pa­renz setzt not­wen­dig einen ein­fa­chen Zu­gang zur In­for­ma­tion vor­aus. Un­ver­ein­bar mit der Ziel­set­zung der Richt­li­nie wäre es da­her, wenn die Su­che im In­ter­net we­gen ih­rer Kom­ple­xität den Zu­gang zur In­for­ma­tion er­schwe­ren würde. Der EuGH sollte da­her fest­stel­len, dass auf­grund des Trans­pa­renz­ge­bots die vom Un­ter­neh­mer für den Ver­brau­cher be­reit­ge­stellte In­for­ma­tion über die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ein­fach, ef­fi­zi­ent und verhält­nismäßig schnell zugäng­lich sein muss.

Was die Be­deu­tung des Aus­drucks "ge­ge­be­nen­falls" in Be­zug auf die drei Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wege zwi­schen Un­ter­neh­mer und Kun­den (Te­le­fon, Te­le­fax, E-Mail) an­geht, sollte der EuGH fest­stel­len, dass die­ser Aus­druck zum einen den Un­ter­neh­mer nicht dazu ver­pflich­tet, einen Te­le­fon- oder Fax­an­schluss bzw. ein E Mail-Konto neu ein­zu­rich­ten, wenn er sich ent­schließt, Fern­ab­satz­verträge ab­zu­schließen, und zum an­de­ren, "für den Ver­brau­cher be­reit­ge­stellte Mit­tel", be­deu­tet, und nicht, "im Un­ter­neh­men vor­han­dene": Nicht al­les, was in einem be­stimm­ten Zu­sam­men­hang exis­tiert oder vor­han­den ist, ist nämlich verfügbar oder steht je­dem zur Verfügung, der es be­nut­zen will. Da­her ist auch dann, wenn das Un­ter­neh­men einen Te­le­fon­an­schluss be­sitzt, die­ser nicht zwangsläufig für die Kom­mu­ni­ka­tion mit dem Ver­brau­cher zur Verfügung zu stel­len sei, so­fern die von der Richt­li­nie ver­folg­ten Ziele gewähr­leis­tet sind. Im Übri­gen sollte der EuGH fest­stel­len, dass die Richt­li­nie ei­ner na­tio­na­len Rechts­vor­schrift wie der deut­schen ent­ge­gen­steht, die dem Un­ter­neh­mer eine in der Richt­li­nie nicht vor­ge­se­hene Ver­pflich­tung wie die auf­er­legt, dem Ver­brau­cher stets eine Te­le­fon­num­mer zur Verfügung zu stel­len.

Link­hin­weis:

  • Für den auf den Websei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Schlus­santräge kli­cken Sie bitte hier.
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