Nachdem der EuGH mit Urteil vom 13.06.2019 (Rs. C‑420/18, IO, DStR 2019, S. 1396) bei einem Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung mit Festvergütung die selbständige Tätigkeit und damit die Unternehmereigenschaft verneinte, gab auch der BFH mit Urteil vom 27.11.2019 (Az. V R 23/19 (V R 61/17), BStBl. II 2021, S. 542) seine bisherige Rechtsprechung auf und übernahm die Grundsätze des EuGH jedenfalls für die Tätigkeit eines Mitglieds eines Aufsichtsrats mit Festvergütung und verneinte die Unternehmereigenschaft. Dieser Rechtsprechung folgte das BMF und änderte den UStAE, wobei eine 10 %-Grenze festgelegt und auch Sitzungsgelder als „variable Vergütungen“ definiert wurden.
Im Urteilsfall des FG Köln, ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung der Tätigkeit als Aufsichtsrat verschiedener Gesellschaften in den Streitjahren 2015 bis 2020. Der Aufsichtsratsvorsitzende erhielt für seine Tätigkeiten eine Sitzungsvergütung, die er entsprechend der damals geltenden Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung der Umsatzsteuer unterwarf. Später begehrte er aufgrund der EuGH-Entscheidung zur fehlenden Unternehmereigenschaft die entsprechende Änderung der Umsatzsteuerbescheide, was das FA ablehnte.
Mit Urteil vom 15.11.2023 entschied das FG Köln, dass der Aufsichtsrat nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen sei. Hierfür spreche nach Ansicht des FG Köln, dass der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Organ der Aktiengesellschaft nicht im eigenen Namen und in eigener Verantwortung tätig war. Ferner trage er im Hinblick auf seine Vergütung kein wirtschaftliches Risiko, da es sich bei den vereinbarten Sitzungsgeldern nicht um eine variable Vergütung handelte. Insbesondere hatte der Aufsichtsrat keine Möglichkeit auf die Höhe seiner Sitzungsvergütungen z.B. durch eine häufigere Einberufung von Aufsichtsratssitzungen Einfluss zu nehmen, da die Vorgaben aus Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung eine zurückhaltende Sitzungspraxis vorsahen.
Hinweis: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision wird beim BFH unter dem Az. XI R 35/23 geführt. Im Verfahren wird der BFH wahrscheinlich auch auf eine EuGH-Entscheidung vom 21.12.2023 (Rs. C-288/22, TP) eingehen. Darin verneinte der EuGH für die Tätigkeit von Verwaltungsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft nach Luxemburger Recht zwar mangels Selbständigkeit eine unternehmerische Tätigkeit, doch stützte er dies primär auf ein im Luxemburger Recht fehlendes eigenes Haftungsrisiko aus der Tätigkeit. Aufsichtsratsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft können hingegen nach § 116 i. V. m. § 93 AktG gegenüber der Gesellschaft für eigene Pflichtverletzungen zum Schadensersatz verpflichtet sein, was ggf. zu einer anderen Einschätzung führen könnte.
Damit bleibt es spannend bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft von Mitgliedern überwachender Gremien. Ausführliche Informationen zur aktuellen EuGH-Entscheidung erhalten Sie in unseren Umsatzsteuer-Newsletter vom 17.01.2024.
Ebenfalls interessant ist, dass das FG Köln entgegen der Verwaltungsauffassung und der BFH-Rechtsprechung mangels Gefährdung des Steuerauskommens eine rückwirkende Korrektur der Umsatzsteuer ohne Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs.1 UStG und ohne Rückzahlung der Steuer an den Leistungsempfänger für möglich hält.