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Keine treuwidrige Rückforderung von Kindergeld durch die Familienkasse

FG Düsseldorf 12.5.2015, 10 K 177/15 Kg,AO

Der Ver­wirk­li­chung ei­nes An­spruchs auf Rück­for­de­rung von Kin­der­geld, für den die Vor­aus­set­zun­gen des § 37 Abs. 2 AO grundsätz­lich vor­lie­gen, steht aus­nahms­weise der Grund­satz von Treu und Glau­ben ent­ge­gen, wenn die Fa­mi­li­en­kasse ein ei­ge­nes Fehl­ver­hal­ten zu ih­ren Guns­ten und zu Las­ten desr Kläge­rin aus­zu­nut­zen ver­sucht. Aus ei­ge­nem Fehl­ver­hal­ten Pro­fit zie­hen zu wol­len, ist re­gelmäßig treu­wid­rig.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist die Rechtmäßig­keit ei­nes Auf­he­bungs- und Rück­for­de­rungs­be­scheids. Die Kläge­rin, die die Staats­an­gehörig­keit von Sri Lanka be­sitzt und Mut­ter von drei Kin­dern (ge­bo­ren 1997, 2000 und 2002) ist, lebt min­des­tens seit 2002 mit ih­rer Fa­mi­lie in Deutsch­land. Sie ist im Be­sitz ei­nes Auf­ent­halts­ti­tels nach § 25 Abs. 5 Auf­enthG und be­zieht Leis­tun­gen nach dem Asyl­bLG. Eine Ko­pie ih­res Auf­ent­halts­ti­tels hatte sie be­reits im Jahr 2009 bei der be­klag­ten Fa­mi­li­en­kasse ein­ge­reicht.

Im Ja­nuar 2010 wurde ge­genüber dem Ehe­mann der Kläge­rin (Kin­des­va­ter) ab Ja­nuar 2005 Kin­der­geld für die drei Kin­der fest­ge­setzt. Im De­zem­ber 2010 ver­st­arb der Ehe­mann. Nach­dem die Kläge­rin dies der Fa­mi­li­en­kasse un­ter Vor­lage ei­ner Ster­be­ur­kunde an­ge­zeigt hatte, wurde im Ja­nuar 2011 die Kläge­rin als neue Kin­der­geld­be­rech­tigte im EDV-Sys­tem der Fa­mi­li­en­kasse er­fasst. Ein dies­bezügli­cher förm­li­cher Be­scheid er­ging nicht. In der Fol­ge­zeit wurde das Kin­der­geld an die Kläge­rin aus­ge­zahlt. Bei der Be­rech­nung der An­sprüche der Kläge­rin auf Leis­tun­gen nach dem Asyl­bLG wurde das Kin­der­geld als Einkünfte der Kläge­rin leis­tungs­min­dernd berück­sich­tigt.

Im März 2013 wurde der Kläge­rin eine "Be­schei­ni­gung über den Be­zug von Kin­der­geld" für den Zeit­raum Ja­nuar 2013 bis März 2013 aus­ge­stellt. Anläss­lich ei­ner Kor­rek­tur des Na­mens der Kläge­rin fiel einem Mit­ar­bei­ter der Fa­mi­li­en­kasse im April 2013 auf, dass die An­spruchs­be­rech­ti­gung der Kläge­rin bis­lang nicht geprüft wor­den war. Im Juni 2013 hob die Fa­mi­li­en­kasse un­ter Hin­weis dar­auf, dass die Kläge­rin die Vor­aus­set­zun­gen des § 62 EStG nicht erfülle, die Kin­der­geld­fest­set­zung gem. § 70 Abs. 2 EStG ab Ja­nuar 2011 auf und for­derte zu­gleich das für den Zeit­raum Ja­nuar 2011 bis März 2013 ge­zahlte Kin­der­geld i.H.v. rd. 15.000 € gem. § 37 Abs. 2 AO von der Kläge­rin zurück.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
So­wohl der Auf­he­bungs- als auch der Rück­for­de­rungs­be­scheid sind rechts­wid­rig und ver­let­zen die Kläge­rin in ih­ren Rech­ten.

Der Auf­he­bungs­be­scheid ist be­reits des­halb rechts­wid­rig, weil es keine Kin­der­geld­fest­set­zung ge­genüber der Kläge­rin gab, die hätte auf­ge­ho­ben wer­den können. Der Sach­be­ar­bei­ter hatte im Ja­nuar 2011 zwar ganz of­fen­sicht­lich die Ab­sicht, Kin­der­geld ge­genüber der Kläge­rin fest­zu­set­zen. Er hat dies je­doch nicht in Form ei­nes schrift­li­chen Be­schei­des ge­tan, son­dern of­fen­bar die bloße Ein­tra­gung der Kläge­rin als neue Kin­der­geld­be­rech­tigte im EDV-Sys­tem der Be­klag­ten als aus­rei­chend an­ge­se­hen.

Tatsäch­lich ist je­doch keine wirk­same Fest­set­zung von Kin­der­geld er­folgt. Eine kon­klu­dente Fest­set­zung von Kin­der­geld war ab dem Jahr 2007 nicht mehr möglich, da § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG, der diese Möglich­keit vor­sah, mit Wir­kung ab dem 1.1.2007 auf­ge­ho­ben wurde. Seit die­sem Zeit­punkt ver­bleibt es für die Fest­set­zung von Kin­der­geld, bei der es sich gem. § 31 S. 3 EStG um eine Steu­er­vergütung han­delt, bei der all­ge­mei­nen Vor­schrift des § 157 Abs. 1 AO, wo­nach Steu­er­be­scheide schrift­lich zu er­tei­len sind.

Der Rück­for­de­rungs­be­scheid ist eben­falls rechts­wid­rig. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 37 Abs. 2 AO lie­gen zwar grundsätz­lich vor, da die Aus­zah­lung des Kin­der­gel­des man­gels ei­ner Kin­der­geld­fest­set­zung ge­genüber der Kläge­rin von vorn­her­ein ohne Rechts­grund er­folgt ist. Der Ver­wirk­li­chung des Rück­for­de­rungs­an­spruchs steht hier je­doch aus­nahms­weise der Grund­satz von Treu und Glau­ben ent­ge­gen. Die Fa­mi­li­en­kasse hat hier ein ei­ge­nes Fehl­ver­hal­ten - nämlich, den Um­stand, dass ihr Sach­be­ar­bei­ter da­mals die bloße Ände­rung des Be­zugs­be­rech­tig­ten im PC zu Un­recht als aus­rei­chend für einen Wech­sel des Kin­der­geld­be­rech­tig­ten an­ge­se­hen hat - zu ei­ge­nen Guns­ten und zu Las­ten der Kläge­rin aus­zu­nut­zen ver­sucht.

Aus ei­ge­nem Fehl­ver­hal­ten Pro­fit zie­hen zu wol­len, ist re­gelmäßig treu­wid­rig. Die Fa­mi­li­en­kasse ist da­her im Rah­men der Prüfung der Rechtmäßig­keit des Rück­for­de­rungs­an­spruchs mit dem Ein­wand, es habe von vorn­her­ein keine wirk­same Kin­der­geld­fest­set­zung vor­ge­le­gen, aus­ge­schlos­sen. Zur Rück­for­de­rung ist sie un­ter die­sen Umständen nur dann be­rech­tigt, wenn zu­gleich die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Auf­he­bungs­vor­schrift vor­lie­gen, d.h. die Kin­der­geld­fest­set­zung dann, wenn sie tatsäch­lich er­folgt wäre, rück­wir­kend hätte auf­ge­ho­ben wer­den können. Dies ist hier je­doch nicht der Fall.

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