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Keine Vergütungspflicht für Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen

BGH 18.6.2015, I ZR 14/14

Die Wie­der­gabe von Hörfunk­sen­dun­gen in Zahn­arzt­pra­xen als Hin­ter­grund­mu­sik stellt im All­ge­mei­nen keine öff­ent­li­che Wi­der­gabe dar. Sie ist dem­zu­folge auch nicht ur­he­ber­recht­lich vergütungs­pflich­tig.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist die Ge­sell­schaft für mu­si­ka­li­sche Aufführungs- und me­cha­ni­sche Ver­vielfälti­gungs­rechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von Kom­po­nis­ten, Text­dich­tern und Mu­sik­ver­le­gern ein­geräum­ten Rechte zur Nut­zung von Wer­ken der Ton­kunst (mit oder ohne Text) wahr. Sie ist von der Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft Wort (VG Wort) und der Ge­sell­schaft zur Ver­wer­tung von Leis­tungs­schutz­rech­ten (GVL) ermäch­tigt, die von die­sen wahr­ge­nom­me­nen Rechte und An­sprüche der Ur­he­ber von Sprach­wer­ken (VG Wort) so­wie der ausüben­den Künst­ler und Tonträger­her­stel­ler (GVL) gel­tend zu ma­chen.

Der Be­klagte ist Zahn­arzt und be­treibt eine zahnärzt­li­che Pra­xis. In de­ren War­te­be­reich wer­den Hörfunk­sen­dun­gen als Hin­ter­grund­mu­sik über­tra­gen. Im Au­gust 2003 schlos­sen die Par­teien einen ur­he­ber­recht­li­chen Li­zenz­ver­trag, mit dem die Kläge­rin dem Be­klag­ten das Recht zur Nut­zung des Re­per­toires der GEMA, der VG-Wort und der GVL zur Wie­der­gabe von Hörfunk­sen­dun­gen in sei­ner Pra­xis ge­gen Zah­lung ei­ner Vergütung einräumte.

Im De­zem­ber 2012 erklärte der Be­klagte der Kläge­rin die frist­lose Kündi­gung des Li­zenz­ver­trags. Diese begründete er da­mit, dass die Wie­der­gabe von Hin­ter­grund­mu­sik in Zahn­arzt­pra­xen nach dem Ur­teil des EuGH vom 15.3.2012 (C-135/10) keine öff­ent­li­che Wie­der­gabe dar­stelle. Die Kläge­rin nimmt den Be­klag­ten mit ih­rer Klage auf Zah­lung der für den Zeit­raum von Juni 2012 bis Mai 2013 ge­schul­de­ten Vergütung von rd. 114 € in An­spruch.

Das AG gab der Klage teil­weise statt und ver­ur­teilte den Be­klag­ten zur Zah­lung von rd. 62 € nebst Zin­sen und wies die Klage im Übri­gen ab. Die Be­ru­fung der Kläge­rin blieb vor dem LG ohne Er­folg. Das LG nahm an, die Kläge­rin könne von dem Be­klag­ten le­dig­lich die Zah­lung ei­ner an­tei­li­gen Vergütung für den Zeit­raum von Juni 2012 bis De­zem­ber 2012 i.H.v. rd. 62 € be­an­spru­chen. Der Li­zenz­ver­trag sei durch die frist­lose Kündi­gung des Be­klag­ten im De­zem­ber 2012 be­en­det wor­den. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die Kläge­rin kann die rest­li­che Vergütung nicht be­an­spru­chen, da der Li­zenz­ver­trag durch die frist­lose Kündi­gung des Be­klag­ten im De­zem­ber 2012 be­en­det wor­den ist. Der Be­klagte war zu ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­rech­tigt, weil die Ge­schäfts­grund­lage des Li­zenz­ver­tra­ges durch das Ur­teil des EuGH vom 15.3.2012 ent­fal­len ist. Die Wie­der­gabe von Hörfunk­sen­dun­gen in Zahn­arzt­pra­xen ist dem­zu­folge im All­ge­mei­nen - und so auch bei dem Be­klag­ten - nicht öff­ent­lich und da­mit auch nicht vergütungs­pflich­tig.

Die Par­teien hat­ten den Li­zenz­ver­trag im Au­gust 2003 in der da­mals zu­tref­fen­den An­nahme ge­schlos­sen, dass die Recht­spre­chung in der Laut­spre­cherüber­tra­gung von Hörfunk­sen­dun­gen in War­te­zim­mern von Arzt­pra­xen eine - vergütungs­pflich­tige - öff­ent­li­che Wie­der­gabe i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG sieht, die zum einen in das aus­schließli­che Recht der Ur­he­ber von Mu­sik­wer­ken oder Sprach­wer­ken ein­greift, Funk­sen­dun­gen ih­rer Werke durch Laut­spre­cher öff­ent­lich wahr­nehm­bar zu ma­chen (§ 22 S. 1 Fall 1 UrhG) und zum an­de­ren einen An­spruch der ausüben­den Künst­ler auf an­ge­mes­sene Vergütung begründet, so­weit da­mit Sen­dun­gen ih­rer Dar­bie­tun­gen öff­ent­lich wahr­nehm­bar ge­macht wer­den (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG).

Dem Ur­teil des EuGH ist zu ent­neh­men, dass eine öff­ent­li­che Wie­der­gabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/29/EG zur Har­mo­ni­sie­rung be­stimm­ter As­pekte des Ur­he­ber­rechts und der ver­wand­ten Schutz­rechte in der In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft und Art. 8 Abs. 2 S. 1 der Richt­li­nie 2006/115/EG zum Ver­miet­recht und Ver­leih­recht so­wie zu be­stimm­ten dem Ur­he­ber­recht ver­wand­ten Schutz­rech­ten im Be­reich des geis­ti­gen Ei­gen­tums je­den­falls vor­aus­setzt, dass die Wie­der­gabe ge­genüber ei­ner un­be­stimm­ten Zahl po­ten­zi­el­ler Adres­sa­ten und recht vie­len Per­so­nen er­folgt. Der EuGH hat mit die­sem Ur­teil fer­ner ent­schie­den, dass diese Vor­aus­set­zun­gen im All­ge­mei­nen nicht erfüllt sind, wenn ein Zahn­arzt in sei­ner Pra­xis für seine Pa­ti­en­ten Hörfunk­sen­dun­gen als Hin­ter­grund­mu­sik wie­der­gibt.

Der BGH ist an die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts durch den EuGH ge­bun­den und hat die ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen des na­tio­na­len Rechts richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen. Der hier zu be­ur­tei­lende Sach­ver­halt stimmt darüber hin­aus in al­len we­sent­li­chen Punk­ten mit dem Sach­ver­halt übe­rein, der dem EuGH sei­ner­zeit vor­ge­le­gen hatte.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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