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Keine verlängerte Festsetzungsfrist bei Erschleichen der Eigenheimzulage durch unrichtige Angaben

BFH 12.1.2016, IX R 20/15

Die Fest­set­zungs­frist für die Ei­gen­heim­zu­lage verlängert sich nicht auf zehn Jahre, wenn die Ei­gen­heim­zu­lage durch un­rich­tige An­ga­ben er­schli­chen wor­den ist. Das Er­schlei­chen der Ei­gen­heim­zu­lage ist keine Steu­er­hin­ter­zie­hung i.S.v. § 169 Abs. 2 S. 2 AO.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin kaufte im De­zem­ber 2002 ge­mein­sam mit ih­rem Bru­der, ih­rer Mut­ter und de­ren Ad­op­tiv­sohn zu je ein Vier­tel ein mit einem Ein­fa­mi­li­en­haus be­bau­tes Grundstück. Im Ja­nuar 2003 wurde zu­guns­ten der Er­wer­ber eine Auf­las­sungs­vor­mer­kung im Grund­buch ein­ge­tra­gen. Drei Mo­nate da­nach war der Kauf­preis fällig. Ge­fahr, Nut­zen und Las­ten soll­ten erst mit vollständi­ger Be­zah­lung des Kauf­prei­ses auf die Er­wer­ber über­ge­hen. Die Er­wer­ber zahl­ten den Kauf­preis je­doch nicht. Im Mai 2003 zog die Kläge­rin den­noch in das Haus ein. Im Ein­ver­neh­men mit der Verkäuferin zahl­ten die Er­wer­ber rd. 750 € mtl. an die Verkäuferin.

Im März 2004 be­an­tragte die Kläge­rin Ei­gen­heim­zu­lage ab dem Jahr 2003. Sie begründete den An­trag da­mit, das Grundstück zu einem Vier­tel er­wor­ben zu ha­ben. Be­sitz, Nut­zun­gen und Las­ten seien am 27.12.2002 über­ge­gan­gen; das Gebäude werde seit Mai 2003 zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken ge­nutzt. Nach­dem das Fi­nanz­amt die Vor­lage des Kauf­ver­trags, den Nach­weis über die Kauf­preis­zah­lung, einen Nach­weis über den Be­ginn der Ei­gen­nut­zung so­wie die Fi­nan­zie­rungs­un­ter­la­gen von der Kläge­rin ver­langt hatte, legte diese le­dig­lich den Kauf­ver­trag und eine Mel­de­bestäti­gung über ih­ren Ein­zug zum 1.3.2003 vor. Mit Be­scheid vom 6.7.2004 be­wil­ligte das Fi­nanz­amt - un­ge­ach­tet der Un­vollständig­keit der Ant­wort - die Ei­gen­heim­zu­lage für die Jahre 2003 bis 2010.

Im Juli 2012 er­fuhr das Fi­nanz­amt da­von, dass der Ei­gen­tumsüberg­ang nicht in das Grund­buch ein­ge­tra­gen und der Kauf rückgängig ge­macht wor­den war. Die Rechts­nach­fol­ger der Verkäuferin hat­ten im April 2009 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag erklärt und die Rück­ab­wick­lung ge­richt­lich durch­ge­setzt. Mit Be­scheid vom 25.10.2012 hob das Fi­nanz­amt die Fest­set­zung der Ei­gen­heim­zu­lage auf und for­derte die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen von der Kläge­rin zurück.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Es be­darf kei­ner Ent­schei­dung, ob die Kläge­rin den Förder­tat­be­stand erfüllt und mögli­cher­weise zu­min­dest vorüber­ge­hend wirt­schaft­li­ches Ei­gen­tum an dem von ihr be­wohn­ten Haus er­langt hat. Das Fi­nanz­amt war schon aus ver­fah­rens­recht­li­chen Gründen ge­hin­dert, den Be­scheid vom 6.7.2004 im Ok­to­ber 2012 auf­zu­he­ben, denn die Fest­set­zungs­frist war be­reits ab­ge­lau­fen.

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Eig­ZulG sind auf die Ei­gen­heim­zu­lage die für Steu­er­vergütun­gen gel­ten­den Vor­schrif­ten der AO ent­spre­chend an­zu­wen­den. Auf die Fest­set­zung ei­ner Steu­er­vergütung sind die für die Steu­er­fest­set­zung gel­ten­den Vor­schrif­ten sinn­gemäß an­zu­wen­den (§ 155 Abs. 4 AO). Eine Steu­er­fest­set­zung, ihre Auf­he­bung oder Ände­rung sind nicht mehr zulässig, wenn die Fest­set­zungs­frist ab­ge­lau­fen ist (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO). Die Fest­set­zungs­frist beträgt vier Jahre für Steu­ern und Steu­er­vergütun­gen (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO); sie beträgt zehn Jahre, so­weit eine Steuer hin­ter­zo­gen, und fünf Jahre, so­weit sie leicht­fer­tig verkürzt wor­den ist (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Wird eine Steuer oder Steu­er­vergütung nur auf An­trag fest­ge­setzt, so be­ginnt die Frist nicht vor Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res, in dem der An­trag ge­stellt wird (§ 170 Abs. 3 AO).

Dem­zu­folge be­gann die Frist für die Auf­he­bung oder Ände­rung der Fest­set­zung mit Ab­lauf des Jah­res 2004 zu lau­fen, denn in die­sem Jahr hat die Kläge­rin den nach § 12 Abs. 1 Eig­ZulG er­for­der­li­chen An­trag ge­stellt. Nicht ent­schie­den wer­den mus­ste, ob die Kläge­rin, wie das FG meint, einen vorsätz­li­chen Sub­ven­ti­ons­be­trug be­gan­gen oder ob sie le­dig­lich wahr­heits­gemäß aber un­vollständig (wie sie meint) auf das Aufklärungs­schrei­ben des Fi­nanz­amts ge­ant­wor­tet und da­durch nicht getäuscht, son­dern viel­mehr die Ab­leh­nung ih­res An­trags in Kauf ge­nom­men hat.

Nach geänder­ter BFH-Recht­spre­chung ist das Er­schlei­chen der In­ves­ti­ti­ons­zu­lage keine "Steu­er­hin­ter­zie­hung" i.S.v. § 71 AO (BFH 19.12.2013, III R 25/10). Nach Maßgabe der Gründe die­ser Ent­schei­dung ist das Er­schlei­chen der Ei­gen­heim­zu­lage eben­falls keine Steu­er­hin­ter­zie­hung i.S.v. § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Die Vor­schrift ist des­halb we­der auf­grund der Glo­bal­ver­wei­sung auf die für Steu­er­vergütun­gen gel­ten­den Vor­schrif­ten der AO (§ 15 Abs. 1 S. 1 Eig­ZulG) noch auf­grund der Zuständig­keits­norm in § 15 Abs. 2 Eig­ZulG an­wend­bar. Ob eine Steu­er­hin­ter­zie­hung oder eine leicht­fer­tige Steu­er­verkürzung vor­liegt, be­stimmt sich (bei § 169 Abs. 2 S. 2 wie bei § 71 AO) man­gels ei­ner steu­er­li­chen De­fi­ni­tion nach den §§ 370, 378 AO. Das straf­bare Er­schlei­chen ei­ner Sub­ven­tion wird aber nicht von die­sen Nor­men er­fasst, son­dern von § 264 des StGB. Dies zu ändern, wäre Auf­gabe des Ge­setz­ge­bers.

Da das FG von an­de­ren Rechts­grundsätzen aus­ge­gan­gen ist, war sein Ur­teil auf­zu­he­ben. Der an­ge­foch­tene Be­scheid ver­letzt die Kläge­rin in ih­ren Rech­ten. Die Fest­set­zungs­frist lief am 31.12.2008 ab. Der Be­scheid vom 25.10.2012 verstößt ge­gen § 169 Abs. 1 S. 1 AO. Er war er­satz­los auf­zu­he­ben (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Da­mit entfällt zu­gleich der Rück­for­de­rungs­an­spruch (§ 14 Eig­ZulG).

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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